Herzlichen Dank für Ihren warmherzigen Empfang – meine Frau und ich freuen uns sehr, heute bei Ihnen zu Gast zu sein. Und auch im Namen der gesamten deutschen Delegation möchte ich unsere tiefe Dankbarkeit aussprechen.
Erlauben Sie mir, Majestät, zu Beginn eine linguistische Beobachtung. Wenn wir Deutsche etwas hören, was wir nicht verstehen und das uns etwas seltsam scheint, dann nutzen wir eine Redewendung, die hoffentlich nicht zu diplomatischen Verwicklungen führt. Wir sagen nämlich: Das kommt mir spanisch vor.
Bei Ihnen heißt das: esto me suena a chino.
Das deutsche Idiom geht wohl auf Karl V. zurück – jenen König von Kastilien, León und Aragón, 1520 gekrönt zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Mehrsprachigkeit war ihm in die Wiege gelegt. So soll er einmal über sich gesagt haben: Ich spreche Spanisch zu Gott, Italienisch zu den Frauen, Französisch zu den Männern und Deutsch zu meinem Pferd.
Karls Deutschkenntnisse waren offenbar recht holprig, und das Sprachwirrwarr führt, so ist überliefert – nicht nur bei seinem Pferd –, zu reichlich Verwirrung.
Majestät, heute aber sind unsere Beziehungen zum Glück so eng und vertrauensvoll geworden, dass uns zwischen Deutschen und Spaniern so leicht nichts mehr spanisch vorkommt.
Diese exzellenten Beziehungen sind kein Zufall. Spanien hat die Deutschen über Jahrhunderte fasziniert. Aber Ihr Land ist uns Deutschen seit der Wendung zur Demokratie und der gemeinsamen Mitgliedschaft in der Europäischen Union noch einmal näher gerückt. Wir sind in vielem gleichgesinnt, gerade wenn es um die Zukunft Europas geht. Und wir sind dankbar, Spanien an unserer Seite zu wissen, wenn es darum geht, in den Stürmen unserer Zeit den richtigen Kurs zu bestimmen. Ich freue mich, dass wir dieser jüngeren Geschichte der deutsch-spanischen Zusammenarbeit heute ein weiteres Kapitel hinzufügen.
Sie, Majestät, haben Ihre Regentschaft in keiner einfachen Zeit angetreten. Eine neue Faszination des Autoritären greift um sich. Die multilaterale, regelbasierte Friedensordnung wird selbst von denen angefochten, die für ihren Erhalt bislang entscheidend waren. Liberale und rechtsstaatliche Grundprinzipien, der Kern unserer gesellschaftlichen Ordnung, werden auch mitten unter uns, hier im vereinten Europa, in Frage gestellt. Nationalisten instrumentalisieren die Sehnsucht vieler Menschen nach Halt und Orientierung, um aus dem Wir
der Nation ein Wir gegen Die
zu konstruieren!
Ich habe großen Respekt vor der Ruhe, Klugheit und klaren Werteorientierung, mit der Sie, Majestät, Ihre Verantwortung wahrnehmen. Damit schaffen Sie die nötige Rückversicherung für die politisch Handelnden in Ihrem Land – und garantieren Stabilität in unruhigen Zeiten.
Und ich freue mich für mein Land, mit Ihnen einen aufrichtigen Verfechter der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit, der offenen Gesellschaft und der europäischen Einigung an unserer Seite zu haben. Dafür gilt Ihnen auch in Deutschland allergrößter Respekt!
Ich möchte heute Ausfuhr- und Einfuhrzahlen, Leistungsbilanzsalden und Wertschöpfungsketten einmal außen vor lassen, um hervorzuheben, was uns als Deutsche und Spanier, jenseits aller wachsenden wirtschaftlichen Verflechtungen, als Europäer verbindet und zusammenhält: Einheit – nicht Uniformität.
So haben Sie es, Majestät, in Ihrer Antrittsrede auf Spanien bezogen formuliert, und Sie sollen wissen: Uns Deutschen ist an einem starken, einigen und stabilen Spanien gelegen.
Aber auch, wenn wir morgen in die Extremadura fahren, spüren wir Ihrem Leitgedanken nach, verehrte Majestät, und zwar bezogen auf eine Frage, die mich auch zu Hause in Deutschland besonders umtreibt: Wie sichern wir die Zukunft der ländlichen Räume? Wie können wir bei aller Verschiedenheit der wirtschaftlichen Voraussetzungen das Gemeinsame und das Verbindende, die Einheit und den Zusammenhalt des Landes stärken? Wie bleiben die kleinen Ortschaften lebendig und lebenswert, nachdem der Dorfladen oder die Bankfiliale geschlossen hat, und der nächste Facharzt weit entfernt ist?
Ich glaube, wir stehen hier in manchen Gegenden Spaniens und Deutschlands vor ganz ähnlichen Herausforderungen, und ich würde mir wünschen, dass wir darüber ins Gespräch kommen und voneinander lernen.
Einheit – nicht Uniformität
– dieser Gedanke passt auch zu Europa. Ich bin überzeugt: Wir können Spanier und Europäer, Deutsche und Europäer, ja Deutsch-Spanier und Europäer sein, ohne etwas von unseren nationalen Identitäten preiszugeben – Einheit in Vielfalt, in Vielfalt geeint.
Der Physikstudent aus München, der ein Auslandssemester in Madrid macht oder die Pflegerin aus Mérida, die in einem Krankenhaus in Rostock arbeitet – sie leben das Europa, das wir Deutsche und Spanier wollen. Ein offenes, ein vielfältiges Europa, ein vereintes Europa, das zugleich seine nationalen, regionalen und kulturellen Eigenheiten und Unterschiede schätzt und pflegt – ein Europa, das von einem großartigen Gedanken zu einer erfahrbaren, erlebbaren Wirklichkeit geworden ist. Diese Realität wollen, diese Realität müssen wir verteidigen!
In diesem Sinne erhebe ich nun mein Glas auf das Wohl Seiner Majestät König Felipe und Ihrer Majestät Königin Letitia, auf die spanisch-deutschen Beziehungen und auf unsere gemeinsame Zukunft in einem geeinten Europa.
Salud!