Bundespräsident gratuliert Alexander Kluge

Schwerpunktthema: Pressemitteilung

11. Februar 2022


Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat dem Autor und Regisseur Alexander Kluge zum 90. Geburtstag am 14. Februar gratuliert. Der Bundespräsident schreibt:

Mein Glückwunsch gilt einem großartigen Schriftsteller und Filmemacher, der – wie es vor Kurzem in einer Zeitung so treffend formuliert wurde – 'ein Spurensucher im Strandgut der Geschichte' ist.

Das Verlangen, zu verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält, ist die Triebfeder Ihres Wirkens. Die unterschiedlichen Facetten unseres Lebens, die Gesamtheit menschlichen Tuns, das Verstreute der gegenständlichen Welt suchen Sie in ihren Zusammenhängen zu erfassen.

Ich kenne keinen Schriftsteller und Filmemacher, der mit solch leiser und sanfter Intensität auf Spurensuche geht und dabei eine eigene, unvergleichliche Sprache entwickelt hat. Aus Ihrer Leidenschaft, zu schreiben, zu erzählen, die Wirklichkeit auszuzeichnen, ist Ihr Opus magnum ‚Chronik der Gefühle‘ entstanden. Wie ein Nachkomme der byzantinischen Weberin Arachne – so haben Sie es selbst einmal beschrieben – verweben Sie dabei Stoffe aus Geschichte und Gegenwart. Die Dichte Ihrer literarischen Figuren zählt zu einer der höchsten der deutschsprachigen Literatur.

Auf unvergleichliche Weise vereinen Sie in Ihrem Werk tiefe Menschlichkeit mit tiefer Skepsis gegenüber dem, was Menschen denken und hervorbringen können. Am eigenen Leib haben Sie als Kind in Ihrer Geburtsstadt Halberstadt erfahren, wie grausam und menschenverachtend Ideologien sein können. Alle verordneten Weltanschauungen sind Ihnen ein Gräuel. Mit Ihren Filmen, Büchern und Essays haben Sie uns die Augen geöffnet, vor allem über das Land, in dem wir leben, und über die Zeit, in der wir leben.

Dem einzelnen Leben zu seinem Recht verhelfen, das einzelne Leben in seiner Einzigartigkeit darzustellen und zu erhalten – dafür steht Ihr Werk ganz besonders.

Sie haben uns mit Ihrem Wirken etwas geschenkt, das einzigartig ist: ein Archiv unserer Hoffnungen und Irrtümer, unserer Sehnsüchte und unseres Versagens. Dafür sage ich Ihnen heute meinen Dank. Ihr Werk ist ein beeindruckender Spiegel unseres Landes und ein bleibender Teil seines literarischen und filmischen Erbes.