"Ich möchte mich vor Hage Geingob verneigen"

Schwerpunktthema: Rede

Windhuk/Namibia, , 24. Februar 2024

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Trauerfeier für den verstorbenen Präsidenten der Republik Namibia, Hage Gottfried Geingob, am 24. Februar in Windhuk in Namibia

Wir sind heute zusammengekommen, um Abschied zu nehmen. Abschied von einem großen Staatsmann, der die Republik Namibia wie kein anderer geprägt hat. Dass so viele von uns heute hier sind, zeigt, wie groß der Respekt vor seinen beispiellosen Errungenschaften und seinem fortdauernden Vermächtnis ist.

In ganz Afrika und überall auf der Welt wird Hage Gottfried Geingob für seinen Kampf um die Befreiung dieses Landes aus dem Joch der Apartheid in Erinnerung bleiben. Hier in Namibia wird er wegen der entscheidenden Rolle in Erinnerung bleiben, die er bei der Ausarbeitung der namibischen Verfassung gespielt hat und dabei, dieses Land in Richtung Demokratie, Stabilität und Wohlstand zu führen.

In Deutschland und in den Herzen und Gedanken meiner Landsleute jedoch wird Präsident Geingob für immer in Erinnerung bleiben, weil er den Mut hatte, dem deutschen Volk über den dunklen Abgrund unserer Geschichte hinweg die Hand zu reichen – den Abgrund aus Gräueltaten, die von deutschen Truppen während der Kolonialherrschaft verübt wurden und die in dem Völkermord an den Gemeinschaften der Ovaherero und Nama vor 120 Jahren mündeten.

Der Weg der Versöhnung, den wir vor beinahe zehn Jahren eingeschlagen haben, ist nicht einfach gewesen. Zusammen sind wir jedoch sehr weit gekommen – und wir wollen noch weiter gehen.

Als ich Ende vergangenen Jahres zum letzten Mal mit Präsident Geingob sprach, erzählte er mir von seinem Wunsch, unsere Gemeinsame Erklärung zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, um die besondere Beziehung zwischen unseren beiden Ländern auf eine neue Ebene zu heben. Ich möchte Ihnen hier und heute sagen, dass mein Land diesem Vermächtnis verpflichtet bleibt. Wir sind dem Weg der Versöhnung verpflichtet.

Versöhnung bedeutet nicht, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, sondern Verantwortung für die eigene Vergangenheit zu übernehmen – und Versöhnung bedeutet auch, gemeinsam für eine bessere Zukunft einzutreten. Hoffentlich kann ich sehr bald und unter anderen Umständen nach Namibia zurückkehren, denn ich bin davon überzeugt, dass es an der Zeit ist, das namibische Volk um Entschuldigung zu bitten. Ich bedauere nur, dass unser Freund, der große Präsident Geingob, nicht mehr hier sein wird, um den Prozess zu vollenden, den er angestoßen hat.

Ich möchte mich noch einmal vor Hage Geingob verneigen – vor einem brillanten Anführer des "Landes der Tapferen". Wir sind mit seiner Familie und mit dem namibischen Volk in Trauer vereint. Mein verehrter Amtskollege, Partner und Freund: Ruhe in Frieden!