Interview mit der Tageszeitung B.Z.

Schwerpunktthema: Interview

8. März 2020

Elke Büdenbender hat der Tageszeitung B.Z. ein Interview gegeben, das am 8. März 2020 erschienen ist.

Elke Büdenbender (Archivbild)

Elke Büdenbender hat der Tageszeitung B.Z. ein Interview gegeben, das am 8. März erschienen ist.

Frau Büdenbender, seit drei Jahren ist Ihr Mann im Amt, auch Ihr Leben wird seitdem durch dieses Amt bestimmt. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Ich empfinde es als großes Privileg, dass ich diese Aufgabe wahrnehmen darf. Die Themen, die mir wichtig sind, kann ich so wirklich vorantreiben. Dazu gehört auch das Werben für die berufliche Aus- und Weiterbildung: Sie verdient größere Wertschätzung. Um unser System der Berufsausbildung werden wir weltweit beneidet!

Wie haben Sie zu diesem Thema gefunden?

Vor 42 Jahren, 1978, habe ich selbst eine Berufsausbildung begonnen, als Industriekauffrau bei einer Maschinenbaufirma. Das war eine wertvolle Zeit. Wir haben so viel gelernt – fachlich und sozial. In einem Betrieb muss man im Team klarkommen. Man lernt, mit unterschiedlichsten Leuten umzugehen. Auch das ist Teil der Berufsausbildung.

Warum wollen dann so viele um jeden Preis studieren?

Ich möchte die Ausbildungswege nicht gegeneinander ausspielen. Die Menschen haben unterschiedliche Stärken und Herangehensweisen. Da brauchen wir mehr Offenheit. Anerkennung ist ein wichtiges Stichwort. Und man muss auch wissen, welche Chancen es gibt. Eine Lehre bietet viele Aufstiegsmöglichkeiten, sei es zum Meister oder ins Management. Viele machen sich auch kein Bild davon, wie die Digitalisierung Berufsbilder verändert. Das muss alles noch bekannter werden. Echte Bildungsgerechtigkeit werden wir erreicht haben, wenn der Sohn der Schneiderin studiert und die Tochter des Lehrers Mechatronikerin lernt.

Was raten Sie Jugendlichen und ihren Eltern in der Berufsfindungsphase?

Informiert Euch, macht Euch schlau, sucht Unterstützung. Und an die Eltern appelliere ich: Schaut auf die Stärken Eurer Kinder, habt Vertrauen. Es gibt bei uns keine Sackgassen. Handwerker und Fachkräfte werden dringend gebraucht. Auf solche Karrieren kann man stolz sein.

Setzt sich das Thema Bildung auch in Ihrer Arbeit als UNICEF -Schirmherrin fort?

Ein selbstbestimmtes Leben durch Bildung ist ein Schwerpunkt von UNICEF in der ganzen Welt. Das will UNICEF vor allem für Kinder und Frauen erreichen. Wir bemühen uns darum, uns überflüssig zu machen, so hat es eine Mitarbeiterin bei meinem Besuch in Nepal beschrieben. Es war großartig zu sehen, wie die jungen Leute für eine bessere Zukunft kämpfen.

Was meinen Sie?

Naturkatastrophen gehören dort zum Alltag. In den Schulen lernen die Kinder, wie sie sich bei Erdbeben retten können. Aber das größte Problem ist die Armut: Eltern verheiraten ihre Töchter, weil sie sie nicht ernähren können. Die Väter fehlen, wenn sie jahrelang im Ausland arbeiten, um die Familie zu ernähren. Da wird einem nochmal klar, wie gut es uns geht.

Die Deutschen sind spendenbereit. Viele engagieren sich ehrenamtlich. Gleichzeitig erleben wir Verrohung, Hass und Polarisierung. Wie passt das zusammen?

Darauf habe ich noch keine Antwort gefunden. Ich teile den Eindruck, dass die allermeisten bei uns sehr bereit sind, etwas abzugeben und anderen zu helfen.

Wir sehen dennoch, dass die Gesellschaft auseinanderdriftet. Dafür dass sie sich nicht spaltet liegt die Verantwortung bei uns allen. Dazu gehört, miteinander zu reden statt übereinander. Und auch mal zu sagen: Ich sehe das anders, lass’ uns diskutieren. Da brauchen wir Vorbilder.

An wen denken Sie da?

Gerade Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, sollten eine Sprache und Haltung pflegen, die wertschätzend für andere und ihre Meinungen ist. Der politische Gegner ist kein Feind. Das muss klar sein.

Und heute mehr denn je haben wir alle gemeinsam eine entscheidende Aufgabe: Rassismus und Rassisten zu ächten. Damit sich eine schreckliche Tat wie in Hanau hoffentlich nicht wiederholen kann. Mir hat es wirklich das Herz zerrissen, als mein Mann und ich am Tag nach diesem schrecklichen Attentat die Familien und Freunde der Opfer getroffen haben. Wir waren sehr traurig.

Ihr Mann sprach von Bewährungsjahren der Demokratie. Wie besorgt sind Sie?

Die moderne Gesellschaft ist unüberschaubarer geworden. Alles ändert sich, gerade in der Arbeitswelt. Aber unsere Demokratie kann den Wandel bewältigen. Davon bin ich überzeugt. Diese Zuversicht müssen diejenigen vermitteln, die in der Verantwortung stehen. Wir haben allen Grund, als Staatsbürger vertrauensvoll und selbstbewusst zu sein. Wir haben eine wunderbare Verfassung. Unsere Institutionen und Gerichte funktionieren. Es ist richtig, wie wir unseren Weg seit der Gründung der Bundesrepublik gegangen sind – im Wissen, dass die Demokratie das Beste ist, was uns jemals passiert ist.

Welche Rolle spielen Social Media und Internet in Ihrem Leben?

Ich nutze das für die schnelle Information. Aber ich bin leidenschaftliche Zeitungsleserin. Ich packe sogar in der S-Bahn die Zeitung aus.

Können Sie ganz normal S-Bahn fahren?

Ja, ich liebe S-Bahn-Fahren in Berlin. Das öffentliche Verkehrsnetz ist wunderbar.

Was gefällt Ihnen noch?

Mir gefällt, dass Berlin so groß ist. Aber man kann es sich auch zum Dorf machen mit den Nachbarn im Kiez. Toll ist auch das riesige Kulturangebot. Ich habe häufig das Gefühl, in Berlin verschwinden die Grenzen zwischen den Generationen. Mit meiner Tochter gehe ich zum Beispiel sehr gern ins Konzert.

Ins klassische Konzert.

Nee, nicht Klassik. Wir waren bei AnnenMayKantereit, den Leoniden... Es war großartig! Da sind ganz viele junge Leute mit ihren Eltern. Umgekehrt findet meine Tochter den Gitarrenpopsound der 70er gut, mit dem ich aufgewachsen bin. Oder französische Chansons.

Was war Ihr erstes Konzert?

Ich weiß gar nicht mehr. Frank Zappa habe ich mal live gesehen. Hannes Wader, Franz-Josef Degenhardt haben mich beeindruckt. Und ich war auf einigen Folk-Festivals, mit Zelten und nachts Schwimmengehen. Das war eine tolle Zeit.

Die Fragen stellte: Ulrike Ruppel

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier