Willkommen in Schloss Bellevue, willkommen bei der Woche der Umwelt! Wenn ich zum Park hinausschaue, kommt mir der Wunsch, all die vielen Produkte, Verfahren und Projekte, die dort präsentiert werden, wären schon Standard. Und wenn ich mich hier im Saal umblicke, wünschte ich, ganz viele Menschen wären so wie Sie, die ich gleich mit einem Orden auszeichnen werde. Denn für einen zukunftsfähigen Umgang mit unseren Lebensgrundlagen brauchen wir beides: umweltfreundliche Technologien genauso wie eine umsichtige persönliche Haltung gegenüber unserer Umwelt. Wir brauchen einander mit unseren Kenntnissen und unserer Fähigkeit, neue Technologien zu entwickeln, aber noch mehr mit der hartnäckigen Bereitschaft, eingefahrene Mentalitäten zu verändern.
Vielleicht kennen Sie den Satz des Philosophen Arthur Schopenhauer: „Jeder dumme Junge kann einen Käfer zertreten, aber alle Professoren der Welt können keinen herstellen.“ Allzu schnell fügen wir unserer Umwelt Schaden zu – oft unwissentlich und unwillentlich, leider oft auch leichtfertig. Ersetzen können wir sie und ihre Leistungen auch heute nicht. Das, was wir zerstören, bleibt oftmals zerstört, aller Ingenieurskunst und Wissenschaft zum Trotz.
Ihnen als den künftigen Trägerinnen und Trägern des Verdienstordens für Ihr Engagement im Naturschutz brauche ich all das nicht zu sagen. Was Sie, was uns hier im Saal miteinander verbindet, ist die Haltung, sich mitverantwortlich zu fühlen für unsere „res publica“, für unsere gemeinsamen Güter, zu denen allen voran eine intakte Umwelt gehört.
Sie widmen sich seit vielen Jahren oder gar Jahrzehnten mit all Ihrer Leidenschaft und Kraft und einem Großteil Ihrer freien Zeit dem Umweltschutz in all seinen unterschiedlichen Facetten. Sie vermitteln Kindern eine Ahnung von der Schönheit der Natur und das Wissen um ihre Schutzbedürftigkeit. Sie tun das durch Freizeiten in der Natur und mit liebevoll gehegten Schulgärten, grünen Klassenzimmern und Freilandlaboren. Sie bringen mit viel Elan erneuerbare Energien voran oder schützen Seen, Wälder, Salzquellen oder was es auch sonst an Schützenswertem gibt.
Oft sind Sie mit Ihren Aktivitäten lokal oder regional verwurzelt und zugleich sind Sie überregional vernetzt – Umweltschäden machen nun mal vor einer Grenze nicht halt. Sie engagieren sich dort, wo es anderen oft zu mühsam oder gar nicht möglich erscheint: beim Bohren dicker Bretter, in diesen langwierigen Planungsverfahren, die es bei uns in der Politik gibt. Sie machen klar, welche Wirkungen unser Handeln auf andere, auf weit entfernt lebende Zeitgenossen hat. Sie stiften zum Handeln an. Nur wer begreift, welche Rolle er spielt, erkennt die Notwendigkeit, aktiv zu werden.
Die faszinierenden Seiten der Natur können wir leicht erspüren, erfahren und erfassen. Wir brauchen nur mit wachem Auge durch einen Wald oder über eine Wiese zu gehen, am Meer zu stehen oder einfach eine Blume anzuschauen, egal wo Sie wächst.
Der ökonomische Wert der Natur ist dagegen oft nur sehr schwer zu erfassen. Dabei hängt unser Wohlstand, unser Wohlergehen davon ab, ob es auch gesunde Wälder und fruchtbare Böden gibt, sauberes Trinkwasser, fischreiche Meere, biologische Artenvielfalt und ein stabiles Klima. Mit jedem dieser Begriffe habe ich eine Lebenszone benannt. Es gibt Schätzungen, nach denen allein die weltweit rund 100.000 Naturschutzgebiete jährlich Werte schaffen, die den globalen Umsatz der Automobil- und Stahlindustrie übertreffen. Wenn wir solche Vergleiche bemühen, dann können wir erahnen, wie wertvoll die Natur eben auch als Grundlage für die Wirtschaft ist – und wie wenig wir das bislang berücksichtigen. Deshalb habe ich mich gefreut, hier bei dieser Woche der Umwelt etwas zu sehen, was sich schon seit vielen Jahren eingebürgert hat. Dass zahlreiche Unternehmen Aktivitäten entwickelt haben in Richtung Nachhaltigkeit und ökologischer Achtsamkeit. Das alles müssen wir fördern. Weder die Politiker noch die Bürger noch die Wirtschaft können dieses Ziel, das uns am Herzen liegt, allein erfüllen. Wir müssen es gemeinsam tun.
Mit Ihrem Engagement ist es ganz ähnlich wie mit der Umwelt: Auch Ihre Leistungen sind nicht auf den ersten Blick sichtbar, erscheinen nicht in gewöhnlichen Bilanzen. Auch hier würden wir erst merken, wenn alles fehlt, was wir verloren haben.
Ehrenamtliches Engagement wird in diesem Hause von allen Bundespräsidenten immer wieder gewürdigt. Auch ich werde das während meiner Amtszeit beständig tun. Und zwar deshalb, weil wir leicht dazu neigen, in unserem Land eine Kultur der Verzagtheit und des Verdrusses zu pflegen. Es ist aber wichtig, dass wir begreifen, dass wir etwas ausrichten können und das begreifen wir ganz existentiell im freiwilligen, ehrenamtlichen Engagement. Das ist ein Stück der Kultur unseres Landes. Und weil wir über diese Kultur viel zu wenig reden, bin ich richtig froh, dass ich heute danke sagen darf bei denen, die ich als gute Vorbilder empfinde für die Menschen, die in diesem Land leben.
Ich habe noch einen Wunsch: Tragen Sie den Orden oft. Als ich jung war galten Orden als etwas Verstaubtes, man mochte das nicht so. Einige von Ihnen kennen diese Denkweise auch. Das müssen wir anders sehen. Die Orden, die wir verleihen, stehen nicht in einer martialischen preußischen Tradition. Es sind Ehrenzeichen unserer Bürgergesellschaft. Und wenn Sie sie tragen, dann ermutigen Sie Ihre Nachbarn, Ihre Bekannten. Sie sagen damit: Ich habe mich entschieden als engagierte Bürgerin, als engagierter Bürger zu leben. Dafür darf man sich dann auch mal auszeichnen lassen. Wir müssen an das glauben, was in uns steckt, sonst geht es nicht weiter. Es gibt uns Kraft und Zuversicht, wenn wir Rückschläge erleiden. Also keine falsche Bescheidenheit. Sie sollten ja auch andere anstiften, Gutes zu tun und wenn der Orden dazu hilft, dann ist das eine gute Sache.
Den schönsten Dank haben Sie ja eigentlich schon auf andere Weise erfahren: Es ist das Gefühl, dass es sehr glücklich macht, wenn man etwas bewegen kann. Und wie schön es ist, andere zu bewegen, indem wir selbst bewegen und in Bewegung setzen lassen. Das ist etwas, das uns erlaubt, unser eigenes Ich freundlich anzuschauen. Eben habe ich gesagt, in Bewegung setzen. Das wollen wir jetzt tun. Wir setzen uns in Bewegung und verleihen die Orden!