Ordensverleihung während der "Ortszeit Weiden"

Schwerpunktthema: Rede

Weiden in der Oberpfalz, , 27. Juni 2024

Bundespräsident Steinmeier hat während seiner "Ortszeit Weiden" fünf Frauen und fünf Männer aus Bayern mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet: "Das Engagement, das ich heute hier beispielhaft auszeichne, ist kostbar für unsere ganze Gesellschaft, weit über das nahe Umfeld der Ordensträger hinaus."

Bundespräsident Steinmeier steht während seiner Rede zur Ordensverleihung in Weiden i.d. Oberpfalz vor den Flaggen der EU, der Bundesrepublik und des Freistaats Bayern sowie seiner Standarte an einem Rednerpult

Das Beste kommt zum Schluss, so sagt man. Ich weiß nicht, ob das heute auch gelten kann. Ich habe so viele gute und sehr gute Eindrücke hier in Weiden bekommen, so viele interessante Gespräche und Begegnungen gehabt, dass mir jede Rangfolge aus "gut, besser, am besten" fast ungerecht vorkommen würde nach diesen drei Tagen. Aber auf jeden Fall würde ich sagen: Etwas sehr Wichtiges kommt jetzt, zum Schluss!

Zunächst aber erst einmal herzlichen Dank an Sie alle hier in Weiden, die Sie mich so freundlich und herzlich empfangen haben, aufgenommen haben, die mich ein Stück haben teilnehmen lassen an ihrem alltäglichen Leben, ihren Freuden, auch ihren Sorgen. All das ist Sinn der "Ortszeit", wenn ich mich für drei Tage in eine Stadt begebe, um mit den Bürgerinnen und Bürgern dort über unseren Staat, unsere Demokratie, unser Zusammenleben in ganz unterschiedlichen Formaten ins Gespräch zu kommen.

Am Ende einer jeder dieser "Ortszeiten", bei denen ich mit neuen Erfahrungen so reich beschenkt werde und von denen ich so vieles Interessante und Nachdenkenswerte mitnehme zurück nach Berlin, am Ende lasse ich meinerseits da, was ich Ihnen mitgebracht habe: meinen Dank, natürlich, aber auch Auszeichnungen an Menschen, die es verdient haben. Das Bundesverdienstkreuz für verdiente Bürgerinnen und Bürger – diesmal für verdiente Bürgerinnen und Bürger aus Weiden, aus anderen Orten in der Oberpfalz und aus ganz Bayern.

Natürlich sind das nicht etwa meine Orden, meine Bundesverdienstkreuze, die ich Ihnen gleich aushändigen oder richtiger: verleihen darf, wie es korrekt heißt. Es ist vielmehr die Auszeichnung unseres Landes, unseres Staates. Es ist der Dank unseres Gemeinwesens an Einzelne, die sich um dieses Gemeinwesen, um unser Zusammenleben besonders verdient gemacht haben. Ich bin sozusagen nur der Überbringer, die Stimme unseres Staates.

Ich will kein Geheimnis daraus machen, dass mir genau diese Gelegenheit höchst willkommen ist. Nichts ist nämlich schöner, als Danke zu sagen, als Menschen zu loben, die es verdient haben; als Frauen und Männer auszuzeichnen und sie für einen wichtigen Moment einmal in den Mittelpunkt oder ins Rampenlicht zu stellen.

Wie gesagt, weniges an meinem Amt macht mir mehr Freude. Aber in diese Freude mischt sich dann jedes Mal noch etwas anderes. Ich weiß nicht, was das beste Wort dafür ist. Es ist eine Mischung aus Hochachtung und Demut.

Hochachtung vor dem Engagement und einer Hingabe, die oft die ganze Person, sogar eine ganze Familie fordern; eine Aufgabe, die innere Kräfte erfordert und manchmal auch verbraucht – und die natürlich auch sehr viel Zeit erfordert, ganz konkrete Lebenszeit, die man im Dienst für das Gemeinwesen oder für andere zur Verfügung stellt, für eine gute Sache oder schlicht für die Gemeinschaft. Und ich glaube, dass jeden, der sich vor Augen führt, was ich gleich bei jeder Aushändigung zu den Aktivitäten, zum Engagement jedes Einzelnen vortrage, dass jeden ein bisschen Demut erfasst. Vor dem, was andere zu leisten im Stande sind und tatsächlich leisten.

Demütig macht übrigens auch, wenn man sieht: Diejenigen, die ausgezeichnet werden, empfinden sehr oft das, was sie tun, überhaupt nicht als so besonders, als gar nicht so herausragend. Manche sind ehrlich und echt überrascht, dass sie für etwas einen Orden bekommen sollen, was sie bis dahin doch für ganz selbstverständlich gehalten haben.

Und Sie wären sicher als erste damit einverstanden, wenn ich sage: Mit Ihnen zusammen sollen sich auch die vielen anderen ausgezeichnet fühlen, die auf ihre Weise und an ihrem Platz ebenfalls etwas für andere tun, was sie für selbstverständlich halten. Die alle sind mit ihrem Engagement genauso wichtig für unser Zusammenleben wie die, die nun sichtbar ein öffentliches Dankeschön am Revers tragen dürfen.

Hier in Weiden kennt man sich traditionell gut aus mit dem, was kostbar ist. Hier wird seit Langem manches davon hergestellt. Glas und Porzellan – dafür ist Weiden bundesweit und auch jenseits davon bekannt. Kostbares dieser Art ist aber immer auch gefährdet; wie leicht kann man, im praktischen wie im übertragenen Sinn, Porzellan zerschlagen.

Das Engagement, das ich heute hier beispielhaft auszeichne, ist ebenfalls kostbar. Es ist kostbar für unsere ganze Gesellschaft, weit über das nahe Umfeld der Ordensträger hinaus. Aber wir wissen: Auch solches Engagement ist manchmal gefährdet. Engagement kann auf Unverständnis stoßen, auf Neid, auf Verhältnisse, die sich manchmal als unabänderlich erweisen, auf Widerstände jeder Art.

Und schlimmer: Manchmal gibt es sogar Beschimpfungen, Drohungen oder tätliche Übergriffe auf Ehrenamtliche, seien es beispielsweise freiwillige Feuerwehrleute oder ehrenamtliche Bürgermeister oder Gemeinderäte. Das ist beschämend, das ist unerträglich.

Wahrscheinlich gehört es zu den wichtigsten Kennzeichen derjenigen, die ich heute auszeichnen darf, dass sie schlicht und einfach gegen solchen Unwillen, manchmal auch Widerstand durchgehalten haben. Es hat sicher auch bei Ihnen Momente gegeben, wo es schwerer war. Aber Sie sind Ihrer ursprünglichen Idee treu geblieben, Sie haben bestimmt öfter auf eine gute Art hartnäckig bleiben müssen, möglicherweise sind Sie manchen dabei sogar auf die Nerven gegangen. Aber das gehört dazu. Das Engagement stört eben manchmal auch die Bequemlichkeit derer, die selber lieber abseits stehen, die lieber zusehen oder klug kommentieren.

Wir werden gleich sehen und hören, wie vielfältig Engagement in der Gesellschaft sein kann, wo es überall Orte gibt, an denen Menschen gebraucht werden, an denen Menschen Gutes tun können: Partnerschaften zwischen Schulen aus Nachbarländern, Begleitung von Kindern und Jugendlichen beim Sport, Katastrophenhilfe im In- und Ausland, Hilfe für Eltern frühgeborener Kinder, Aufarbeitung der NS-Geschichte vor Ort und aktive, regionale Gedenkkultur, praktische Hilfe in der Kinderbetreuung, damit Mütter arbeiten können, junge Menschen für Robotik begeistern und alten Menschen beim Verfassen von Lebenserinnerungen helfen – und so vieles mehr. Überall dort hat jemand eine Aufgabe erkannt, überall dort hat sich jemand – von sich aus, aus eigenem Antrieb – mit Leib und Seele engagiert.

Das Ehrenamt – kaum etwas ist so vielgestaltig, kaum etwas kann so viele verschiedene Formen annehmen, sich in so unterschiedlichen Bereichen abspielen. Unsere Gesellschaft, unsere Städte und Dörfer, unsere Vereine und Nachbarschaften, unsere Kirchengemeinden und Begegnungsstätten, unsere Chöre und Initiativen – wie viel ärmer wäre alles ohne die, die hier für sich eine Aufgabe entdeckt haben. Die leidenschaftlich und verlässlich immer wieder da sind, wo sie gebraucht werden. Ihnen allen meinen und unseren herzlichen Dank.

Ich möchte Sie nun bitten, einzeln nach vorne zu kommen, damit ich Ihnen die Auszeichnungen überreichen kann.