Namensbeitrag in der Tageszeitung Financial Times zur globalen Impfallianz in der Corona-Pandemie, gemeinsam mit König Abdullah II. des Haschemitischen Königreichs Jordanien; Halimah Yakob, Präsidentin der Republik Singapur; Sahle-Work Zewde, Präsidentin der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien, und Lenín Moreno Garcés, Präsident der Republik Ecuador

Schwerpunktthema: Zeitungsbeitrag

1. April 2020

Der Bundespräsident hat gemeinsam mit dem König von Jordanien, den Präsidentinnen von Singapur und Äthiopien sowie mit dem Präsidenten von Ecuador einen Namensbeitrag in der Financial Times verfasst, der am 1. April erschienen ist: "Diese Pandemie wird kein Land verschonen, egal wie fortschrittlich seine Wirtschaft, seine Fähigkeiten oder seine Technologie sind. Vor diesem Virus sind wir alle gleich, und wir müssen alle zusammenarbeiten, um es zu bekämpfen."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Arbeitszimmer (Archivbild)

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat gemeinsam mit König Abdullah II. des Haschemitischen Königreichs Jordanien, Halimah Yakob, der Präsidentin der Republik Singapur, Sahle-Work Zewde, Präsidentin der Demokratischen Bundesrepublik Äthiopien, und Lenín Moreno Garcés, Präsident der Republik Ecuador, einen Namensbeitrag Für eine globale Allianz gegen die Pandemie in der Tageszeitung Financial Times verfasst, der am 1. April erschienen ist:

Unsere Staaten, Gesellschaften und Volkswirtschaften verlangsamen sich. Sie kommen fast zum Stillstand im Angesicht einer globalen, äußeren Bedrohung, die alle Grenzen, Ethnien und Glaubenszugehörigkeiten überschreitet. Das öffentliche Leben ist nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Aber zugleich werden diese nie gekannten Maßnahmen der sozialen Distanzierung nur schwer über einen langen Zeitraum aufrechtzuerhalten sein.

Staaten wenden sich nach innen, während sie versuchen, die Corona-Pandemie zu bewältigen. Sie schließen ihre Grenzen und verhängen drastische Maßnahmen. Dieser Rückzug birgt die Gefahr, dass am Ende jedes Land für sich alleine kämpft. Dabei können wir Covid-19 wirkungsvoller eindämmen und bekämpfen, wenn wir die Barrieren, die den Austausch von Wissen und Zusammenarbeit behindern, einreißen.

Krisen wie diese bringen das Beste und das Schlechteste im Menschen hervor. Es ist unsere Aufgabe als Staatsoberhäupter, Ersteres zu fördern und Letzteres einzudämmen. Unsere Länder befinden sich in unterschiedlichen Stadien der Krise, aber wir alle sehen einen starken Geist der Solidarität. Wir bewundern die vielen Menschen, die hingebungsvoll versuchen, Leben zu retten oder unerlässliche Dienstleistungen aufrechtzuerhalten. Sie geben uns Hoffnung und Ermutigung, dass unsere Gesellschaften diese Krise nicht nur durchstehen, sondern gestärkt und tiefer geeint aus ihr hervorgehen können.

Gleichermaßen gilt: Die überzeugendste Art, mit der globalen Dimension dieser Krise umzugehen, besteht darin, Zusammenarbeit und Solidarität zu stärken. Die menschliche Erfahrung lehrt uns, dass fast alle Seuchen, die Menschenleben forderten – Tuberkulose, Pocken, Ebola, Aids –, von der modernen Medizin überwunden wurden, der es gelang, Therapien und Impfstoffe zu entwickeln. Weltweit geteiltes Wissen und die beschleunigte Forschung in einem globalen Netzwerk von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern werden auch für unsere heutige Bedrängnis die entscheidende Antwort finden.

Dies ist eine globale Krise. Jedes Zögern kostet Leben. Wir alle stehen vor demselben Gegner und es bringt uns nur Vorteile, wenn ihm die gesamte Menschheit vereint und entschlossen entgegentritt. Es wird keinen Sieg über das Virus in nur einem Land oder nur wenigen Ländern geben. Zugleich können wir alle einen Beitrag leisten, unabhängig von der Größe unserer Wirtschaft oder unseres Volkes. Eine globale Lösung liegt im ureigenen Interesse eines jeden von uns.

Wir begrüßen die Erklärung der G20-Staats- und Regierungschefs, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um die Krise zu bewältigen. Wir unterstützen nachdrücklich den globalen humanitären Appell des Generalsekretärs der Vereinten Nationen. Kein einziger globaler Akteur verfügt jedoch allein über die medizinischen, wirtschaftlichen und politischen Mittel und Instrumente, die erforderlich sind, um einen Impfstoff für alle zu produzieren, die ihn brauchen. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir eine wahrhaft globale Allianz schmieden müssen, um den menschlichen Erfindungsreichtum zu mobilisieren und die Solidarität unter den Menschen zu stärken.

Wir rufen alle Akteure, die Weltbankgruppe, den IWF, die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung, die internationalen Impfallianzen, gemeinnützige Stiftungen, Wissenschaftler und pharmazeutische Unternehmen, dazu auf, aufbauend auf der Arbeit der Weltgesundheitsorganisation, ihre Kräfte zu bündeln.

Diese neue globale Allianz sollte vier große Ziele verfolgen. Erstens die Beschleunigung der Erforschung und Entwicklung von Behandlungsmethoden und Impfstoffen durch offene und transparente wissenschaftliche Arbeit sowie verstärkte Finanzierung. Zweitens die Sicherstellung der raschen Herstellung, Beschaffung und gerechten Verteilung von Testausrüstungen und unverzichtbarer medizinischer Ausrüstung für alle. Drittens das rasche Hochfahren der Produktion und die gerechte Verteilung künftiger Therapien und Impfstoffe an alle Regionen der Welt, auch an die verletzlichsten Bevölkerungsgruppen wie Flüchtlinge. Viertens das entschiedene Werben für die enormen Vorteile einer Antwort auf diese Krise, die auf internationale Zusammenarbeit setzt. Die weltweite Verfügbarkeit einer wirksamen Behandlungsmethode und eines künftigen Impfstoffs sollte das leuchtende Beispiel für ein globales öffentliches Gut werden.

Uns ist bewusst, dass eine solche Allianz aus vielen Akteuren nicht leicht zu schmieden und zu führen sein wird. Wir glauben aber, dass der Versuch jede Mühe wert ist. Die Allianz könnte sich auf die Hoffnungen und die enorme Hilfsbereitschaft der Menschen stützen und sie als Kraftquelle erschließen. Jetzt ist nicht die Zeit für geopolitische Grabenkriege.

Wir ahnen, dass unsere Gesellschaften nach dieser Krise nicht mehr dieselben sein werden, und dass auch die Welt, in der wir leben, eine andere sein wird. Aber wir bieten all jenen die Stirn, die vorgeben, schon heute zu wissen, dass es eine ärmere, kältere Welt sein wird, mit Menschen und Nationen, die auf Distanz zueinander gegangen sind. Es sind vielmehr unsere Entscheidungen in den kommenden Wochen und Monaten, die bestimmen, wie die Welt morgen aussehen wird.

Die Internationalisierung der Entwicklung, Herstellung und Verteilung von Therapien und Impfstoffen wird nicht nur das Gegenmittel gegen das Virus selbst hervorbringen, sondern auch gegen die politischen Verwerfungen, die sich seit seinem Ausbruch vertieft haben. Diese Pandemie wird kein Land verschonen, egal wie fortschrittlich seine Wirtschaft, seine Fähigkeiten oder seine Technologie sind. Vor diesem Virus sind wir alle gleich und wir müssen alle zusammenarbeiten, um es zu bekämpfen. Wir sind zuversichtlich, dass wir durch den menschlichen Erfindungsgeist gerettet werden können und tatsächlich gerettet werden, wenn wir denn unser Wissen und unsere Anstrengungen bündeln. Lassen Sie uns dies erreichen im Geiste menschlicher Solidarität, indem wir uns um jeden kümmern, ganz gleich ob arm oder reich, alt oder jung, Frau oder Mann. So retten wir Leben. So bringen wir das Beste in uns allen hervor. Und so machen wir die Welt von morgen zu einem besseren Ort.