"Jede und jeder kann sofort loslegen und ökologisch verantwortungsvoll handeln"

Schwerpunktthema: Rede

Schloss Bellevue, , 4. Juni 2024

Zum Auftakt der gemeinsam mit der Deutschen Bundesstiftung Umwelt realisierten Woche der Umwelt hat der Bundespräsident eine Rede gehalten: "Es ist alles da, was wir brauchen, um unser Land zu einem klimaneutralen Industrie- und Exportland zu machen. Zu einem Land, in dem wir Klimaschutz mit Wohlstand, Lebensqualität und sozialer Gerechtigkeit verbinden. Zu einem Land, das zum Vorbild für andere werden kann – und so weltweit zum Klimaschutz beiträgt!"

Das Schloss, das Sie hinter mir sehen, das wurde Ende des 18. Jahrhunderts gebaut und damals auf den Namen Bellevue getauft: "schöne Aussicht“. Das passt bis heute zu diesem Gebäude, das passt zu dem wunderbaren Blick hier in den Garten, in den Park. Aber "schöne Aussicht“, das ist vermutlich nicht das Erste, was uns in den Sinn kommt, wenn wir an den Zustand unserer Welt, an Erderwärmung und Artensterben denken.

Was wir tun können und tun müssen, um Aussicht auf eine gute Zukunft auf unserem Planeten zu haben, das zeigt uns die Woche der Umwelt, die jetzt schon zum siebten Mal hier zwischen Spree und Tiergarten stattfindet. Sie führt uns vor Augen, welche Mittel und Wege wir haben, um gemeinsam in eine klimafreundliche und lebenswerte Zukunft aufzubrechen. Und sie macht uns bewusst, dass diese Zukunft keine ferne Utopie ist, sondern an vielen Orten unseres Landes längst begonnen hat.

Etwa 190 Aussteller aus Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft präsentieren sich hier im Park mit faszinierenden Ideen, aber eben nicht nur Ideen, sondern auch Lösungen: Wasserstoff aus dem Meer als Energieträger; Kreislaufwirtschaft für Batterien; Lastwagen, die ohne Diesel oder Benzin fahren; klimaneutrale Häuser aus Holz und Stroh; renaturierte Moore als Wirtschaftsflächen; Ackerbau ohne Pflanzen- und Insektengifte – diese und viele andere Projekte machen uns bewusst: Wir Menschen, wir sind der Klimakrise nicht hilflos ausgeliefert. Wir können die Erderwärmung und das Artensterben bremsen. Und noch eines mehr: Wir können zugleich Wohlstand erhalten und den ökologischen Umbau gerecht gestalten – bei uns in Deutschland, in Europa und weltweit!

Wir müssen es nur tun. Und zwar nicht irgendwann später, sondern jetzt! Und wenn ich "wir“ sage, dann meine ich uns alle, als Bürgerinnen und Bürger.

"Zusammen für Klimaneutralität“, das ist genau deshalb in diesem Jahr das Motto der Woche der Umwelt. Ich danke der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, die uns als Mitveranstalter wie immer in den letzten Jahren tatkräftig unterstützt. Und ich freue mich, liebe Gäste, dass Sie mit dabei sind. Schön, Sie zu sehen. Herzlich willkommen hier im Park von Schloss Bellevue!

[Zwischenrufe von Aktivisten]

Kriege und Terror; die Anfechtungen der liberalen Demokratie; die Wirtschaftsflaute in unserem Land: All das lässt uns in der Tat mit Sorge in die Zukunft schauen. All das erfordert jetzt unseren entschiedenen Einsatz.

Aber wir dürfen trotzdem nicht zulassen, dass Klima- und Artenschutz aus unserem Blickfeld verschwinden und auf der politischen Agenda nach hinten rutschen. Wenn wir jetzt im Kampf gegen die Erderwärmung nachlassen, dann gefährden wir Menschenleben, vor allem in den Ländern des Südens, aber auch bei uns. Und dann bürden wir in der Tat unseren Kindern und Enkeln umso größere Lasten auf!

Dass wir keine Zeit zu verlieren haben, das zeigen allein die Katastrophen dieser Wochen: tödliche Hitze in Südostasien, verheerende Regenfälle in Südbrasilien, Gewitter und Wirbelstürme in den USA; schwere Überschwemmungen im Saarland und jetzt ganz aktuell in Bayern und Baden-Württemberg.

Meine Gedanken sind bei den Angehörigen der Menschen, die bei der Hochwasserkatastrophe in Süddeutschland ums Leben gekommen sind – auch ein Feuerwehrmann darunter. Meine Gedanken sind bei jenen, die ihre Häuser verlassen mussten , in den Fluten Hab und Gut verloren haben.

Und mein Dank gilt heute allen Helferinnen und Helfern, die in den Überschwemmungsgebieten seit Tagen pausenlos im Einsatz sind: Zehntausende von Rettungskräften von Feuerwehr, Polizei, Bundeswehr, Rotem Kreuz, Technischem Hilfswerk, viele, viele andere, die bis zur völligen Erschöpfung gegen die Wassermassen ankämpfen und ihr Leben riskieren, um Menschen aus überfluteten Häusern zu retten. Und mein Dank gilt auch den vielen Bürgerinnen und Bürgern aus der Region, die jetzt gerade unterwegs sind, die spontan helfen, da mit anpacken, wo die Katastrophe am größten ist, die Sandsäcke füllen, Evakuierte versorgen oder Trost spenden.

Ich finde, es ist großartig zu sehen, wie viele Menschen es gibt, die in Zeiten schwerster Not für ihre Mitmenschen da sind. Ihnen allen, und ich bin mir sicher: auch in Ihrem Namen, meinen ganz, ganz herzlichen Dank!

Liebe Gäste, die Klimakrise ist da. Sie wütet an vielen Orten unserer Erde, und die Schäden, die sie verursacht, kosten jetzt schon allein in Deutschland Milliarden. Den meisten Menschen in unserem Land ist das bewusst. Aber trotz der verbreiteten Einsicht, dass wir dringend umdenken und umsteuern müssen, ist von einer wirklich breiten demokratischen Bewegung für den Klimaschutz im Augenblick jedenfalls wenig zu spüren. Im Europa-Wahlkampf spielt das Thema kaum eine Rolle, oder eine jedenfalls deutlich geringere, als in den letzten Wahlkämpfen, die ich verfolgt habe. Und auch im Alltag – ich weiß nicht, wie Sie es beurteilen –, ist eine gewisse Veränderungsmüdigkeit erkennbar.

Viele Menschen fühlen sich angesichts der großen Krisen und Umbrüche überfordert, erschöpft und ohnmächtig. Viele schauen keine Nachrichten mehr, ziehen sich zurück. Andere reagieren mit Wut und Protest auf politische Entscheidungen zum Klimaschutz, weil sie befürchten, im Zuge des ökologischen Umbaus ihre Arbeit, ihren Wohlstand, ihren Platz in der Gesellschaft zu verlieren; manche fühlen sich übergangen oder bevormundet.

Ich bin überzeugt: Es geht jetzt darum, möglichst viele von diesen Menschen für den demokratischen Kampf gegen die Erderwärmung zu gewinnen! Oder, genauso wichtig: Manche, die wir verloren haben auf diesem Weg in den letzten Jahren, manche von denen zurückzugewinnen. Und ich bin mir völlig bewusst: Appelle reichen da nicht aus. Die Verantwortlichen in der Politik, aber auch in Wirtschaft und Wissenschaft müssen, das ist das Erste, überzeugende Wege aufzeigen, wie wir die Klimaziele in den kommenden Jahren erreichen können. Sie müssen noch besser erklären, was sie tun und warum sie es tun. Und wir brauchen, auch das gehört dazu, sichtbare Erfolge, um glaubwürdig zu bleiben und Vertrauen zurückzugewinnen!

Ob es um den Ausbau der Infrastruktur, um den Ausbau neuer Technologien oder um internationale Energiepartnerschaften geht: Überall ist jetzt Tatkraft gefragt, damit der ökologische Umbau Gestalt annimmt und möglichst viele gute Chancen und Perspektiven haben!

Unser Land hat sich auf den Weg Richtung Klimaneutralität gemacht. Aber wenn wir, die Bürgerinnen und Bürger, dieses Ziel zusammen erreichen wollen, dann müssen wir auch unterwegs im Gespräch darüber bleiben, warum wir diesen Weg gehen, ob wir nachjustieren müssen, und – ja, auch das ist eine Frage – wie wir diejenigen unterstützen, die nicht so gut Schritt halten können. Und dann müssen auch möglichst viele bereit sein, sich an dieser Debatte konstruktiv zu beteiligen, indem sie sich an Fakten orientieren, ihre Sichtweisen und Erfahrungen einbringen und Konflikte im respektvollen Streit miteinander ausfechten.

Es sind Populisten und Extremisten, die diese zivilisierte Debatte und den vernünftigen Kompromiss verweigern. Sie sind es, die Sorgen und Verlustängste ausnutzen, indem sie Fakten leugnen, den Kampf gegen den Klimawandel entweder verspotten oder gleich für überflüssig erklären. Sie sind es, die hetzen – und diejenigen zum Feind erklären, die sich für Klima- und Artenschutz einsetzen. Wer ihnen folgt, der setzt unsere Zukunft aufs Spiel! Das gilt auch gerade jetzt am kommenden Sonntag bei den Europawahlen!

Wir erleben auch, dass viele junge Menschen verzweifelt und wütend darüber sind, dass wir in der Gesellschaft nicht schneller handeln, um die Erderwärmung zu stoppen. Ich kann das verstehen. Je weniger Verantwortung wir heute für das Klima übernehmen, desto weniger Handlungsspielraum und Lebensqualität werden die jungen und zukünftigen Generationen morgen haben, das ist wahr.

Aber bei alledem, ich bleibe überzeugt: Wer unablässig Endzeitstimmung verbreitet und täglich den Weltuntergang beschwört oder gar die politische Debatte mit Blick auf Fakten für überflüssig erklärt, der löst Abwehr aus, der verschärft gesellschaftliche Konflikte – und der nützt möglicherweise der Sache des Klimaschutzes damit nicht.

Wer nur eine schwache Hoffnung hat, entscheidet sich für das Bequeme oder für die Gewalt, hat Erich Fromm geschrieben. Aber das Gute ist: Wir müssen heute keine schwache Hoffnung haben, allen berechtigten Sorgen zum Trotz. Wir haben allen Grund zur Zuversicht!

Davon können Besucherinnen und Besucher sich heute und morgen hier im Park selbst überzeugen. Die Woche der Umwelt, Sie werden es sehen, die zeigt: Es ist alles da, was wir brauchen, um unser Land zu einem klimaneutralen Industrie- und Exportland zu machen.

[Zwischenruf eines Aktivisten]

Zu einem Land, in dem wir Klimaschutz mit Wohlstand, Lebensqualität und sozialer Gerechtigkeit verbinden.

[Zwischenruf eines Aktivisten]

Zu einem Land, das zum Vorbild für andere werden kann – und so weltweit zum Klimaschutz beiträgt!

[Zwischenruf eines Aktivisten]

Wir haben das Wissen und die Technologien; wir haben weitsichtige Unternehmerinnen und mutige Investoren – liebe Frau Buch, Sie werden gleich über Green Investment sprechen; wir haben engagierte Bürgerinnen und Bürger, viele junge Menschen, denen der Klimaschutz ein Herzensanliegen ist; und wir haben, nicht zuletzt, eine lebendige Demokratie, in der wir vernünftige und gerechte Lösungen finden können.

Zur Wahrheit gehört aber auch, und das will ich nicht verschweigen hier vorne: Der ökologische Umbau verlangt uns allen etwas ab. Klimafreundliche Technologien sind kein Freibrief dafür, einfach so weiterzumachen wie bisher. Sie sind kein Freibrief dafür, zum Beispiel Energie zu verschwenden, oder rücksichtslos zu konsumieren, oder Ressourcen auf Kosten von Dritten bis zur Erschöpfung auszubeuten. Deshalb brauchen wir ökologisch aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger, die eine Politik des Umbaus aktiv unterstützen, die sich aber auch zutrauen und zumuten, ihr eigenes Verhalten nach Kräften zu ändern – weil sie es selbst wollen, aus Einsicht in die Notwendigkeit!

Und das Gute ist ja: Jede und jeder kann sofort loslegen und ökologisch verantwortungsvoll handeln – als Konsumentin oder Konsument im täglichen Leben; als engagierte Bürgerin oder engagierter Bürger in den demokratischen Institutionen oder in Vereinen und Verbänden.

Lassen Sie uns den Klima- und Artenschutz in diesem Land zu einer wirklichen gemeinsamen Sache machen. Zu einem Projekt, für das wir uns aus freien Stücken entscheiden, weil es die Vernunft gebietet. Zu einem Projekt, das uns in einer vielfältigen Gesellschaft verbindet, weil es jede und jeden angeht. Zu einem Projekt, das uns fordert, das wissen wir alle, das uns aber auch begeistert, weil wir zusammen an einer Zukunft arbeiten, in der Menschen ein selbstbestimmtes Leben in Wohlstand, Freiheit und Würde führen können. Ein Leben in Respekt vor der Natur!

Es sind Klima- und Artenschützer, viele von Ihnen hier im Park von Bellevue, die andere mit ihrer Leidenschaft anstecken können. Das gilt ganz besonders für Marina Silva, die brasilianische Umweltministerin, die wir jetzt gleich im Video sehen werden. Sie berichtet vom Regenwald am Amazonas, der Schatzkammer der Artenvielfalt und grünen Lunge der Welt. Vor einem Jahr hatte ich selbst das Glück, den Regenwald bei Manaus sehen, riechen und hören zu dürfen – ein überwältigend schönes, äußerst verwundbares, aber vor allem für uns alle überlebenswichtiges Ökosystem.

Ich freue mich auf Marina Silva, ich freue mich auf Claudia Buch. Ich freue mich auf Sie alle, liebe Gäste. Ich danke Ihnen herzlich fürs Zuhören, fürs Zuschauen und Mitdiskutieren. Viel Freude, viele Informationen bei dieser Woche der Umwelt hier im Park Bellevue. Herzlich willkommen!