Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratuliert dem Historiker Heinrich August Winkler zum 85. Geburtstag am 19. Dezember. Der Bundespräsident schreibt:
"'Ein guter Historiker muss alt werden‘, hat Leopold von Ranke einst geschrieben. Aber nicht jeder alte Historiker ist gut, möchte man augenzwinkernd hinzufügen. Die Bedeutung Ihres Lebenswerks überragt die Zahl der gelebten Jahre, lässt sie unerheblich scheinen und uns hoffen, weiter von der Klarheit Ihrer Analyse und der Eleganz Ihrer Autorenschaft profitieren zu können. In diesem Sinne gratuliere ich Ihnen herzlich zu Ihrem 85. Geburtstag und wünsche Ihnen ungebrochene Schaffenskraft.
Nach meiner Auffassung hat niemand so souverän zunächst über die Arbeiterbewegung, dann aber weit umfassender über die inneren Widersprüche der Weimarer Republik geschrieben wie Sie, niemand anderer die bestimmenden Momente und Kräfte unserer neueren Geschichte zwischen Nationswerdung, Unfreiheit und spätem Aufbruch zur Demokratisierung so pointiert ausgeleuchtet. Das Opus Magnum über den 'langen Weg nach Westen' hat nun schon Generationen von Historikerinnen und Historikern inspiriert, motiviert, ob zum Widerspruch oder zur Vertiefung der These. Mit Ihren zeitgeschichtlichen Forschungen haben Sie nicht nur in der Wissenschaft im In- und Ausland Maßstäbe gesetzt. Auch für die Politik sind Sie ein kluger Ratgeber. Aus Ihren Werken kann man lernen, wie wichtig und hilfreich historische Kenntnis und Erkenntnis für die Orientierung in der Gegenwart sind – gerade auch im Hinblick auf politische Entscheidungen.
Am Anfang Ihres späteren großen Werkes 'Werte und Mächte. Eine Geschichte der westlichen Welt' stellen Sie Fragen an die Geschichte, die uns bei der Lösung der gegenwärtigen Probleme umtreiben. In einer Welt, die aus den Fugen geraten ist, vermittelt uns Ihre Erzählung der Geschichte des Westens wichtige Einblicke und Denkanstöße. Wer Demokratie in unserem Land verteidigen will, muss ihre Geschichte und ihre Bedingungen genauso kennen wie die ihrer Gegner, muss die Sinne für historische Kontinuitäten und Brüche schärfen und weiter in die Vergangenheit schauen.
Gerade in diesen Zeiten brauchen wir mehr denn je Orientierung und Einsichten, die uns zeigen, was aus der Geschichte für die Gegenwart und Zukunft gelernt werden kann.
Nicht zuletzt wegen Ihres engagierten Werbens für einen 'aufgeklärten, selbstkritischen Patriotismus' fühle ich mich Ihnen eng verbunden.
Für all das sage ich Ihnen heute meinen Dank."