Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärt zu seiner Reise in die Ukraine:
Ich bin sehr froh, heute in der Ukraine zu sein. Seit acht Monaten führt Russland einen brutalen und rechtswidrigen Angriffskrieg. Mir ist es wichtig, gerade jetzt, in der Phase der niederträchtigen russischen Luftangriffe im ganzen Land, ein Zeichen der Solidarität an die Ukrainerinnen und Ukrainer zu senden.
Ich freue mich auf das Treffen mit Präsident Selensky in Kiew – und auf die Begegnungen mit den Menschen im Norden des Landes, wo ich mir ein Bild machen will von ihrem Leben mitten im Krieg.
Ich blicke mit großer Bewunderung auf den Mut, die Tapferkeit, die Unbeugsamkeit der Menschen in der gesamten Ukraine: an der Front im Osten, in den Städten und den ländlichen Regionen, auch in den befreiten Gebieten, die ich heute besuche.
Meine Botschaft an die Menschen in der Ukraine ist: Ihr könnt Euch auf Deutschland verlassen! Wir werden die Ukraine weiter unterstützen: militärisch, politisch, finanziell und humanitär. Und eben auch ganz konkret vor Ort – durch viele zwischenmenschliche und kommunale Verbindungen, die wir heute in Korjukiwka exemplarisch zeigen wollen.
Und zugleich geht meine Botschaft an die Deutschen daheim: Vergessen wir niemals, was dieser Krieg für die Menschen hier bedeutet! Bei allen Härten und Lasten, die der Krieg auch für uns in Deutschland mit sich bringt: Sehen wir einen Moment lang durch die Augen der Ukrainer, dann wissen wir, dass sie unsere volle Solidarität und Unterstützung brauchen – solange es nötig ist.
Zentral wichtig ist jetzt, die Menschen hier vor den perfiden Angriffen der russischen Raketen und Kamikaze-Drohnen zu schützen. Deutschland hat frühzeitig entschieden, die Ukraine auch in diesem Bereich gezielt zu unterstützen. Heute ist Deutschland im Bereich der Luftverteidigung der führende Ausrüster der Ukraine.
Neben der militärischen Unterstützung geht es heute auch um Hilfe beim Wiederaufbau – gerade jetzt vor dem nahenden Winter. Es geht darum, zerstörte Infrastrukturen möglichst schnell zu reparieren, Stromnetze, Wasserleitungen, Heizungen instand zu setzen, Versorgungsengpässe zu beheben. Viele deutsche Partnerstädte und -gemeinden leisten dabei große Hilfe. Gemeinsam mit dem Präsidenten der Ukraine werde ich heute die Schirmherrschaft über das Deutsch-Ukrainische Städtepartnerschaftsnetzwerk übernehmen. Je mehr Partnerschaften es werden, umso besser wird es gelingen, den Winter durchzustehen und langfristig gemeinsam an der europäischen Zukunft zu bauen.
Unsere Solidarität ist ungebrochen, und so wird es bleiben.
Im Zentrum des Besuches des Bundespräsidenten steht die Lage im Land unter den seit Wochen andauernden russischen Luftangriffen. Der Bundespräsident wird sich im Oblast Tschernihiw und in der Hauptstadt Kiew einen persönlichen Eindruck von den Zerstörungen machen und das Gespräch mit der betroffenen Zivilbevölkerung suchen. Bei den russischen Luftangriffen kommt es immer wieder zu schweren Schäden an der zivilen Infrastruktur, insbesondere Strom- und Wärmekraftwerken, an nicht-militärischen Einrichtungen und zu Toten und Verletzten unter der Zivilbevölkerung.
Die Bundesrepublik ist für die ukrainische Flugabwehr der führende militärische Ausrüster. 30 GEPARD-Flugabwehrkanonenpanzer, drei Mars-II-Systeme, über 3.000 Panzerfäuste und zuletzt das erste von vier Luftverteidigungssystemen IRIS-T SLM, eines der modernsten Luftverteidigungssysteme der Welt, haben in den vergangenen Tagen ihre Effektivität gegen russische Marschflugkörper und Drohnen unter Beweis gestellt. Deutschland wird zügig weitere militärische Beiträge leisten, die die ukrainischen Streitkräfte in die Lage versetzen, die Bevölkerung vor Angriffen aus der Luft zu schützen.
Militärische Hilfe und bereits jetzt begonnener Wiederaufbau ergänzen sich. Die Hilfe bei Wiederaufbau und ökonomischer Stabilisierung wird auf der zwischenstaatlichen und europäischen Ebene koordiniert, finanziert und umgesetzt. Zeitgleich zur Reise des Bundespräsidenten findet auf Einladung der Bundesregierung in Berlin eine internationale Expertenkonferenz zum Thema Wiederaufbau statt, zu der auch der ukrainische Ministerpräsident Schmyhal anreist.
Vor Ort in der Ukraine wird die zivile Unterstützung und Wiederaufbau-Hilfe aus Deutschland auch von Städtepartnerschaften, kommunalen Netzwerken und lokalen zivilgesellschaftlichen Initiativen umgesetzt. Um diese konkrete Hilfe in Städten, Dörfern und Kommunen weiter zu fördern, übernehmen Bundespräsident Steinmeier und der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selensky, gemeinsam die Schirmherrschaft über das Deutsch-Ukrainische Städtepartnerschaftsnetzwerk. Das Städtepartnerschafts-Netzwerk umfasst derzeit 107 Partnerschaften, während des Krieges sind bereits 34 neu dazugekommen. Anlässlich des Besuches des Bundespräsidenten werden die beiden Staatspräsidenten einen gemeinsamen Appell verabschieden, der Städte und Gemeinden in beiden Ländern dazu aufruft, neue Partnerschaften zu bilden. Sie sind entscheidender Kanal für effektive, konkrete Hilfe und Solidarität vor Ort.
Vor der Begegnung mit Präsident Selensky in Kiew wird Bundespräsident Steinmeier am Dienstag das nordukrainische Städtchen Korjukiwka nahe der belarusischen Grenze besuchen, das zu Beginn des Angriffskrieges von russischen Truppen besetzt war. Die Stadt konnte sich befreien, hat aber nun vor dem hereinbrechenden Winter mit zerstörten Infrastrukturen und Versorgungsengpässen zu kämpfen. Der Bundespräsident wird dort Winterhilfe für die kommunale Energie-Infrastruktur übergeben. Beim ersten Besuch des Bundespräsidenten in Korjukiwka im Oktober 2021 hatte der Bürgermeister der Stadt den Wunsch nach einer Städtepartnerschaft mit Deutschland geäußert. Der Bundespräsident hat daraufhin den Kontakt mit der Stadt Waldkirch im Breisgau hergestellt. Nun wird anlässlich des erneuten Besuches in Korjukiwka der Anbahnungsbeschluss der Stadt Waldkirch für eine Städtepartnerschaft offiziell übergeben.