Statement des Bundespräsidenten
Die Corona-Pandemie hat unser Leben verändert. Je erfolgreicher wir sie akut bekämpfen, umso deutlicher werden auch die Auswirkungen: Die Weltwirtschaft taumelt, ein heftiger Rückschlag auch für die deutsche Wirtschaft insgesamt. Aber Unternehmen, Staat und Politik tun viel, um Arbeitsplätze zu sichern. Dennoch: Viele Menschen schauen auch mit Sorge auf die Zukunft.
Wie sieht die Zukunft unserer Gesellschaft aus? Das ist eine der zentralen Fragen in dieser Pandemie. Und diese Frage verunsichert ganz besonders die, die diese Zukunft erleben und gestalten werden: Schulabgänger, Auszubildende, Studierende. Es ist ihre Zukunft, um die es geht.
Klappt der Start ins Berufsleben? Wie wird mein Leben überhaupt aussehen? Die Antworten darauf sind für junge Menschen schwerer zu finden als in den Jahren zuvor. Und das lastet vielen auf der Seele – das höre ich oft in den Gesprächen, die ich in diesen Tagen mit Jugendlichen führe. Wir werden auch morgen hier im Schloss eine Gruppe von Schülerinnen und Auszubildenden zu Gast haben. Ich habe sie eingeladen, um von ihnen zu hören, was ihre Sorgen sind, wie sie sich ihre Zukunft vorstellen und was sie von uns Älteren erwarten.
In Gesprächen wie diesen stelle ich aber noch etwas fest: Die junge Generation trägt die tiefen Einschnitte mit Disziplin, mit viel Engagement und Kreativität mit. Die große Mehrheit der jungen Menschen zeigt in der Pandemie Solidarität, um die Älteren und die besonders Verwundbaren in der Gesellschaft zu schützen. Ich finde: Es ist an uns, den Älteren, Solidarität mit den Jüngeren zu zeigen, indem wir ihre Zukunft offenhalten! Indem wir bleibende Bildungsnachteile verhindern, indem wir Ausbildung sichern!
Deshalb freue ich mich sehr, dass Sie alle, die Spitzen der Sozialpartner aus Wirtschaft und Gewerkschaften, heute hierhergekommen sind, um einen Gemeinsamen Appell zu verabschieden.
Gemeinsam rufen wir die Unternehmen in Deutschland auf: Engagieren Sie sich auch jetzt für Ihre Auszubildenden! Erhalten und schaffen Sie Ausbildungsplätze!
Und die jungen Menschen möchten wir ermutigen: Bewerben Sie sich auch jetzt, trotz aller Widrigkeiten, um Lehrstellen! Unsere Wirtschaft braucht Sie, aber nicht nur die: Unser Land braucht Sie!
Gerade berufliche Bildung muss uns ganz besonders am Herzen liegen, erst recht, wenn die Pandemie ihre Spuren auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt zeigt. Viele Unternehmer stehen vor der schweren Entscheidung, ob sie überhaupt noch ausbilden können. Und viele junge Leute fürchten, dass sie ihre Ausbildung nicht zu Ende bringen können, oder zweifeln, dass es überhaupt Sinn hat, sich zu bewerben.
Ich weiß aber aus vielen Gesprächen, die ich in den letzten Wochen geführt habe mit Unternehmern und mit jungen Leuten, wie groß das Engagement gerade jetzt, in dieser Krise ist. Auch die Bundesregierung hat das Thema aufgegriffen und wird morgen über ein Maßnahmenpaket zur Ausbildungssicherung entscheiden, mit dem Anstrengungen für Ausbildung zusätzlich unterstützt werden.
Gemeinsam sind wir überzeugt: Unser deutsches Modell der Dualen Ausbildung ist eine große Stärke. Es ist ein großer Schatz. Besinnen wir uns gerade jetzt, in der Krise, auf diesen Schatz! Beweisen wir jetzt, was Sozialpartnerschaft wert ist, und sorgen wir dafür, dass junge Menschen alle Chancen haben – auch nach der Corona-Pandemie. Und ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingt.
Gemeinsamer Appell
von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Reiner Hoffmann, und den Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Ingo Kramer, des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Dieter Kempf, des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, und des Zentralverbands des Deutschen Handwerks, Hans Peter Wollseifer, zur Zukunft der jungen Generation in Zeiten der Corona-Pandemie
Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen haben Auswirkungen auf alle Bereiche des gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland und weltweit. Die deutsche Wirtschaft sieht sich nach Jahren des Aufschwungs und wachsender Beschäftigung mit einer schweren Rezession konfrontiert. Viele Unternehmen in Handwerk, Handel und Industrie, im Gastgewerbe und in vielen anderen Branchen verzeichnen Umsatzrückgänge und blicken mit großer Sorge in ihre Zukunft. Viele Beschäftigte bangen um ihren Arbeitsplatz, und viele Jugendliche fragen sich, ob sie mit ihrem Schulabschluss einen Ausbildungsplatz finden werden oder ob sie ihre bereits begonnene Ausbildung zum Abschluss bringen können.
In dieser kritischen Phase der Bewältigung der Corona-Pandemie ist es von besonderer Bedeutung, die Belange junger Menschen am Übergang von der Schul- in die Arbeitswelt im Blick zu behalten. Es geht um die Zukunft junger Menschen, die an der Schwelle zum Aufbau eines eigenen, selbstbestimmten Lebens stehen. Es geht um die Sicherung des Fachkräftebedarfs der Unternehmen in unserem Land. Es geht ebenso um die Sicherung der wirtschaftlichen Dynamik und der Innovationskraft der Wirtschaft zur Bewältigung anstehender globaler Herausforderungen wie etwa dem Klimaschutz und damit um zukunftssichere und gut bezahlte Arbeitsplätze in Deutschland.
Wir beobachten mit Respekt und Anerkennung, dass viele Unternehmen ungeachtet der schwierigen Situation, in der sie sich befinden, alles tun, um ihre Auszubildenden zu halten und auch neue Ausbildungsplätze anzubieten. Ebenso registrieren wir, dass viele Jugendliche sich durch die Krise nicht beirren lassen und alle Hebel in Bewegung setzen, um einen Ausbildungsplatz für sich zu finden. Wir nehmen aber auch mit Sorge zur Kenntnis, dass viele Unternehmen mit Blick auf die Ungewissheit der weiteren Entwicklung noch zweifeln, ein Ausbildungsverhältnis fortzusetzen oder neu zu beginnen, und dass viele Jugendliche zögern, sich auf angebotene Ausbildungsplätze zu bewerben.
In der gemeinsam von uns angestoßenen Woche der beruflichen Bildung im April 2018 haben wir die Stärken unseres Systems der Dualen Berufsausbildung, um das uns viele Länder beneiden, in den Mittelpunkt gestellt. Jetzt – inmitten der Krise – gilt es, sich auf diese Stärken zu besinnen.
Wir rufen die Unternehmen in Deutschland auf: Setzen Sie wo immer möglich und trotz schwieriger Rahmenbedingungen Ihr Engagement für die Ausbildung fort, schaffen Sie Ausbildungsplätze, und nutzen Sie dafür auch die von Bund und Ländern in historischen Dimensionen bereitgestellten Hilfsprogramme für Unternehmen, Beschäftigte und Auszubildende. Es geht um die Zukunftschancen der jungen Generation und Ihre Fachkräfte von morgen.
Zugleich appellieren wir mit Nachdruck an junge Menschen, sich um einen Ausbildungsplatz zu bewerben, um erfolgreich in das neue Ausbildungsjahr zu starten. Der Beginn einer Ausbildung ist auch nach dem 1. September noch möglich. Nutzen Sie alle Angebote der Information und Vermittlung, digital und analog. Alle Partner dieses Appells stehen Ihnen dafür zur Verfügung. Wir appellieren zugleich an die Lehrerinnen und Lehrer und die Eltern, die jungen Menschen bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz zu unterstützen.
Wir setzen auf die Unterstützung und das Engagement der verantwortlichen Akteure in der Politik sowie in den Unternehmen, bei Betriebs- und Personalräten sowie Jugend- und Auszubildendenvertretungen, und wir setzen auf die jungen Menschen in unserem Land, um die Stärke der Sozialen Marktwirtschaft voll zur Geltung zu bringen und Deutschland einen kraftvollen Neustart nach der Krise zu ermöglichen. Dies ist nur möglich, wenn eine junge, gut ausgebildete Generation in allen Bereichen unseres wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens Verantwortung übernehmen kann.