"Lassen Sie uns Zukunft wieder gemeinsam gestalten!"

Schwerpunktthema: Interview

18. Januar 2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat dem Fernsehsender 3sat am Rande des Festaktes zur Eröffnung von „Chemnitz Kulturhauptstadt Europas 2025“ ein Interview für die Sendung "Kulturzeit" gegeben.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Interview mit Cécile Schortmann für die Sendung "Kulturzeit" auf 3sat

Bei mir ist jetzt der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Guten Abend, Herr Steinmeier.

Guten Abend, ich grüße Sie.

Sie haben gerade auf dieser Bühne in Ihrer Rede betont, wie wichtig gerade jetzt der Zusammenhalt ist. Was kann Chemnitz als europäische Kulturhauptstadt dazu jetzt beitragen?

Ganz viel, weil ich glaube, das Gute an diesem Konzept ist in der Tat: Man will nicht nur zeigen, was man an Kulturschätzen in der Stadt hat, sondern man lädt alle Bürgerinnen und Bürger ein – nicht nur als Zuschauer, sondern zum Mitmachen. Und ich glaube, das ist etwas, was die Stadt, die ja auch schwierige Tage durchlebt hat, hier gut gebrauchen kann – wieder zusammenzuwachsen, das gemeinsame Gespräch zu finden. Und das geht gut über Kultur. Kultur verbindet, ob das Musik ist, Tanz, Theater, Gespräche, Literatur. Das Programm ist in Hunderten von Veranstaltungen erfüllt davon. Und deshalb bin ich ganz zuversichtlich, dass das Zuschauerinteresse nicht nur heute Abend, sondern erhalten bleibt über das Jahr.

Wir sehen überall in der Stadt Begriffe wie Demokratie, Offenheit, Vielfalt. Bekanntlich hat Chemnitz aber eben auch eine andere Seite, Stichwort Rechtsextremismus, auch heute zu spüren. Wie passt das zusammen?

Das passt nicht im leichten Sinne zusammen, sondern wir müssen unsere Lehren daraus ziehen. Ich erinnere mich gut an den August 2018. Ich war kurz danach hier in Chemnitz. Ich weiß, wie die Stimmung in der Stadt war. Deshalb sage ich auch, wir müssen wieder Wege zueinander finden. Und zwar nicht naiv. Wir werden nicht alle gleich sein. Wir werden Unterschiede behalten, wir werden unsere Konflikte behalten. Aber wir müssen erwachsen damit umgehen hier in Deutschland. Und deshalb mein Aufruf eben in der Eröffnungsrede: Lassen Sie uns Zukunft wieder gemeinsam gestalten!

Sie waren in den vergangenen Jahren in abgelegeneren deutschen Orten unterwegs, um mitzubekommen, was die Menschen bewegt, woher auch eine gewisse Demokratieskepsis kommt. Sie waren auch in ostdeutschen Bundesländern. Was haben Sie da mitgenommen?

Ich war ganz viel – nicht nur, aber ganz viel in ostdeutschen Bundesländern. Auch nicht nur, um eine Rede zu halten und wieder wegzufahren, sondern ich habe ein Format entwickelt, das heißt "Ortszeit", wo ich dann für drei Tage meinen Amtssitz aus Berlin in einen kleineren Ort, gerade auch nach Sachsen verlege – Freiberg war einer der ersten Orte, in denen ich war. Wie wir wissen, einen hohen Anteil von Wählerstimmen, die ihre Skepsis gegenüber der Demokratie zum Ausdruck bringen. Dort hinzugehen, das ist meine volle Absicht, zu überzeugen, dass es zur Demokratie keine Alternative gibt, wenn wir denn selbst mitbestimmen wollen, wie der Weg in unserer Zukunft aussieht. Und ich habe den Eindruck, das hilft, wenngleich man sich nicht schnelle Lösungen davon versprechen kann. Deshalb sage ich immer, das dürfen keine Eintagsfliegen bleiben, sondern Politik muss sich wieder bemühen, Präsenz auch in der Region, in der sogenannten Provinz zu zeigen. Auch dort wird über Politik nachgedacht – und nicht nur geschimpft, sondern manche wollen dieses Land wirklich zu einem besseren machen, und mit denen wollen wir arbeiten.

Herr Steinmeier, ich danke Ihnen sehr und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend hier bei der Eröffnung.

Werden wir haben, vielen Dank.

Die Fragen stellte: Cécile Schortmann