Elke Büdenbender hat der Zeitschrift Bunte ein Interview gegeben, das am 27. Juni erschienen ist.
Ihr Mann ist jetzt seit mehr als zwei Jahren im Amt und Sie als First Lady an seiner Seite. Wie schnell verging die Zeit?
Wahnsinnig schnell. Ich wundere mich immer wieder, wo all die Monate geblieben sind. Vielleicht liegt es auch daran, dass jeder Tag anders ist, ich so viele unterschiedliche Dinge erlebe und ständig neue Menschen treffen. Als Richterin hatte ich zwar auch Abwechslung, weil jeder Fall individuell ist, aber ich war natürlich nicht so viel unterwegs.
Sie begleiten Ihren Mann oft auf seinen Reisen. Mögen Sie das ständige Unterwegssein?
Ich finde es sehr spannend. Es ist ein echtes Privileg, zu reisen und Menschen kennenzulernen. Mich interessiert, wie andere Länder mit ähnlichen Sachverhalten oder Problemen umgehen. Auf den Reisen habe ich oft eigene Termine zu meinen Schwerpunktthemen; treffe natürlich immer auch gern Richterinnen, um mit ihnen über ihre jeweiligen Erfahrungen zu sprechen wie zuletzt in Usbekistan, und beschäftige mich mit Bildungsthemen, weil mir dieses Thema am Herzen liegt.
Wie speichern Sie all diese Eindrücke?
Ich bemühe mich, die Erlebnisse und Erfahrungen zu verinnerlichen, frage viel und versuche die Themen wirklich bis in die Tiefe zu durchdringen. Ab und zu schreibe ich meine Erinnerungen auch auf.
Führen Sie Tagebuch?
Das mache ich, seit ich erwachsen bin. In kleineren und größeren Abständen schreibe ich auf, was mich bewegt: Gedanken, Erlebnisse, was passiert ist.
Entstehen Freundschaften bei Ihren Begegnungen?
Dafür geht alles zu schnell, aber es entstehen durchaus Verbindungen, die länger halten könnten. Die Frauen der anderen Staatschefs, die ich getroffen habe, sind beeindruckend: gebildet, klug, selbstbewusst – spannende Persönlichkeiten.
Zu Ihren Pflichten gehören auch Staatsempfänge, Sie treffen Könige und royale Häupter. Fühlt man sich nicht manchmal ziemlich bürgerlich?
Ich habe große Achtung vor den Royals, und ich bringe Ihnen den Respekt entgegen, den sie als gekrönte Staatsoberhäupter verdienen. Die, die ich bisher kennengelernt habe, sind unprätentiöse, liebenswerte Menschen, die eine besondere Aufgabe erfüllen. Und was sonst dazugehört – Schlösser, Diademe und prächtige Roben –, das schaue ich mir gern an, aber ich habe immer den Menschen im Blick.
Worüber reden Sie mit ihnen, wenn Sie bei einem Galadinner nebeneinander sitzen?
Über alles Mögliche. Von Königin Maxima, die ja vor ihrer Heirat Bankerin war, habe ich mir beispielsweise erklären lassen, wie eine Blockchain funktioniert. Sie hat das so wunderbar einfach erklärt, dass ich es endlich richtig verstanden habe.
Jede First Lady prägt ihr Amt. Spüren Sie Erwartungen oder Druck, eigene Spuren zu hinterlassen?
Den Druck mache – wenn überhaupt – ich mir selbst. Ich bin für fünf Jahre aus meinem Beruf ausgestiegen und möchte auch deshalb keine Zeit verschwenden, ich möchte etwas bewegen. Abgesehen davon genieße ich die Aufgabe: Ich habe ein tolles Team, und noch nie im Leben hatte ich so ein schönes Büro – das sind Traumbedingungen. Als Richterin konnte ich wirklich nicht über die Arbeitsbedingungen klagen, aber hier im Bundespräsidialamt sind sie sehr privilegiert.
Wie genau haben Sie sich angeschaut, was Ihre Vorgängerinnen geleistet haben?
Mit Daniela Schadt und Christina Rau habe ich gesprochen und mir wertvolle Tipps geholt. Beide haben mir zu Beginn geholfen und mich inspiriert. Aber ich beschäftige mich gerade auch mit der früheren Generation der Frauen der deutschen Staatsoberhäupter, weil wir eine Veranstaltung vorbereiten. Diese Frauen haben ja große Zeitenwenden erlebt: Kaiserreich, Erster Weltkrieg, Weimarer Republik, Zweiter Weltkrieg. Mich beeindruckt, was sie geleistet haben.
Ihr Team besteht aus Frauen. Arbeiten Sie lieber mit Frauen zusammen als mit Männern?
Ich arbeite sehr gern mit Frauen zusammen, aber nicht unbedingt lieber. Ich habe auch mit Männern gute Erfahrungen gemacht.
Sind Sie Feministin?
Ja, den Begriff würde ich für mich in Anspruch nehmen. Es gibt immer noch viel zu tun, um die Rechte der Frauen zu stärken.
Haben Sie selbst die Erfahrung gemacht, als Frau benachteiligt worden zu sein?
Was ich nicht vergessen werde: Als ich zwölf Jahre alt war, hat ein Chemielehrer zu mir gesagt: Also Elke, für ein Mädchen hast du einen erstaunlich logischen Verstand.
Empfanden Sie das als Lob oder Beleidigung?
Ich war total empört. Sowohl meine Mutter als auch meine Oma waren starke, selbstbewusste Frauen. In unserer Familie wäre niemand auf den Gedanken gekommen, dass eine Frau nicht logisch denken kann.
Sie setzen sich ein für Bildungsgleichheit für Mädchen – ist das heute noch nötig?
Ich denke schon; vor allem muss man Mädchen Mut machen, die naturwissenschaftlichen Fächer zu erobern. Und es gibt noch immer zu wenige Frauen in Führungspositionen – trotz Quote. Ich sehe aber Bildungsgleichheit nicht nur als ein Genderthema, sondern auch als soziale Frage: ebenso brauchen Kinder aus benachteiligten Elternhäusern Unterstützung. Ich würde gern erreichen, dass mehr Kinder gefördert werden und ihre Talente entdecken können.
Sie treffen viele Jugendliche, die vor der Berufswahl stehen. Fällt es denen schwer, ihren Weg zu finden?
Es ist grundsätzlich nicht einfach, den eigenen Weg zu finden. Manche Jugendliche sind ehrgeizig und zielsicher, andere tun sich schwer. Und einige brauchen Hilfe, weil sie vielleicht auch im zweiten Anlauf scheitern. Mein Anliegen ist, dass auch diese Jugendlichen Unterstützung finden, damit sie auf ihrer Suche nicht für die Gesellschaft verloren gehen.
Welche Erwartungen hatten Ihre Eltern, was aus Ihnen werden sollte?
Mein Vater war Tischler, später auch noch Schlosser. Meine Mutter war Hauswirtschafterin. Meine Eltern waren also keine Akademiker, aber sie waren sehr bildungsbewusst und haben erwartet, dass wir Kinder in der Schule unser Bestes geben. Und sie haben Wert darauf gelegt, dass wir einen Beruf erlernen, deshalb habe ich vor dem Jurastudium eine Ausbildung zur Industriekauffrau gemacht.
Sie haben sich dann für öffentliches Recht als Ihr Fachgebiet entschieden – warum?
Ich hatte viele Interessen. Aber hauptsächlich wollte ich wissen, wie unser Staat funktioniert.
Ihre Tochter studiert Arabistik und Islamwissenschaften. Waren Sie begeistert von der Wahl?
Ich glaube, ich war da nicht so gelassen wie damals meine Mutter bei mir. Aber mein Mann und ich haben unsere Tochter unterstützt – das hätten wir bei jedem Wunsch. Sie soll einen Beruf ergreifen, der ihr Freude macht.
Wir haben darüber gesprochen, wie Sie diese Funktion prägen. Aber wie sehr prägt sie Sie?
Mit Sicherheit kann ich sagen, dass mich das Richteramt sehr verändert hat, weil ich lernen musste, mich zurückzunehmen und die Anliegen von Klägern zu verstehen und juristisch einzuordnen. Ich glaube, ich bin in meinem Beruf sehr aufmerksam geworden. Hier in dieser Funktion – ein Amt ist es ja gerade nicht – habe ich meine Freude entdeckt, mit Menschen zusammen zu sein und viele Fragen zu stellen, damit ich meine Themen kompetent in die Öffentlichkeit bringen kann.
Als First Lady sind Sie eine öffentliche Person. Mögen Sie diese Aufmerksamkeit?
Sie belastet mich nicht. Ich vergesse die Aufmerksamkeit schnell, wenn ich in einem Termin bin und Menschen um mich herum sind. Den Rest blende ich aus.
Als Ihr Mann Bundesaußenminister war, haben Sie ihn vermutlich wenig gesehen. Jetzt verbringen Sie relativ viel Zeit miteinander. Hat das Ihre Ehe verändert?
Diese gemeinsame Erfahrung stellt unsere Ehe noch einmal neu auf. Wir haben viel Freude daran, den anderen in seinem täglichen Wirken zu erleben und zu beobachten.
Was haben Sie an Ihrem Mann neu entdeckt?
Ich wusste schon immer, dass er ein sehr kluger Mann ist, der den Menschen viel Empathie entgegenbringt. Ich finde es toll, nun zu erleben, wie er bei den unterschiedlichsten Begegnungen hier in Deutschland oder im Ausland auf Menschen zugeht. Es berührt mich, weil er ihnen wirklich viel gibt, und weil es von größter Bedeutung ist, nicht nur über, sondern vor allem mit den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes ins Gespräch zu kommen. Ich mag auch, wie intensiv ihn bestimmte Themen umtreiben – die Zukunft der Demokratie beispielsweise. Dieses Thema hat er bei Amtsbeginn als einen Schwerpunkt gesetzt und damit ein treffendes Gespür für die Zeit bewiesen, denn inzwischen ist die Frage, wie wir unsere Demokratie erhalten und schützen, ein drängendes Problem geworden.
Sind Sie stolz auf Ihren Mann?
Ja, sehr. Er ist ein großartiger Präsident, finde ich – auch wenn ich damit meinen eigenen Mann lobe.
Als First Lady hat man eine seltsame Stellung: Man arbeitet für dieses Land, absolviert unzählige Termine, trägt Verantwortung, aber bekommt kein Gehalt, nicht einmal Rentenanwartschaften erwirbt man sich während der Amtszeit. Ist das nicht ungerecht?
Ich hätte die Aufgabe ja nicht übernehmen müssen. Ich habe mir gut überlegt, ob ich für diese fünf Jahre aus meinem Beruf aussteige. Heute weiß ich, es war richtig, denn die Aufgabe ist extrem spannend, und ich empfinde es als großes Privileg, noch einmal etwas anderes machen und danach wieder in mein Richteramt zurückkehren zu dürfen.
Sie sagen, Sie hätten sich auch gegen dieses Amt entscheiden können. Hätte Ihr Mann dann nicht ziemlich verlassen dagestanden?
Wir haben damals ausführlich diskutiert, und mein Mann hat ja schon einmal gesagt, dass er das Amt ohne meine Unterstützung nicht angenommen hätte. Es war also unsere gemeinsame Entscheidung.
Sie haben bei Heirat Ihren Mädchennamen behalten. Wollten Sie damit ihre weibliche Unabhängigkeit betonen?
Früher habe ich immer gedacht, so ein Quatsch, warum soll die Frau ihren Namen bei Heirat ändern – in vielen Ländern ist das ja unüblich. Ich habe meinen Geburtsnamen damals wohl aber eher aus einer sentimentalen Anwandlung behalten. Als unsere Tochter noch klein war, war das allerdings oft auch unpraktisch. Zum zehnten Hochzeitstag wollte ich meinem Mann dann das Geschenk machen, seinen Namen anzunehmen. Dann wurde er Außenminister und ich dachte: Das sieht aber jetzt so aus, als wollte ich mich an seinen Erfolg anhängen. Da habe ich es gelassen.
Sein Ministeramt hat ihr romantisches Geschenk verhindert?
Ja, das war der Grund. Nun bleibt es so, wie es ist, wenn nichts Entscheidendes dazwischenkommt.
Wäre ein Doppelname eine Option gewesen?
Oh nein! Bei unserer Kombination – das wäre keine gute Idee.
Der Bundestag will ein Gesetz erlassen, das die Organspende neu regelt. Verstehen Sie, dass die Debatte strittig und sehr emotional geführt wird?
Das nehme ich natürlich sehr stark wahr, auch weil mein Mann mir eine Niere gespendet hat. Ich finde, dass eine Organspende ein ganz großes Geschenk ist. Aber sie ist auch eine höchst persönliche Entscheidung, die natürlich auch Ängste mit sich bringt oder vom Glauben beeinflusst wird oder davon, wie man sich selbst zu dieser Welt stellt. Ich akzeptiere jede Entscheidung. Da ich selbst dieses Geschenk erhalten habe, weiß ich, wie großartig es ist, damit regelrecht ein neues Leben zu bekommen. Aber ich würde keinen Menschen verurteilen, der diese sehr persönliche Frage für sich anders beantwortet.
Die Fragen stellte: Katrin Sachse