Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.
Wir erleben heute eine Premiere. In wenigen Tagen wird der Bundesverdienstorden 60 Jahre alt. Und zum ersten Mal in dieser langen Geschichte werden gleich 14 Verdienstmedaillen an Bürgerinnen und Bürger überreicht, die für eine solche Ehrung ausgesprochen jung sind. Dazu muss man wissen: Bislang gehörten 95 Prozent der Ordensträger unseres Landes am Tag der Verleihung zur Altersgruppe „50 plus“. Das ist auch richtig, denn häufig wird eine Lebensleistung gewürdigt. Es hängt mit der Tatsache zusammen, dass man im Laufe eines Lebens viele und große Verdienste erwerben kann. Eine weitere Überlegung dürfte sein, dass bei Jüngeren ein kleines Risiko besteht, dass sich die Ordensträgerinnen und Ordensträger später als weniger würdig erweisen könnten.
Dieses Risiko nehme ich in Kauf, denn die Chancen, die mit Engagement in Jugendjahren verbunden sind, benötigen dringend Aufmerksamkeit. Statistiken zeigen: Wer sich früh engagiert, entwickelt meist eine besonders enge Bindung zu seinen freiwilligen Aufgaben und bleibt oft ein Leben lang dabei, häufig mit verschiedensten Tätigkeiten für die Allgemeinheit und das Gemeinwohl. Der alte Spruch „Früh übt sich wer ein Meister werden will…“ gilt gerade auch für das Ehrenamt.
Heutzutage sind die Anforderungen in Schule, Ausbildung und Studium oft hoch – durch Verkürzung der Ausbildungszeiten und Verschulung der Hochschulen -, so dass kaum Zeit für etwas anderes bleibt. Hinzu kommen häufige Ortswechsel durch geforderte Mobilität und Flexibilität, also Rahmenbedingungen, die es schwerer machen, einer Sache – auch wenn sie noch so gut ist – treu zu bleiben. Trotzdem gibt es Hunderttausende junge Menschen, die in Deutschland ehrenamtlich und sehr ausdauernd aktiv sind. Ich bin der Überzeugung: Das muss honoriert werden – als Dank für jeden Einzelnen und als Anregung für hoffentlich viele Nachahmer von Ihnen, den Vorbildern. Nachahmer brauchen wir gerade auch in Zeiten des demografischen Wandels, wenn Zusammenhalt nicht nur ein Wort, sondern gelebte Wirklichkeit in unserer Gesellschaft bleiben soll. Wenn künftig weniger junge Menschen da sind, sollten noch mehr ehrenamtliche Aufgaben übernehmen, damit das bürgerschaftliche Engagement groß bleibt. Ein Orden zeichnet immer Leistungen der Vergangenheit aus, aber sein Glanz kann uns noch etwas anderes bedeuten: ein Lichtstrahl für die Zukunft!
Deshalb habe ich für diese besondere Ordensverleihung so viele junge Menschen eingeladen. Als Ansporn, den eingeschlagenen Weg überzeugend weiterzugehen. Wir haben heute Frauen und Männer zu Gast, die mit 25 oder 30 Jahren schon sehr Bemerkenswertes geleistet haben - oft ermutigt und unterstützt von Eltern und Freunden, die auch heute an ihrer Seite sind. Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen in Schloss Bellevue!
Bellevue – „schöne Aussicht“: Das Wort passt zu diesem Augenblick, in dem ich in junge Gesichter voller Fröhlichkeit und Zuversicht sehe. Beides – Fröhlichkeit und Zuversicht – braucht man im Ehrenamt ja ganz besonders. Sie sind die Triebfedern für eine Arbeit, die unbezahlt und unbezahlbar ist. Eine Arbeit, die oft viel Zeit und Mühe kostet, aber auch eine Menge zurückgibt - nämlich das gute Gefühl, für und gemeinsam mit anderen Menschen etwas zu bewegen und zum Besseren zu verändern. Deshalb ist das Ehrenamt mehr als eine Aufgabe. Es ist Ausdruck einer inneren Haltung, Ausdruck von Menschlichkeit und gutem Miteinander, ein echtes Geschenk an die Gemeinschaft. Und Schenken kann bekanntlich beide Seiten glücklich machen: den, der nimmt, und auch den, der gibt.
Die 14 Ehrengäste haben diese Erfahrung schon sehr früh im Leben gemacht. Davon sollten Sie berichten. Und vermutlich wurde vielen sogar früher von anderen geholfen, weil heute erwiesen ist: Wem geholfen wurde, der hilft später eher auch anderen. Das beginnt beim Engagement in der Kirche, geht über Kunst und Musik bis hin zum Sport. Umweltschutz ist genauso dabei wie ein „Gerechtigkeitswald“ oder „100 Schritte zum Frieden“. Der junge Feuerwehrmann, der sich um den Nachwuchs im Ortsverein kümmert, gehört dazu. Und auch die mutigen Studenten, die ihre ehrenamtliche Arbeit bis nach Brasilien, China oder Ruanda führt, um nur mal drei Länder einer langen – buchstäblich weltoffenen – Liste zu nennen.
Wer heute ausgezeichnet wird, hat zu Begegnung und Verständigung in ganz besonderer Weise beigetragen: ob im Zeichen von Arbeiterwohlfahrt oder „Plan International“, im ökumenischen Gottesdienst oder im Kampf gegen Kinderarmut. Sie alle sind Vorbilder für Hilfsbereitschaft und für eine Toleranz, die viele Arten von Grenzen überwindet: geografische und soziale, religiöse und mentale. Das gelingt den meisten von Ihnen ganz im Stillen. Zwei unserer Ehrengäste setzen ganz bewusst auf laute Töne. Sie nutzen ihre anerkannten Namen als Sängerin bzw. Schauspielerin und machen sich im Medienrummel für Menschen stark, die in Not sind: Flutopfer, Straßenkinder, Aidskranke.
Für all diese Formen des Engagements will ich heute 14 Mal Danke sagen. Und ich möchte den Wunsch äußern: Bleiben Sie weiterhin so aktiv und verstehen Sie sich als Vorbilder und Botschafter der Nächstenliebe! Frei nach dem Motto: „Tu Gutes und rede darüber.“ Ich weiß: Ehrenamtler sind in eigener Sache oft sehr zurückhaltend und bescheiden. Springen Sie da gelegentlich über den eigenen Schatten! Erzählen Sie über Ihre Projekte und nutzen Sie Gelegenheiten, Mitstreiter zu gewinnen! Diese Ordensverleihung soll beides sein:
Dank an die jungen Menschen hier im Saal und Einladung zum Nachmachen an die jungen Menschen in ganz Deutschland.
Ich würde mich freuen, wenn Sie dabei mithelfen!