Interview mit der Tageszeitung Holsteinischer Courier

Schwerpunktthema: Interview

8. März 2019

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat der Tageszeitung Holsteinischer Courier ein Interview gegeben, das am 8. März erschienen ist. Darin heißt es: "Mein Ideenwettbewerb zum Grundgesetz hat das Ziel, vor allem die zu erreichen, die sich "der Politik" – wie es leider pauschal oft heißt – fern fühlen oder sogar unverstanden und vergessen. Die Kaffeetafel bildet im Kleinen nach, was ich mir für ganz Deutschland wünsche: Zusammen an einen Tisch kommen und dann auf diesen Tisch bringen, was besprochen werden muss."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Arbeitszimmer (Archivbild)

Der Bundespräsident hat der Tageszeitung Holsteinischer Courier ein Interview gegeben, das am 8. März erschienen ist.

Herr Bundespräsident, wenn Sie als gebürtiger Nordrhein-Westfale an Schleswig-Holstein und speziell an die Stadt Neumünster denken, was fällt Ihnen dann ein?

Dass dieser Besuch für mich eine Premiere ist und auch für mein Amt: Es war noch nie ein Bundespräsident in Neumünster. Umso mehr freue ich mich natürlich über die Einladung hierher, auf die Stadt selbst, die Menschen in Neumünster und die Gespräche im Vicelinviertel, die der Landesbeauftragte für Politische Bildung angeregt hat.

Worauf freuen Sie sich bei Ihrem Besuch in Neumünster am meisten?

Da gibt es eine ganze Liste! Zum Beispiel gleich zu Beginn auf das historische Rathaus im neugotischen Stil. Danach werde ich in einem viel jüngeren Gebäude – im Bildungszentrum – sehen, wie mit Unterstützung des Landesbeauftragten die Werte unseres Grundgesetzes auch denjenigen nahegebracht werden, die gerade erst in Deutschland angekommen sind. New Ways for Newcomers heißt dieses Programm mit Flüchtlingen für Flüchtlinge, ein Erfahrungsaustausch über das Leben in Deutschland. Vor allem: ein Lernprozess, der auch ohne Deutschkenntnisse beginnen kann, weil Landsleute, die schon länger bei uns sind, mit ihrem Wissen weiterhelfen. Ein wunderbarer Ansatz, wie ich finde. Passend zum Datum 8. März haben wir uns das Thema Gleichstellung? – Für alle! ausgesucht, das sich wie ein roter Faden durch den Tag zieht. Angefangen vom einzigen Mädchen-Blasorchester Norddeutschlands, das bei der Begrüßung am Rathaus spielt, bis hin zu meiner Kaffeetafel, an die ich Menschen unterschiedlichster Herkunft und Prägung zum Thema Rollenbilder und Rollenkonflikte im Einwanderungsland eingeladen habe.

Sie kochen ja hier in der Stadt und laden anschließend auch zur Kaffeetafel ein. Können Sie selbst kochen und backen? Und welches Gericht und welches Gebäckstück mögen Sie am liebsten?

Mit meinen Beiträgen in der Küche sollten wir es heute nicht übertreiben. Mein Protokoll sagt: Ich helfe den Flüchtlingen in der kleinen Küche des Kochkurses bei den letzten Handgriffen, und dann essen wir gemeinsam zu Mittag. Auch der Landtagspräsident, der Ministerpräsident, die Stadtpräsidentin und der Oberbürgermeister sitzen mit am Tisch, was mich sehr freut. Wir kommen in erster Linie zum Zuhören, aber für Lammhaxe und Fatoush nehme ich mir natürlich auch Zeit. Kochen habe ich übrigens in vielen Jahren Wohngemeinschaft während des Studiums gelernt. Ich koche immer noch gern; ob auch gut, das müssten Sie meine Familie fragen. Jedenfalls liebe ich Risotto und Pasta jeder Art. Und Mohnkuchen mag ich am liebsten so, wie er in meiner Kindheit geschmeckt hat.

Wenn Sie Neumünster wieder verlassen, welche Botschaft möchten Sie den Bürgern hier mitgegeben haben?

Dass wir mehr Dialog brauchen und den Mut haben müssen, auch mit denen zu sprechen, die anderer Herkunft, anderer Prägung oder anderer Meinung sind. Mein Ideenwettbewerb zum Grundgesetz hat das Ziel, vor allem die zu erreichen, die sich der Politik – wie es leider pauschal oft heißt – fern fühlen oder sogar unverstanden und vergessen. Die Kaffeetafel bildet im Kleinen nach, was ich mir für ganz Deutschland wünsche: Zusammen an einen Tisch kommen und dann auf diesen Tisch bringen, was besprochen werden muss. Nur so können Kompromisse entstehen. Demokratie lebt davon, dass man auch mit denen redet, die anderer Meinung sind, ja sogar in Kauf nimmt, dass auch andere gelegentlich recht haben könnten.

Die Fragen stellte: Christian Lipovsek