Daniela Schadt hat dem Magazin Gala gemeinsam mit Franziska Knuppe und Barbara Schöneberger ein Interview gegeben, das am 10. April erschienen ist.
Die Mütter, die hier derzeit eine Kur machen, geben als Grund für ihre Erschöpfung permanenten Zeitdruck
, berufliche Belastung
und mangelnde Anerkennung
an. Sind das auch für Sie, Frau Schöneberger und Frau Knuppe, die anstrengenden Seiten am Muttersein?
Franziska Knuppe: Ich arbeite ja nicht fünf Tage die Woche von morgens um sieben bis abends um fünf, sondern habe zwischendrin immer mal wieder ein paar Tage, an denen ich durchatmen kann. Außerdem arbeitet mein Mann weniger und kümmert sich um unsere Tochter, wenn ich weg bin. Aber klar: Wenn morgens um sechs der Wecker klingelt und ich tags zuvor zwölf Stunden gearbeitet habe, stehe ich auch neben mir, wenn ich die Stullen schmiere, aber das ist natürlich kein Vergleich zu den Frauen, die hierher kommen und sagen: Ich kann nicht mehr.
Barbara Schöneberger: Für mich ist es total nachvollziehbar, dass man als Mutter unter Druck gerät, weil man ja oft auch an seinen eigenen Vorgaben scheitert. Ich gerate eher im häuslichen Bereich an meine Grenzen, im Beruflichen bin ich überhaupt nicht gestresst, da sitze ich auch mal eine Stunde im Flugzeug und schaue aus dem Fenster. Zu Hause gibt ja immer, immer was zu tun und man hat ja auch diese typische weibliche Seite, dass man nicht einfach mal so rumsitzen kann.
Knuppe: Anders als die Männer.
Schöneberger: Genau, man kommt von einem Wochenendausflug nach Hause und der Mann setzt sich ohne weiteres vor den Fernseher oder liest Zeitung. Als Frau kommst du nach Hause, räumst das Zeug aus, wäscht drei Maschinen Wäsche und dann sagt doch der Mann: Ich habe aber gestern den Frühstückstisch gedeckt. Also, ich glaube, dass nichts anstrengender ist, als zu Hause mit den Kindern zu sein und den Haushalt zu machen.
Daniela Schadt: Weil die Pause fehlt. Und wenn man dann noch einen Beruf hat, in dem es auch nicht möglich ist, mal durchzuatmen, Krankenschwester etwa, dann kommen Mütter irgendwann gar nicht mehr dazu, Kraft zu tanken. Genauso erlebe ich es immer wieder als Schirmherrin des Müttergenesungswerkes. Ich habe allerdings schon den Eindruck, auch aus meiner Erfahrung mit jüngeren Kollegen bei der Zeitung, dass die Männer heute gern Zeit mit ihren Kindern verbringen wollen. Aber ich stelle es mir für einen Mann auch nicht unbedingt einfach vor, er immer hört, was er falsch macht und wie es eigentlich richtig geht. Ich glaube, beide Seiten können da noch besser werden.
Frau Schadt, Sie sind in einer Großfamilie aufgewachsen. Waren Mütter in solchen Gefügen weniger belastet?
Schadt: Ja, meine Mutter hatte sieben Geschwister, da hat sich jeder um jeden gekümmert. So enge Familienbande sind inzwischen selten geworden. Aber ich finde, wir sollten daraufhin arbeiten, sie durch alternative Formen der gegenseitigen Unterstützung zu ersetzen.
Schöneberger: Das machen wir auch ganz extrem. Weil du dann auch nicht das Gefühl hat, du gibst dein Kind weg. Ein Kind mit zwei Jahren weiß ja nicht, in anderen Familien ist aber immer die Mutter zu Hause, das Kind empfindet ja nur, habe ich jetzt hier jeden Tag eine provisorische Betreuung, mal die Nachbarin, mal die Oma, oder ist das der immer gleiche Kreis von Leuten, der sich um mich kümmert. Aber auch ich muss mir, wenn ich morgens zu einem Termin fahre, jeden Tag fünfzigmal sagen, dass das sicher alles ganz toll ist und ich mich ganz sicher richtig entschieden habe.
Spüren Sie in der Kita auch den Rechtfertigungszwang gegenüber Eltern mit anderem Familienmodell?
Schöneberger: Mütter untereinander sind das schlimmste. Ich würde mich ja eigentlich als locker einstufen, trotzdem positioniere ich mich voll mit. Da kommst du in den Kindergarten und hörst erst mal: Ah, Sie heute hier, Sie sind ja sonst nur im Fernsehen!
Na, da bekomme ich dann schon Schnappatmung. Und sollte dein Kind dann mal jemanden beißen, dann heißt es: Ja, ja, kein Wunder! Schrei nach Liebe! Und dann diese viele Sticheleien Also bei uns gibt es keinen Apfelsaft
oder Machst du den Kindergeburtstag bitte ohne Zucker?
Schadt: Ja, manche scheinen da sehr eifrig zu sein. Ich habe neulich in der Zeitung einen Artikel gelesen über Schulbrote, für deren Zubereitung man eine Stunde früher aufstehen muss. Da kommt noch ein geschnitztes Radieschen dazu und ein Karöttchen, und alles muss besonders garniert werden…
Knuppe: Und in der Schule schmeißen es die Kinder weg ...
Schöneberger: ... ja, da tauschen sie gegen Schokoriegel ...
Schadt: Ich verstehe ja, dass die Umstände für Mütter sehr schwer werden können, wenn zum Beispiel Kinder krank werden oder die Eltern pflegebedürftig oder wenn Geldsorgen aufkommen. Das sind wirkliche Probleme.
Schöneberger: Das Kind ist das Liebste, was du hast, das will schon jeder richtig machen. Und man denkt immer, wenn ich ein perfektes Kind habe, dann bin ich auch perfekt. Heute definiert man sich mehr über das Kind.
Wie sehr übernehmen Frauen dabei das, was sie von ihren Müttern vorgelebt bekommen haben?
Schöneberger: Ich denke, die alten Rollenbilder sind weggefallen und das macht es nicht einfacher. Früher wusstest du: Ich heirate, bekomme ein Kind, meine Ehe wird so, wie sie halt wird, wenn man drei Kinder kriegt, und am Ende des Lebens sagt man trotzdem: ja so ist es halt. Heute ist das anders: Alles muss spannend bleiben, deine Beziehung musst du dir toll erhalten, deine Figur, du musst jeden Abend biologisch dynamisch kochen, deine Kinder müssen perfekt aussehen und in der Schule funktionieren.
Liegt es auch daran, dass viele Frauen heute erst Kinder bekommen, nachdem sie schon jahrelang gearbeitet haben, und das Muttersein dann wie einen neuen Job mit Zeitmanagement und Zielvorgaben angehen?
Knuppe: Ja, meine Mutter ist Kinderärztin und sagt, die Mütter über 35 sind die schlimmsten, weil die sich den Kopf zerbrechen über Nebensächlichkeiten und gar nicht mehr intuitiv sind.
Schadt: Was mich wirklich wundert: Wenn es den einen anerkannten Weg für Frauen gäbe, dann wäre ja bei derjenigen, die ihm folgt, alles problemlos und nur die übrigen stünden unter Rechtfertigungszwang. Aber so ist es ja nicht. Es gibt zwar die Möglichkeit, sich zu entscheiden, dennoch fühlen sich alle in der Verteidigungsposition – von der klassischen Hausfrau, über die berufstätige Mutter bis hin zu den kinderlosen Frauen. Also frage ich mich, ob es auch an der Selbstwahrnehmung liegt, dass sich die Frauen Vorwürfe machen. Das ist in den Kuren für Mütter ein wichtiges Thema.
Wie groß war für Sie eigentlich der Druck, nach den Kindern wieder arbeiten gehen zu müssen?
Knuppe: Bei mir hört sich das immer so an, als sei ich sofort wieder arbeiten gegangen. Im Endeffekt habe ich sechs Monate Pause gemacht und bin in dieser Zeit vier Tage arbeiten gewesen. Es war einfach Glück, dass ich kurz nach der Geburt wieder so aussah wie vor der Schwangerschaft und habe direkt einen Auftrag angenommen. Aber dann stand in der Zeitung, die steht ja so unter Druck, dass sie gleich wieder arbeiten geht.
Aber gerade in der Unterhaltungsbranche darf man doch auch nicht zu lange weg sein.
Schöneberger: Ach, ich glaube, die Leute sind ganz froh, wenn sie mich mal nicht sehen. Bei mir war es so, dass Hubertus Meyer-Burkhardt schon bei der ersten Schwangerschaft sagte: Bitte komm schnell wieder zurück. Und dann habe ich nach exakt drei Monaten wieder die erste NDR Talkshow
moderiert. Aber da muss man ja auch sehen: Ich bin mit meinem Baby nach Hamburg, meine Kinderfrau war dabei, die hatte es auf dem Arm, ich habe zwei Stunden die Sendung gemacht und bin mit meinem Baby wieder zurück gefahren. Das war ein Tag. Aber dann haben natürlich die ersten wieder angerufen und gesagt, na, wenn sie das macht, kann sie ja auch zu uns kommen. Und in meinem Fall habe ich eben auch sehr schnell gemerkt, es geht super. Außerdem bin ich in Hinblick darauf, dass ich wusste, ich will wieder arbeiten, alles ein bisschen anders angegangen. Ich habe nicht den ganzen Tag mein Kind am Leib getragen, sondern versucht eine Situation zu kreieren, dass es auch ohne mich geht. Man kann meiner Meinung nach nicht immer nachts alle Kinder ins Bett holen, keiner macht ein Auge zu, aber man findet es ja soo gemütlich. Man muss auch mal allein in seinem Bett schlafen. Und die Kinder auch. Da werde ich von manchen als zu radikal betrachtet, aber ich denke, da muss man früh anfangen, in die richtige Richtung zu lenken.
Schadt: Da muss ich an Loki Schmidt denken, die musste nach dem Krieg den Familienunterhalt als Lehrerin verdienen, weil Helmut Schmidt damals noch studierte. Sie stellte ihre Tochter Susanne im Kinderwagen auf den Schulhof, während sie unterrichtete. Diese Vorstellung, ich bin jede Minute für mein Kind da, ich gehe auf jedes Bedürfnis meines Kindes ein, die ist, glaube ich, relativ neu.
Knuppe: Im Westen ja. Ich bin ja in der DDR aufgewachsen, und da sind wir ab dem ersten Monat in die Krippe gekommen. Meine Mutter hatte als Kinderärztin in der Poliklinik manchmal 36 Stunden Dienst. Deshalb lasse ich mich heute auch nicht so angreifen, wenn ich sage, dass ich gern arbeite und auch mal mehrere Tage dafür weg bin.
Was ist denn dran an der These: Ist Mama glücklich, geht es der ganzen Familie gut?
Schöneberger: (Daumen hoch) Absolut!
Knuppe: Wenn ich nicht arbeiten gehen würde und nur zu Hause wäre, dann wäre ich frustriert. Da hole ich mir die Kraft für meine Tochter her.
Schöneberger: Emanzipation ist ja auch ein Stück weit, dass jeder machen kann, was er will. Und wenn jede Frau so arbeiten kann, wie sie das möchte oder es ihren Möglichkeiten entspricht, dann ist das schon gut.
Schadt: Insgesamt hat sich natürlich in den letzten 50 Jahren schon viel verändert. Aber als Schirmherrin des Müttergenesungswerkes weiß ich, dass diese These auch heute noch stimmt. Auch in der klassischen Rollenverteilung, obwohl es verflixt lange dauert, bis sich das in den Köpfen ändert. Vielleicht ist schon viel geholfen, wenn wir uns von dem grassierenden Perfektionswahn verabschieden. Und wenn sich Menschen eingestehen, dass sie auch mal Hilfe brauchen – zum Beispiel vom Müttergenesungswerk.