Bundespräsident Steinmeier gratuliert dem PEN-Zentrum Deutschland

Schwerpunktthema: Pressemitteilung

19. Juni 2024

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 19. Juni dem Präsidenten des PEN-Zentrums Deutschland José F. A. Oliver zum 100-jährigen Bestehen der Schriftstellervereinigung gratuliert. Der Bundespräsident schreibt:

Die im PEN versammelten Schriftstellerinnen und Schriftsteller setzen sich vor allem ein für die Freiheit des Wortes und der Schrift, wo immer sie in der Welt bedroht ist. Und das bedeutet: Sie setzen sich ein für die Freiheit von Schriftstellerinnen und Schriftstellern. Schriftsteller wissen: Das Wort und die Freiheit gehören unbedingt zusammen. Wo das Wort, wo Sprache und Schrift nicht frei sind, da ist auch kein Mensch, da ist auch die Gesellschaft als ganze nicht frei.

Wo Wort, wo Sprache und Schrift von Zensur jeder Art bedroht sind, wo die Freiheit des Wortes sogar mit Verfolgung, mit Folter und Gefängnis, ja mit dem Tod bedroht wird, da gibt es keine Möglichkeit, eine eigene Beschreibung der Wirklichkeit zu formulieren und die eigene Erkenntnis der Wahrheit öffentlich zum Ausdruck zu bringen.

Schriftstellerinnen und Schriftsteller sind die Ersten, die wissen, wie unmöglich es ist, die eine Wahrheit zu sagen. Jede Sache kann unter vielen Aspekten betrachtet werden, jedes Ding hat mindestens zwei Seiten, jede Wirklichkeit kann mit verschiedenen Augen gesehen werden. Gerade deswegen muss Freiheit herrschen. Damit Spruch und Widerspruch existieren können, damit Rede und Gegenrede möglich sind, damit die Entsprechung zwischen Wort und Wirklichkeit überprüft werden kann.

Gerade die Geschichte der deutschen Literatur im zwanzigsten Jahrhundert kennt die Verfolgung von Autoren durch die Diktatur, das Exil wurde zum Überlebensort vieler der bedeutendsten und besten deutschen Autoren, wie Thomas und Heinrich Mann, Bertolt Brecht, Nelly Sachs, Mascha Kaléko und so vielen, vielen anderen. Ich weiß, dass deswegen gerade im deutschen PEN die Verpflichtung lebendig ist, sich für die ungehinderte Schreib- und Ausdrucksmöglichkeit, für die Freiheit vor Zensur und diktatorischer Willkür einzusetzen.

Oft kommt heute die Bedrohung für das freie Wort aus intoleranten, ja fanatisierten Bewegungen, aus Boykottaufrufen und massiven Einschüchterungen bis hin zum brutalen Angriff auf das Leben. Hier muss die Devise sein: keine Toleranz der Intoleranz! Die wichtigen Programme des PEN, ‚Writers in Prison‘, ‚Writers in Exile‘, sind und bleiben unersetzlich. Sie haben viele Schriftstellerinnen und Schriftsteller weltweit vor Gefangenschaft, vor Gefahr für Leib und Leben bewahrt oder aus Verfolgung, Verbannung oder Gefängnis befreit. Gerade weil das freie, wahre Wort so mächtig sein kann, gerade das leise, das bescheidene, das vorsichtig-tastende Wort, gerade darum zittern die Herren der Lüge, darum zittert die Lüge der Herrschenden vor ihm.

Ich wünsche dem PEN in Deutschland von Herzen alles erdenklich Gute zum Jubiläum, und ich wünsche Ihnen und uns allen, die wir für die Freiheit und die Demokratie stehen, weiterhin eine erfolgreiche und wirkungsvolle Arbeit. Bei allen aktuellen Streitfragen um den richtigen Kurs, den der PEN in Deutschland für die Zukunft einschlagen soll, bin ich doch in einem ganz sicher: Das gemeinsame Ziel der Freiheit und Sicherheit von Autorinnen und Autoren ist so stark und so bedeutend, dass es uns verbinden kann und muss.