Dies ist einer der schönen Anlässe, über die sich jeder Bundespräsident freuen wird. Menschen zu begegnen, die auffallen, weil sie etwas Besonderes leisten, weil sie sich herausheben aus einer Vielzahl von anderen, ebenso liebenswürdigen und verdienten Mitbürgerinnen und Mitbürgern. Aber Sie sind aufgefallen und das ist gut so. Und jeder Bundespräsident, der die Freude hat, das Bundesverdienstkreuz zu verleihen, der sieht sich dann nicht nur als Person, sondern als der Repräsentant des ganzen Landes. Sie gehen also richtig durch diesen Vormittag, wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Vaterland, Ihr Mutterland sagt Ihnen Danke. Und in dieser Stimmung begrüße ich Sie von ganzem Herzen.
Für Sie alle, hoffe ich, ist dieser Tag und diese Auszeichnung ein Zeichen, dass Sie wahrgenommen und anerkannt werden. Und indem ich Sie auszeichne, ist es meine Absicht, dafür zu sorgen, dass auch darüber gesprochen wird, was Sie leisten und wie Sie unser Land prägen. Es ist für mich immer wieder eine große Freude, die Leidenschaft derer, die hier im Schloss ausgezeichnet werden, in so unterschiedlichen Facetten zu erleben.
Die Auszeichnung engagierter Bürgerinnen und Bürger gehört zu diesen schönen Aufgaben, von denen ich eingangs gesprochen habe. Und das werden Sie nachher spüren, wenn Sie hören, wofür jede Einzelne von Ihnen diese Auszeichnung erfährt. Heute nun ist ein besonderer Tag. Wie immer vor dem Internationalen Frauentag, werden nur Frauen ausgezeichnet.
Ist das richtig oder ist das vielleicht ein wenig gönnerhaft? Ich weiß: Vielen Frauen gilt der morgige Weltfrauentag eben aus diesem Grund als Überbleibsel aus alten Tagen, in denen man noch mehr tun musste, um die Rolle der Frau in angemessener Weise zu würdigen, als noch um Grundrechte von Frauen gestritten wurde. Ich bin dennoch der Meinung, dass es wichtig ist, diesen Tag auch künftig besonders hervorzuheben.
Warum bin ich dieser Ansicht? Jeder weiß, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind in unserem Land. Wir wissen auch, dass diese Gleichberechtigung vom Grundgesetz garantiert wird. Wir wissen, dass Frauen schon seit dem Anfang des vergangenen Jahrhunderts das Wahlrecht haben. Noch nicht ganz so lange sind sie frei in der Auswahl ihres Berufs, auch das muss man sich in Erinnerung rufen. Die Älteren haben noch Zeiten erlebt, in denen das nicht so war. Und es ist uns auch klar, dass alle dieselben Rechte haben, Frauen und Männer. Allerdings scheint die Balance zwischen Recht und Pflicht im Alltag nicht immer gewahrt zu sein.
Aber ungeachtet solcher Unzulänglichkeiten in der Ausgestaltung können wir als Gesellschaft doch in Anspruch nehmen, dass die Gleichberechtigung von Frau und Mann inzwischen ein Wert ist, auf den wir uns nicht nur in der Theorie verständigt haben. Politik wie Zivilgesellschaft sind bereit, für diesen Wert einzustehen.
Manche von Ihnen wissen nur zu gut, dass dieses Eintreten auch ein Gebot der Menschlichkeit sein kann, denn häufig verbindet sich mit der Geringschätzung des Weiblichen die Verweigerung des elementarsten Menschenrechts, des Rechts auf körperliche Unversehrtheit. Die Unantastbarkeit der menschlichen, auch der weiblichen Würde möchte ich gegen all jene verteidigt wissen, die sie in Frage stellen. Umso wichtiger ist es, dass es Menschen und Organisationen gibt, die sich dafür engagieren, Organisationen wie Terre des Femmes, die heute hier vertreten ist.
In unserem Eintreten für die Rechte von Frauen aber werden wir nur umso glaubwürdiger, desto mehr wir auch im eigenen Land an ihrer Umsetzung arbeiten. Wir wissen auch, was noch zu tun ist: eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf – dauernd besprochen und doch nie so geregelt, dass mehr Menschen zufrieden sind. Ein weiteres Problem ist der Ausgleich von Lohnunterschieden bei gleicher Arbeit und die Förderung einer stärkeren Präsenz von Frauen in Führungspositionen.
Übrigens gilt das auch fürs Ehrenamt. Männer sind auch hier häufiger in Leitungspositionen zu finden. Ich weiß nicht, was Sie aus Ihren jeweiligen Bereichen berichten könnten, aber mir fällt jedenfalls auf, unserem ganzen Amt fällt auf, dass wir aus den Weiten der Bundesrepublik immer mehr männliche Kandidaten vorgeschlagen bekommen als weibliche, wenn es um die Auszeichnung mit dem Verdienstorden geht. Das versuche ist nach Kräften zu ändern.
Frauen sind in Leitungsfunktionen unterrepräsentiert und in ihrem Ehrenamt oft näher am Menschen. Das hat Konsequenzen: Die helfenden, betreuenden und beratenden Frauen stehen in der zweiten Reihe und sind weniger wahrnehmbar.
Sie ahnen, worauf ich hinaus will. Die Arbeit von Frauen – auch im Ehrenamt – wird immer noch zu selten gewürdigt. Der Verdienstorden sollte eben nicht häufiger an Männer als an Frauen verliehen werden. Und ich bin nicht einmal der erste Bundespräsident, der den Wunsch hat, dies zu ändern.
Sie sind heute hier, weil Ihr gutes Beispiel Schule machen soll. Ihre Arbeit, meine Damen, überzeugt, als Wissenschaftlerin oder Unternehmerin, als Kommunalpolitikerin oder als Verantwortliche im Landessportbund. Ihr Engagement wird wahrgenommen, im sozialen, wirtschaftlichen, im kirchlichen oder im kulturellen Bereich.
Dass Sie für Ihr Tun ausgezeichnet werden, ist also nicht das Verdienst derer, die Sie vorgeschlagen haben, sondern zu einhundert Prozent Ihr Verdienst. Verstecken Sie sich also nicht, auch nicht aus Bescheidenheit. Sie sollen ein Beispiel sein, sie sollen auffallen. Wir, die Gesellschaft, wollen Sie bemerken. Suchen Sie also auch den Kontakt zu den Medien in Ihrer Heimat. Sie sind gerade auch mit Ihrer Auszeichnung ein wunderbares Beispiel, das andere Frauen mitreißen oder anregen soll, die Fähigkeiten, die Sie haben, nicht unter den Scheffel zu stellen.
Einigen von Ihnen würde das auch kaum gelingen, weil ihre Forschungsarbeiten internationale Strahlkraft entfaltet haben und sie eine international bekannte Lehrstuhlinhaberin sind, oder Schauspielerin oder Moderatorin. Die öffentliche Aufmerksamkeit ergibt sich da von selbst. Ich wünschte mir, dass Sie ihre Prominenz nutzen, und so für das ehrenamtliche Engagement insgesamt werben.
Denn es gibt auch Engagement, das schwerer zu entdecken ist. Wir wissen es, und deshalb brauchen wir Ihre Unterstützung, Ihr Wissen. Wir wollen auch an die Menschen denken, die in Bereichen arbeiten, die nicht glamourös sind. Wir denken an Menschen, die andere an die Hand nehmen, die auf das Ende ihres Lebens zugehen, so wie es in der Hospizarbeit geschieht.
Hilfe ist oft dort am nötigsten, wo sie am wenigsten Aufmerksamkeit erhält. Manchmal gilt das auch für den Schutz von Tieren, die niemand mehr haben will, und die nun Dank Ihres Engagements nicht mehr einfach ausgesetzt werden, sondern in gute Hände abgegeben werden.
Ich will auch die Beharrlichkeit der medizinischen Nothilfe würdigen, etwa in Katastrophengebieten wie in Nepal oder an Brennpunkten wie der syrisch-türkischen Grenze. Hilfe, die auch dann noch geleistet wird, wenn die Einsatzorte längst wieder aus den Schlagzeilen der Medien verschwunden sind. Die Helferinnen und Helfer werden dort weiterhin gebraucht.
Und schließlich verdient auch jenes Engagement Dank, das momentan besonders im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit steht: Viele von Ihnen helfen ehrenamtlich Migrantinnen und Migranten, die in Deutschland Fuß fassen wollen, begleiten sie bei Behördengängen, sind bei der Arbeits- und Wohnungssuche behilflich. Und nicht selten bringen Sie eigene Erfahrungen ein, wenn sie aus einer Familie kommen, die eine eigene Migrationsgeschichte mitbringt. Sie alle haben großen Anteil an dem freundlichen Gesicht unseres Landes, von dem in den vergangenen Monaten so oft die Rede war.
Wieder andere engagieren sich in der Hilfe für Kinder. Dabei kann es um ganz elementare Hilfe zum Überleben gehen, wie sie etwa das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen leistet, um einen Mittagstisch des Deutschen Roten Kreuzes für Kinder aus sozial schwachen Familien oder auch um die Förderung von Talenten, etwa der Technikkompetenz von Mädchen.
Hilfe zur Selbsthilfe ist ein Motto, unter dem sich vieles wiederfindet, was hier vorgestellt und geehrt werden wird: Eine Firmeninhaberin hilft Frauen, die nach dem Tod ihres Mannes an die Spitze eines Familienunternehmens geraten. Eine Ballettmeisterin engagiert sich für das berufliche Fortkommen von Tänzerinnen und Tänzern nach dem Ende ihrer Bühnenkarriere. Und eine Gewerkschafterin hilft, die Rechte von Arbeitnehmerinnen zu stärken.
Das Spektrum des Engagements ist so weit und Ihre Ideen sind so zahlreich, dass ich sie in dieser kurzen Ansprache natürlich nicht alle ausreichend würdigen kann. Wir werden gleich aber im Einzelnen hören, warum Sie, verehrte Ehrengäste, heute ausgezeichnet werden. Jede Einzelne, die heute ausgezeichnet wird, steht für ein besonderes Verdienst an unserer Gesellschaft. Und dafür danke ich Ihnen herzlich. Und nebenbei, ich habe es gesagt, wünsche ich mir, dass Ihr Beispiel Schule macht, wir mehr über das Engagement von Frauen erfahren und in jedem Jahr mehr Auszeichnungen an sie vergeben können.
Danke, dass Sie hier sind.