Adventsbrief in der Wochenzeitung Bild am Sonntag

Schwerpunktthema: Zeitungsbeitrag

29. November 2020

Der Bundespräsident hat sich zum ersten Advent mit einem Brief an die Bürger gewandt, der am 29. November in der Zeitung Bild am Sonntag veröffentlicht wurde: "Rücksicht und Solidarität der überwältigenden Mehrheit der Deutschen zeigen, dass unsere Gesellschaft zusammenhält, auch wenn die Zeiten rauer sind."


Bundespräsident Steinmeier hat sich zum ersten Advent mit einem Brief an die Bürgerinnen und Bürger gewandt, der am 29. November in der Zeitung Bild am Sonntag veröffentlicht wurde.


Liebe Bürgerinnen und Bürger,

heute ist der erste Advent. Eine besondere Zeit beginnt – eine Zeit der Hoffnung, der Erwartung, des Zusammenseins. Der Glanz aus Kinderaugen verzaubert auch uns Erwachsene; die weihnachtlichen Traditionen berühren auch das Leben vieler, die anders glauben oder gar nicht glauben.

Die Corona-Pandemie macht den Advent in diesem Jahr noch auf andere Art zu einer besonderen Zeit. Immer noch ist Verzicht gefragt auf vieles, was die dunklen Tage normalerweise zum Leuchten bringt: der Besuch des Weihnachtsmarktes, das Beisammensein mit lieben Menschen, Weihnachtsfeiern im Verein, gemeinsames Singen... Der Verzicht auf all das fällt schwer – auch mir persönlich!

Aber wir können trotzdem voller Zuversicht sein! Denn die Fortschritte in der medizinischen Forschung geben Hoffnung, dass die Pandemie nicht dauerhaft unseren Alltag beherrschen wird. Die Pandemie wird uns die Zukunft nicht nehmen.

Und ermutigend ist die Erfahrung: Rücksicht und Solidarität der überwältigenden Mehrheit der Deutschen zeigen, dass unsere Gesellschaft zusammenhält, auch wenn die Zeiten rauer sind. Die vielfältigen Formen der Unterstützung für diejenigen, die von der Krise besonders hart getroffen sind, beweisen, dass unsere Demokratie der Krise nicht ohnmächtig gegenübersteht, sondern Brücken baut in die Zeit nach Corona. Unser Land ist ein starkes Land!

Die Adventswochen werden in diesem Jahr stiller sein. Aber auch wenn wir Abstand zueinander halten, können wir uns nahe sein. Vergessen wir vor allem diejenigen nicht, die gerade jetzt besonders belastet sind: weil sie selbst krank sind oder um ihre Liebsten bangen; weil sie für Pflegebedürftige sorgen, in Laboren arbeiten oder unseren Abfall entsorgen; weil sie die Schulen offen halten oder weil sie allein zuhause sind.

Zeigen wir den Menschen um uns herum Aufmerksamkeit und Zuneigung, schenken wir Hoffnung und öfter mal ein freundliches Wort, greifen wir zum Telefon oder schreiben wir – ganz altmodisch – mal wieder einen Brief!

Zuversicht und Zusammenhalt – das, liebe Bürgerinnen und Bürger, wünsche ich Ihnen, die Sie sich auf das Weihnachtsfest freuen, denen, die das Chanukka-Fest vor sich haben, und all denen, die ihre religiösen Feste zu anderen Zeiten des Jahres feiern. Bleiben wir beieinander und geben wir acht aufeinander: jetzt in den Zeiten von Corona und auch in der Zeit danach!

Bleiben Sie gesund! Ihnen allen eine frohe und besinnliche Zeit,
Ihr
Frank-Walter Steinmeier