Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratuliert Albrecht Weinberg zum 100. Geburtstag am 7. März. Der Bundespräsident schreibt:
Sie schauen auf ein langes und bewegtes Leben zurück. Geboren wurden Sie in Ostfriesland. Ab Ihrem achten Lebensjahr änderte sich mit der nationalsozialistischen Machtübernahme alles. Es begannen Jahre eines schier unvorstellbaren Schreckens. Zunächst durften Sie nicht mehr die deutsche Volksschule besuchen, 1938 mussten Sie nach Angriffen bei den Novemberpogromen gemeinsam mit Ihrer Schwester Friedel Ihren Heimatort verlassen. Von Schwerin aus wurden Sie beide zur Zwangsarbeit verschleppt und im April 1943 nach Auschwitz deportiert. Zusammen mit Ihrem Bruder Dieter erlitten Sie das Grauen von Monowitz – zwei Jahre lang, ehe man Sie auf Todesmärschen im Winter 1945 nach Mittelbau-Dora deportierte und über Neuengamme in das KZ Bergen-Belsen brachte.
Sie haben überlebt, gemeinsam mit Ihren Geschwistern. Ihre Eltern und andere Familienmitglieder wurden ermordet. Nach dem Krieg verließen Sie mit Ihrer Schwester Deutschland und emigrierten nach New York. 1985 besuchten Sie zum ersten Mal Ihren ostfriesischen Geburtsort, ehe Sie 2012 nach Leer zurückkehrten.
Lieber Herr Weinberg, ich möchte Ihnen versichern, dass Sie nicht allein sind mit Ihrer Sorge und Ihrem Kampf gegen den wieder erstarkenden Antisemitismus. Es gibt zahlreiche Bürgerinnen und Bürger, Politikerinnen und Politiker, die diese Sorgen teilen und sich für eine starke Demokratie, den Schutz von Minderheiten und jüdischem Leben in unserem Land einsetzen.
Ich habe in den letzten Tagen oft an unser Telefonat vom 10. Februar 2025 denken müssen. Sie haben Ihre bittere Sorge über die aktuellen politischen Entwicklungen geäußert und als Konsequenz daraus Ihr Bundesverdienstkreuz zurückgegeben. Begründet haben Sie dies auch damit, es Ihren ermordeten Verwandten und getöteten Mithäftlingen schuldig zu sein. Ich respektiere Ihre Entscheidung, dennoch schmerzt sie mich sehr. Denn unsere Bundesrepublik, die Ihnen diesen Orden verliehen hat, steht nach wie vor zu Geschichtsverantwortung und Menschenwürde. Und ich als Bundespräsident stehe an Ihrer Seite. Deshalb bleiben die Würdigung und Wertschätzung Ihrer Verdienste ungeschmälert bestehen.
Ihre Geschichte ist eine Mahnung für uns nachfolgende Generationen. Ihr unermüdliches Engagement darin, Schülerinnen und Schüler über die Vergangenheit aufzuklären, hat mich bereits zu Beginn meiner Amtszeit beeindruckt. Der Besuch der Gedenkstätte Bergen-Belsen im September 2022 und unser dortiges Zusammentreffen haben mich sehr bewegt.
Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute und möchte Ihnen versichern: Unser Kampf für Freiheit und Demokratie wird nicht vergebens sein.