Zu Rosch ha-Schana sende ich meine besten Wünsche an die jüdische Gemeinschaft in Deutschland! Rosch ha-Schana ist ein Fest der Freude und des Nachdenkens. In diesem Jahr ist Ihr Herz sicher schwer.
Fast ein Jahr liegt der 7. Oktober nun schon zurück, der Tag, an dem die Hamas mit unvorstellbarer Grausamkeit Israel überfallen hat. Dieser Tag war eine Zäsur in der Geschichte Israels und sicher auch in Ihrem Leben. Viele von Ihnen werden das Gefühl haben, dass nichts mehr so ist wie zuvor. Die Angst, nirgends mehr sicher zu sein, der Schrecken, die Sorgen sind allgegenwärtig. Viele von Ihnen haben Verwandte und Freunde in Israel. Sie kennen Menschen, die beim Überfall der Hamas getötet oder als Geisel verschleppt wurden und bangen und hoffen verzweifelt um sie. Einige von Ihnen haben in Ihren Familien Soldatinnen oder Soldaten, die jetzt in Gaza und an den Grenzen Israels im Einsatz sind. Und auch Sie sehen die Not der Zivilbevölkerung in Gaza.
Sie alle erleben, wie der Krieg im Nahen Osten auch das Zusammenleben in Deutschland verändert hat. Seit dem 7. Oktober hat der Antisemitismus in unserem Land weiter zugenommen. Ich empfinde das als unerträglich. Anfeindungen im Netz, auf der Straße, in Schulen und Universitäten, judenfeindliche Schmierereien an privaten Wohnhäusern und Brandanschläge auf Synagogen wie in Berlin und in Oldenburg – das alles führt dazu, dass sich Jüdinnen und Juden in unserem Land stärker bedroht fühlen und es auch sind. Mich schmerzt das sehr.
Und viele belastet auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine. Viele Jüdinnen und Juden, die heute in Deutschland leben und denen wir es zu verdanken haben, dass jüdisches Leben in unserem Land wieder aufgeblüht ist, haben familiäre Wurzeln in Russland und in der Ukraine. Viele Gemeinden haben seit 2022 Menschen aus der Ukraine aufgenommen. Auch sie sorgen sich um Angehörige und Freunde.
Umso mehr beeindrucken mich die Stärke und die Kraft der jüdischen Gemeinschaft. Erlebt habe ich das zuletzt beim Jüdischen Gemeindetag oder bei der Einweihung der neuen Synagoge in Potsdam, aber auch in vielen Gesprächen. Immer war zu spüren: So groß die Sorgen sind – die jüdische Gemeinschaft resigniert nicht. Ich möchte Ihnen zu diesem Rosh ha-Schana sagen: Jüdinnen und Juden gehören zu diesem Land, und Deutschland bleibt ein Zuhause für sie. Und wir werden nicht nachlassen, jede Form des Antisemitismus zu bekämpfen.
Zu Rosch ha-Schana gehören traditionell Granatäpfel. Gute Taten und glückliche Momente mögen so zahlreich sein wie die Kerne in der Frucht, das ist der Wunsch, der sich damit verbindet. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen von Herzen: Mögen Sie glückliche Momente haben im Jahr 5785, das hoffentlich ein friedlicheres werden wird!
Schana tova u-metuka!