Willkommen aus dem Schloss Bellevue in Berlin. Ein besonderer Ort mit einer besonderen Sendung und einem besonderen Gast. Guten Abend, Herr Bundespräsident.
Guten Abend, Frau Atalay, guten Abend, Herr Blome.
Schön, dass es klappt, Herr Bundespräsident.
Gern.
Ja, es sind wirklich besonders heftige Zeiten. Der Krieg in der Ukraine, Nahostkrieg, auch eine gewisse Kriegsangst hier bei uns, Hass, Hetze, wirtschaftliche Probleme, Rechtsextremismus, Antisemitismus – puh, es ist eine lange Liste. Ab wann wird es auch Ihnen – Sie wirken ja immer sehr ruhig und bedacht – so richtig mulmig?
Ich mache mir Sorgen, wie viele, und die Lage ist verdammt nicht einfach. Ein paar der Gründe dafür haben Sie genannt: aufeinanderfolgende Krisen, Krieg in unserer Nachbarschaft, damit auch schwindende Gewissheiten, an die wir uns gewöhnt hatten, Uneinigkeiten in der Politik. Alles das beeinflusst uns. Aber trotzdem, Frau Atalay, werde ich nicht einstimmen in den vielstimmigen Chor derjenigen, die unser Land dem Abgrund entgegenreden. Ich sage, und aus Erfahrung: Krise ist kein Schicksal. Wir sollten nicht so tun, als könnten wir dem nicht entrinnen. Und deshalb sage ich: Pessimismus ist lähmend – was wir brauchen, ist Haltung und die Besinnung auf unsere eigenen Stärken, die wir ganz ohne Zweifel haben. Deshalb bleibe ich zuversichtlich trotz einer Lage, die Sorgen macht.
Krise ist kein Schicksal, haben Sie gesagt – das ist ein starker Satz. Also, den Leuten, glaube ich, fehlt es im Moment, wenn man die Umfragen anschaut, bis zu 80 Prozent an Vertrauen in diese Bundesregierung, in diesen Bundeskanzler. Sie haben kein Vertrauen mehr, weder in die Regierung, noch in den Kanzler. Wie geht es Ihnen? Wann verlieren Sie das Vertrauen in die Bundesregierung?
Der Bundespräsident ist ja kein Notengeber der Bundesregierung oder des Bundeskanzlers – das ist eher Ihr Geschäft. Aber ich finde ja spannend, was sich tut – in der Politik, aber vor allen Dingen innerhalb der Gesellschaft. Wenn wir zurückdenken alle drei miteinander, dann haben wir zwei Jahre hinter uns, in denen wir wie das Kaninchen auf die Schlange geschaut haben und beobachtet haben, dass radikale Stimmen, extremistische Stimmen immer lauter wurden, der Ruf nach der starken Hand lauter wurde. Und wir haben eine deutsche Öffentlichkeit erlebt, die das hingenommen hat, die sich, jedenfalls was die Demokraten in dieser Öffentlichkeit angeht, wenig gezeigt haben. Nach meinem Eindruck, und das ist einer der Schlüssel für die Antwort auf Ihre Frage, bewegt sich da etwas. Wenn Zehntausende, Alte und Junge auf den Straßen sind, sich nicht gegen irgendetwas positionieren, sondern für die Demokratie, dann ist das etwas, was ich beobachte und gleichzeitig sage: Das könnte auch eine Trendwende sein, die am Ende auch auf die Politik ausstrahlt. Und ich bin mir sicher, es sind Menschen mit ganz unterschiedlichen Heimaten, die da unterwegs sind, von links bis rechts, ein breites Spektrum, die sagen: Wir lassen uns dieses Land nicht nehmen von Radikalen und Extremisten, wir wollen eine scharfe Grenzlinie ziehen zwischen den Demokraten und denen, die Demokratie verachten oder gar angreifen. Das ist ganz wichtig. Das ist eine Veränderung in der politischen Landschaft, die wir nicht einfach übersehen dürfen.
Ja, Demokraten sollen zusammenstehen, das stimmt schon. Aber wenn wir, wenn Sie wahrscheinlich auch privat umgehen, ist die erste Frage immer in diesen Tagen, in diesen Wochen: Wann fällt eigentlich die Regierung auseinander? Haben Sie das schon mal durchgespielt für sich, was dann passieren würde? Hand aufs Herz.
Ich beschäftige mich natürlich mit der politischen Debatte. Ich lese das, was Sie beide miteinander schreiben oder worüber Sie nachdenken. Das alles interessiert mich. Die Verfassung enthält alles, was für den Fall der Fälle notwendig ist. Aber ehrlich gesagt, es bewegt mich nicht jeden Tag. Sondern worum es doch jetzt geht, ist das, was wir auf den Straßen erleben. Die Erinnerung daran, dass Demokratie nur funktionieren kann, wenn die Spielregeln gelten; dass Hass und Gewalt auf der Straße keine Rolle spielt; dass Bereitschaft zum Kompromiss gegeben sein muss – das ist die Erwartung der Menschen, die auf den Straßen sind, das ist die Erwartung an die Politik. Ehrlich gesagt, es ist auch Verantwortung der Wähler, wenn sie in die Wahlkabine gehen. Und jetzt kommt es darauf an, dass das, was da stattfindet, dass wir das verbreitern. Ich gehe nicht davon aus, dass ein Jahr lang die Menschen zu Zehntausenden an jedem Wochenende auf der Straße sind, sondern diese Debatte muss jetzt im Alltag der Menschen ankommen, und deshalb brauchen wir Wirtschaft und Arbeit. Dort weiß man sehr genau, was das bedeutet, wenn dem Austritt aus der Europäischen Union das Wort geredet wird; dort weiß man sehr genau, was es bedeutet, wenn Pflegekräfte aus Vietnam oder Ingenieure aus Indien sich nicht mehr trauen, nach Deutschland zu kommen. Und deshalb: Eine ganz scharfe Grenzlinie brauchen wir auch von denen, die in Arbeit und Wirtschaft Verantwortung tragen. Und ich sehe, dass das im Augenblick stattfindet.
Ja, darüber wollen wir auch gleich nochmal kurz sprechen, weil tatsächlich das sehr viele bewegt. Wir wollen aber einmal kurz zeigen, was die Menschen denken. Sie haben besprochen, dass natürlich – und das ist auch richtig – die Gesellschaft gefragt ist, aber die Leute sehen es ein bisschen andersrum. Wir gucken einmal.
[Einspieler Umfrage]
Ja, also wir haben das Wort Zuversicht genannt. Die Menschen wollen Zuversicht, sagen aber gleichzeitig eben auch: Na, die Politik muss es ändern. Und natürlich ist bei vielen durch eine Verunsicherung entstanden: "Die da oben". Und ich denke, dass manche, dass viele Sie auch dazuzählen. Das ist für jemanden wie Sie vielleicht, der …
Sie auch, im Übrigen.
Das stimmt … der aus einfachsten Verhältnissen ja nun kommt, aus dem Kreis Lippe, da wirklich auch hart gearbeitet hat, um diesen Karriereweg einzuschlagen. Trotzdem ist da ein Gefühl von "der da oben in dem Schloss Bellevue".
Sehen Sie, und deshalb habe ich vor zwei Jahren eine Entscheidung getroffen, mit der ich nach wie vor ganz zufrieden bin. Ich habe nämlich die Entscheidung getroffen, dass dieses Schloss Bellevue ein wunderbares Haus ist, ein würdiger Rahmen für den Empfang von Staatsgästen. Ein tolles Haus der Demokratie, in dem wir Ehrenamtliche empfangen, die was tun für ihr Dorf, für ihre Gemeinde, für die Demokratie. Aber auch eben ein Ort, den ich immer wieder verlasse zu großen und kleinen Veranstaltungen und meinen Amtssitz sehr, sehr bewusst in die Regionen verlege, auf die das Scheinwerferlicht in aller Regel nicht fällt. Das ist ganz wichtig, weil das, was eben zum Ausdruck kam, ist ja, dass es Menschen gibt, die wirklich den Eindruck haben: Wir werden nicht gehört, unsere Stimme interessiert nicht. Deshalb gehe ich da hin und sage: Das ist ein falscher Eindruck, mich interessiert Eure Meinung. Und ich habe wirklich hochspannende Debatten über Krieg und Frieden, über Wirtschaft und Wachstum, über Arbeitsplätze, über das, was Zukunft ausmacht – das kriegt man mit, wenn man da hingeht. Und man sieht auf einmal, gerade auch was den Osten angeht: Da sind Städte wie Altenburg oder Meiningen oder Neustrelitz oder Quedlinburg oder Freiberg – das sind Städte, die haben viel mehr zu bieten als nur Umfragen, die uns erschrecken. Da findet ganz viel Zukunft statt, und ich treffe Menschen, die sich für die Zukunft ihrer Gemeinde einsetzen. Das ist spannend für mich zu erleben, aber es ist gleichzeitig auch ein Mittel, um ein bisschen Zuversicht und Selbstbewusstsein in die Regionen zu tragen.
Die Frage ist nur, ob das reicht, Herr Bundespräsident. Das machen Sie ja eben schon seit einiger Zeit, und man versucht ja auch, mit Videobotschaften Menschen zu erreichen oder auch jetzt mit diesem Interview – dass man sagt, man erklärt auch einmal die Sicht der Dinge. Und trotzdem: Muss man nicht auf irgendwas fokussieren? Ist Ihrer Meinung nach vielleicht zum Beispiel, Sie haben es vorhin angesprochen, die Wirtschaft ein Punkt; dass man sagt, also, ohne Wirtschaft ist alles nichts – müssen wir da erstmal ran, um überhaupt eine Lage ändern zu können?
Ehrlich gesagt, wir sind, glaube ich, schon einen Punkt weiter. Ich hatte vorige Woche die Unternehmensverbände, Arbeitgeberverbände hier, gemeinsam mit den Gewerkschaften; ich weiß nicht, ob Sie gesehen haben, dass Volkswagen eine große Kundgebung gemacht hat – Unternehmensleitung und Betriebsrat; ich werde am kommenden Montag in Stuttgart sein, wo sich Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften, die Sozialpartner treffen und sagen: Wir müssen gemeinsam etwas bewegen, aber wir wollen das bewegen mit einer scharfen Grenze gegen diejenigen, die Demokratie und unsere Zugehörigkeit zur Europäischen Union in Zweifel ziehen. Natürlich…
Das ist der eine Punkt, aber es geht auch um Arbeit – es geht um Menschen, die sagen: Ich habe kein Geld, es reicht nicht …
Deshalb machen die das! Nicht, weil sie die Liebe zum öffentlichen Auftritt haben, sondern weil sie Sorge davor haben, dass mit einer weiteren Radikalisierung der Gesellschaft Gruppen in Vorhand kommen, die uns sozusagen die wirtschaftliche Grundlage entziehen. Das reicht natürlich nicht – das reicht nicht, natürlich ist Politik gefordert. Wir hatten heute gerade den Jahreswirtschaftsbericht im Kabinett. Es ist keine Frage: Wenn wir 0,2 Prozent Wachstum ausweisen für das laufende Jahr, dann ist das zu wenig. Ich glaube, das sieht die Bundesregierung ganz genauso. Deshalb muss das ein Kernthema sein, ist doch völlig klar.
Ist das eigentlich so eine Art Zeitschleife? Also wenn man sich jetzt zurückerinnert: Deutschland rote Laterne in Europa, Wachstumsschwäche, Arbeitslosigkeit, Reformstau – klingt ehrlich gesagt wie die Jahre mit Gerhard Schröder. Und dann kam halt die Agenda 2010 von Gerhard Schröder, und Sie waren seine rechte Hand. Also was wäre, wenn Sie sich erinnern und es rüberholen in die Gegenwart, was wäre die Agenda 2010, das Ding, was den Ruck in Deutschland auslöst?
Also, es gibt viele Ähnlichkeiten, und es gibt gravierende Unterschiede, das muss ich voranstellen. Ähnlich ist, dass wir uns auch damals in einer tiefen Krise befanden, deren Kern eigentlich die Situation auf dem Arbeitsmarkt war – zwischen 5 und 6 Millionen Arbeitslosen, das ist Schicksal genug, aber vor allen Dingen die Erosion, langfristige Zerstörung der sozialen Sicherungssysteme war das Problem in der damaligen Zeit. Auch damals übrigens eine düstere Stimmung in Deutschland, in die wir uns hineingeredet haben, so als gäbe es keinen Ausweg mehr. Das ist mit einer Kraftanstrengung gelungen, die wir alle und ich am besten in Erinnerung habe. Sie konnte gelingen, weil wir hier damals zu reagieren hatten auf nationale Versäumnisse, auf eine Modernisierung und Reformbedürftigkeit des Arbeitsmarkt- und Sozialsystems, die dringend notwendig war. Heute ist der Arbeitsmarkt wieder ein Problem – aus ganz anderen Gründen: Weil wir zu wenig Arbeitskräfte haben, ist das ein begrenzender Faktor für das Wachstum. Deshalb, glaube ich, ist es auch richtig, wenn wir uns weltweit weiterhin um Facharbeitskräfte bemühen, die sich in der Lage sehen, uns zu helfen, auch Wirtschaftswachstum wieder in Gang zu bringen. Aber die Lage ist sehr unterschiedlich in einem entscheidenden Punkt: Vor zwanzig Jahren haben die Reformen stattgefunden in einem Umfeld mit globalem Wachstum. Wir selbst hingen zurück, aber Europa und die Welt, insbesondere Länder wie China, wuchsen rasant. Heute findet Wirtschaftspolitik in einem Umfeld statt, in dem weltweite Lieferkettenprobleme bestehen, China schwächelt, die sich öffnenden Märkte sich mancherorts wieder schließen, Skepsis gegen Freihandel besteht – das ist nicht gut für eine exportorientierte Wirtschaft!
Ein Blick ganz kurz nach Osten, nach Ostdeutschland: Glauben Sie, wenn es Wachstum gäbe, mehr Wachstum, mehr Jobs, mehr Gehalt, bessere Löhne – würde das Ostdeutschland, die Kluft in Ostdeutschland befrieden?
Es gibt, glaube ich, ganz unterschiedliche Gründe für die Stimmung im Osten. Ich will jetzt gar nicht den Gründen nachgehen, die in der Vergangenheit immer genannt worden sind, ob es Prägungen gibt aus der DDR Vergangenheit. Wir müssen einfach sehen: Inzwischen sind Kinder und Enkel derjenigen geboren und tätig, die die Wende aktiv miterlebt haben, deshalb, glaube ich, ist das nicht mehr so entscheidend. Aber es gibt eine Nachwirkung der Nachwendezeit, den Verlust von Arbeitsplätzen und Entwertung von Qualifikationen, das hängt noch nach. Und da, glaube ich, muss neues Selbstbewusstsein entstehen; das, glaube ich, können wir tun. Morgen bin ich in Jena bei Carl Zeiss, ein Patentproduzent in Deutschland, mehrfach Gewinner des Deutschen Zukunftspreises, werde mich dort treffen auch mit anderen Unternehmen aus der Region – einige, die entstanden sind aus alten Volkseigenen Betrieben, die heute wunderbar am Markt verankert sind. Hier neues Selbstbewusstsein zu schaffen, ist wichtig; aber auch, verlässlich zu sein. Wenn ich an Besuche in der Lausitz denke, zum Beispiel, die erwarten eine verlässliche Garantie ihrer Arbeitsplätze bis zu dem geplanten Auslaufdatum der Kohleverstromung 2038 und sind irritiert oder enttäuscht, wenn solche Daten immer wieder in Frage gestellt werden…
Das hat dann der Wirtschaftsminister irgendwie auf jeden Fall als Aufgabe zu lösen…
… und sie erwarten, dass wir sie ernst nehmen, dass wir Debatten mit ihnen führen, wo sie notwendig sind; und natürlich auch verstärkte Präsenz in den Leitungsfunktionen von Medien, von Wirtschaft, von Wissenschaft und Politik.
Was die Menschen ja nun auch sehr umtreibt, da wollen wir zum nächsten Punkt kommen, ist die Angst vor Krieg. Und wir haben das bewusst so gefragt: Haben Sie Angst vor Krieg?
[Einspieler Befragung]
Herr Bundespräsident, der Bundeskanzler sagt, ohne Sicherheit ist alles andere nichts. Das hieße ja eigentlich, Rüstung und Wehrhaftigkeit auch der Gesellschaft sind jetzt Priorität Nummer eins. Sehen Sie das auch? Was würden Sie tun, um die Leute in diese Richtung mitzunehmen?
Ich führe diese Debatten über Krieg und Frieden wirklich überall da, wo ich in "Ortszeit" unterwegs bin, im Westen wie auch im Osten; manchmal mit unterschiedlichem Zungenschlag. Und ich würde zunächst mal sagen, wenn wie hier in der Befragung die Menschen sagen "Ich bin für Frieden": Wir sollten das nicht karikieren oder verspötteln. Auch im Krieg sollte die Perspektive und die Hoffnung auf Frieden präsent bleiben. Die Frage ist nur, welchen Frieden meinen wir eigentlich? Wenn es der Frieden ist, den einige meinen: wir sollten uns die Last von Entscheidungen in der Ukraine mal irgendwie … die sollten wir mal versuchen wegzukriegen – und nehmen damit in Kauf, dass die Ukraine ihre Staatlichkeit aufgibt oder ein Drittel ihres Landes abgibt, das ist dann nicht der Frieden, den wir als gerechten Frieden bezeichnen können. Deshalb, und das erkläre ich in den Veranstaltungen, müssen wir der Ukraine helfen, weil Russland diesen Krieg nicht gewinnen darf, sonst richtet sich möglicherweise die nächste Aggression gegen andere.
Bleiben wir im Inland. Es kostet ja etwas: aufrüsten, Sicherheit schaffen. Wer soll das bezahlen und mit welchen anderen Mitteln noch?
Ja, der Bundespräsident ist nicht derjenige, der dem Finanzminister und dem Wirtschaftsminister und dem Verteidigungsminister Vorschläge zu machen hat. Das gilt für den Bereich der wirtschaftlichen Initiativen wie für die verteidigungspolitischen Initiativen. Ich sage aber, dass es richtig ist, in einer veränderten Zeit, an die wir vor zehn und zwanzig Jahren nicht geglaubt haben, einen deutlichen Schwerpunkt, eine Priorität auf die Verbesserung unserer Verteidigungsfähigkeit zu legen. Mit all den Folgeproblemen, die das hat. Die sind ja auch nicht verschwiegen.
Herr Bundespräsident, würde das auch heißen – Sie haben selbst gedient, Luftwaffe Goslar, siebziger Jahre: Wehrpflicht?
Ich weiß nicht, ob Sie meine Initiative gesehen haben, in der ich mich mal – nicht mal, sondern nach wie vor ausspreche für die Einführung einer sozialen Pflichtzeit? Ich kam von einer ganz anderen Ecke, weil ich gesagt habe: Was wir gewährleisten müssen, ist Zusammenhalt in der Gesellschaft.
Das kenne ich natürlich, aber das ist auch ein paar Jährchen her, und ich frage …
Nein, das ist zwei Jahre her.
Ja, aber in zwei Jahren ist so viel passiert.
Ich erwähne es deshalb, weil ich gesagt habe: Wenn wir den Grundsatz durchsetzen, jeder hat sich einmal im Leben dem Gemeinwesen, diesem Staat zur Verfügung zu stellen, dann kann das eine soziale Pflichtzeit sein. Aber im Rahmen der sozialen Pflichtzeit – habe ich ausdrücklich vorgesehen – kann das auch ein Dienst in der Bundeswehr sein. Insofern verknüpfen sich jetzt zwei Entwicklungen miteinander, und ich finde es sehr begrüßenswert, dass der Verteidigungsminister gesagt hat, wir schauen uns jetzt mal vor allen Dingen die skandinavischen Modelle an und gucken, was für uns davon geeignet sein könnte.
Und noch eine kurze letzte Frage: Wir sind in einem Zustand – und deswegen sagte ich gerade, es ist doch anders als vor zwei Jahren –, wo wir wieder über Atombomben sprechen. Da wird es einem doch mulmig, oder? So geht es den Menschen, und so geht es vielleicht auch uns?
Also ich würde jetzt mal vorschlagen, dass wir amerikanische Wahlergebnisse nicht vorwegnehmen. Gewählt wird in den USA. Vermutlich gibt es zwei Kandidaten, die wir alle miteinander kennen. Ich kenne Joe Biden aus unterschiedlichen Funktionen: als Senator, als Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, auch als Präsident. Ich war im Oktober bei ihm. Er ist ein wirklich transatlantischer Freund, und ich halte gar nichts davon, dass wir den Freund verraten, indem wir ihm keine Wahlchancen einräumen. Also: Gehen wir mal davon aus, dass das Rennen offen ist – und es wählen die Amerikaner, nicht wir.
Herr Bundespräsident, danke Ihnen für das Gespräch.
Die Fragen stellten: Pinar Atalay und Nikolaus Blome