Namensbeitrag in den Weihnachtsausgaben der Straßenzeitungen

Schwerpunktthema: Zeitungsbeitrag

1. Dezember 2020

Der Bundespräsident hat einen Beitrag für die Weihnachtsausgaben der Straßenzeitungen verfasst, der in den Dezemberausgaben 2020 erschienen ist.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Arbeitszimmer (Archivbild)

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat einen Beitrag für die Weihnachtsausgaben der Straßenzeitungen verfasst, der in den Dezemberausgaben 2020 erschienen ist.


Seit 25 Jahren gibt es das Straßenmagazin bodo. Seit zweieinhalb Jahrzehnten ist es Menschen, die auf der Straße leben, eine Hilfe zur Selbsthilfe. Und bodo lebt – wie alle Straßenmagazine – von der Straße, vom Straßenverkauf. Monat für Monat – bis es in diesem April, zum ersten Mal überhaupt, nur mehr digital erscheinen konnte. Denn die Straße, das öffentliche Leben, unser aller Leben, steht seit nunmehr einem dreiviertel Jahr unter dem Einfluss der weltweiten Corona-Krise.

Was bedeuten die Infektionsgefahr und die Kontaktbeschränkungen für Menschen, die weiter auf der Straße leben, die auf Einkünfte aus dem Straßenverkauf angewiesen sind, deren Anlaufstellen nur noch im Notbetrieb arbeiten können, die keinen Rückzugsraum haben? Ein öffentlicher Raum ohne Menschen, ohne Kommen und Gehen, ist wie ein blinder Fleck.

Doch gerade jetzt sind die Menschen, die weiter auf der Straße und von der Straße leben, auf Wahrnehmung angewiesen, darauf, dass sie nicht aus dem Blick geraten in dieser Krise. Durch Corona sind wichtige Anlaufstellen und Aufenthaltsorte für wohnungslose Menschen nur noch eingeschränkt nutzbar. Im bevorstehenden Winter heißt das für viele – trotz großer Anstrengungen einer Vielzahl von karitativen Organisationen: Weniger Orte zum Aufwärmen, und, gerade in dieser Gesundheitskrise, weniger Möglichkeiten für einfachen medizinischen Rat.

Straßenmagazine wie bodo und andere Einrichtungen der Obdachlosenhilfe können hier Unterstützung leisten. Sie verlieren ihre Leute nicht aus den Augen. Wir sollten es auch nicht. Wer obdachlos ist, ist schutzlos, wenn ihm nicht geholfen wird. Alle Institutionen der Obdachlosenhilfe sind deshalb auf unsere Wahrnehmung und Hilfe angewiesen, gerade in dieser Zeit, in der sich Deutschland und Europa darauf konzentrieren, die Corona-Krise zu überwinden.

Denn: Wenn wir alle aufgefordert sind, zuhause zu bleiben, was bedeutet das für Menschen, die kein Zuhause haben? Müssen wir diejenigen, die kein Zuhause haben, in einer solchen Zeit nicht erst recht stützen, damit sie nicht fallen? Daran könnten wir denken, wenn wir uns in diesem Jahr nicht auf festlich geschmückten Straßen und Weihnachtsmärkten begegnen, sondern im engsten Kreis Weihnachten feiern.

Ich wünsche uns allen ein frohes Weihnachtsfest, Gesundheit und ein gutes neues Jahr!