Zukunft der Paulskirche – Bundespräsident nimmt Empfehlungen der Expertenkommission entgegen

Schwerpunktthema: Pressemitteilung

21. April 2023


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat heute die Empfehlungen zur Entwicklung der Paulskirche und des Hauses der Demokratie vom Vorsitzenden der Expertenkommission Volker Kauder entgegengenommen. Zuvor würdigte er die Bedeutung der Frankfurter Paulskirche als einen "der herausragenden Orte der deutschen Demokratiegeschichte von gesamtstaatlicher Bedeutung. Die Nationalversammlung, die dort vor 175 Jahren tagte, die vorangegangene Revolution, die das Parlament erst möglich gemacht hatte, und die Verfassung mit den Grundrechten, die in Frankfurt beschlossen wurde, – all dies markiert einen der großen Wendepunkte in der deutschen Geschichte, nämlich den Moment, als aus Untertanen Bürger wurden und ein Geist der Freiheit erwachte, der sich – jedenfalls auf lange Sicht – nicht länger unterdrücken ließ.

Der Bundespräsident hatte die Kommission angeregt, um die Frankfurter Paulskirche zu einer modernen Erinnerungsstätte für die Demokratie weiterzuentwickeln, die am authentischen Ort die Vermittlung von historischem Wissen mit politischer Bildung und demokratischen Debatten verbindet.

Der Bundespräsident würdigt das Jubiläum 175 Jahre Märzrevolution von 1848 mit einer Reihe von Terminen. Am 17. März hatte er zu einem "Republikanischen Bankett" eingeladen und eine Rede gehalten. Am 18. März nahm er an der Eröffnung des "Berliner Wochenendes für Demokratie" zum 175. Jahrestag der Märzrevolution teil. Und am 27. März besichtigte er zusammen mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas das Original der Paulskirchenverfassung von 1849, das in einer Ausstellung im Bundestag gezeigt wird.

Der 18. Mai bildet schließlich den Höhepunkt des Gedenkens. An diesem Tag jährt sich das Zusammentreten der Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt am Main zum 175. Mal. Der Bundespräsident hat die Schirmherrschaft über die Feiern übernommen. Beim Festakt in der Paulskirche hält er die Festrede; anschließend nimmt er an der Eröffnung des Demokratiefestes auf dem Römerberg teil.

Wortlaut des Statements des Bundespräsidenten bei der Übergabe der Empfehlungen der Expertenkommission Paulskirche:

Änderungen vorbehalten.
Es gilt das gesprochene Wort.

Im Sommer 2020 kamen hier in Schloss Bellevue Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft, des Bundes, des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt am Main zu einem 'Paulskirchen-Gipfel' zusammen. Einige von Ihnen waren damals mit dabei. Gemeinsam haben wir darüber diskutiert, wie wir die Paulskirche weiterentwickeln können: zu einem Ort nicht nur für honorige Festakte und Preisverleihungen, sondern auch für moderne Erinnerungsarbeit und lebendige Demokratievermittlung. Es bestand damals rasch ein breiter Konsens darüber, eine Kommission aus klugen Köpfen einzusetzen, um Empfehlungen für die Zukunft der Paulskirche zu erarbeiten.

Diese Kommission hat gearbeitet, ihre Ergebnisse liegen jetzt vor und ich freue mich sehr, dass ich Sie heute zur Präsentation dieser Empfehlungen begrüßen kann. Herzlich willkommen in Schloss Bellevue!

Die Geschichte ist bekanntlich die Lehrmeisterin des Lebens und deshalb bleibt richtig: Was sich nicht wiederholen soll, das darf nicht vergessen werden. Für uns Deutsche heißt dies: Dem Blick in den Abgrund der Shoah dürfen wie nie ausweichen; die dunklen Seiten unserer Vergangenheit dürfen wir nie verdrängen.

Wir sollten uns zugleich daran erinnern, was in der Geschichte gelungen ist, was Vorbild ist, was Mut macht für die Zukunft. Deshalb ist mir die Pflege unserer Demokratiegeschichte wichtig, die Erinnerung an die Wegbereiter und Protagonistinnen von Freiheit und Demokratie, und auch die Pflege der Orte, an denen sich ihr Wirken manifestiert.

Die Paulskirche ist einer der herausragenden Orte der deutschen Demokratiegeschichte von gesamtstaatlicher Bedeutung. Die Nationalversammlung, die dort vor 175 Jahren tagte, die vorangegangene Revolution, die das Parlament erst möglich gemacht hatte, und die Verfassung mit den Grundrechten, die in Frankfurt beschlossen wurde, – all dies markiert einen der großen Wendepunkte in der deutschen Geschichte, nämlich den Moment, als aus Untertanen Bürger wurden und ein Geist der Freiheit erwachte, der sich – jedenfalls auf lange Sicht – nicht länger unterdrücken ließ.

Die Paulskirche in Frankfurt ist bisher unter ihren Möglichkeiten geblieben. Sie hat – jedenfalls bezogen auf ganz Deutschland – auch nicht die Wertschätzung bekommen, die sie vor dem Hintergrund ihrer Geschichte verdient. Gerade in einer Zeit, in der Freiheit und Demokratie von innen und außen wieder stärker unter Druck geraten, sollten wir das Potential der Paulskirche noch stärker nutzen. Sie könnte zusammen mit einem künftigen ‚Haus der Demokratie‘ zu einem bundesweit beachteten Ort werden, der die Vermittlung von historischem Wissen, politischer Bildung und demokratische Debatte verbindet.

Ein Ort, der uns daran erinnert, wie mühsam und verletzlich Freiheit und Demokratie sind, der uns aber zugleich Mut macht, unser Schicksal immer wieder selbst in die Hand zu nehmen und es niemals wieder Autokraten und Extremisten zu überlassen.

Mein besonderer Dank gilt Volker Kauder und allen Mitgliedern der Kommission, die ihre Erfahrung und ihr Wissen in die Beratungen eingebracht haben. Die Geschichtswissenschaft, die historisch-politische Bildung, Denkmalpflege, Architektur und Städtebau – sie alle waren in der Kommission durch hervorragende Vertreterinnen und Vertreter Ihres Faches präsent.

Dass es einem Gremium, das voll besetzt ist mit Professoren und Geistesgrößen, an Effizienz und Entscheidungsfreude mangele – das ist eine Legende, die für die Nationalversammlung historisch längst widerlegt ist, und auch die Empfehlungen der Expertenkommission strafen diese Legende Lügen.

Ich bin sicher, dass Ihre Empfehlungen dazu beitragen, der großen Vergangenheit der Paulskirche auch eine große Zukunft anzufügen. Die Paulskirche ist ein herausragender Ort der deutschen Demokratiegeschichte; sie ist ein Schatz von nationaler Bedeutung. Wir sollten ihn bundesweit noch stärker zum Glänzen bringen!