Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 14. August 2017 das Gesetz zur Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vorschriften ausgefertigt und den Auftrag zur Verkündung im Bundesgesetzblatt erteilt. Zeitgleich mit der Ausfertigung hat er in gleichlautenden Schreiben an die Bundeskanzlerin, den Präsidenten des Deutschen Bundestages und die Präsidentin des Bundesrates Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift innerhalb des Gesetzespakets geäußert.
Der Bundespräsident hat das Gesetz im Rahmen der ihm gemäß Art. 82 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zukommenden Prüfungskompetenz eingehend auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft.
Das Gesetzespaket enthält 23 Einzelgesetze, vor allem zum bundesstaatlichen Finanzausgleich und zum Haushaltsrecht. Es ist Teil der Reform der föderalen Finanzbeziehungen und beinhaltet unter anderem die einfachgesetzlichen Folgeregelungen des bereits am 13. Juli 2017 ausgefertigten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes.
Mit dieser vorangegangenen Grundgesetzänderung wurde die bisher von den Ländern im Auftrage des Bundes geführte Verwaltung der Bundesautobahnen in bundeseigene Verwaltung überführt (Art. 90 Abs. 2 GG). Zu diesem Zweck errichtet das ausgefertigte Gesetz das Fernstraßen-Bundesamt, das zum 1. Januar 2021 auch die Durchführung von Planfeststellungs- und Plangenehmigungsverfahren für den Bau und die Änderung von Bundesautobahnen übernehmen soll. Abweichend hiervon und von der Anordnung der bundeseigenen Verwaltung im Grundgesetz sieht § 3 Abs. 3 Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz – und damit auf nur einfachgesetzlicher Grundlage –die Zuständigkeit der Länder für diese Verwaltungsverfahren vor, wenn ein Land dies beim Fernstraßen-Bundesamt beantragt.
Der Bundespräsident hat erhebliche Zweifel, ob diese einfachgesetzliche Rückübertragungsmöglichkeit der Verwaltungsaufgaben vom Bund auf die Länder mit der in Art. 90 Abs. 2 GG angeordneten bundeseigenen Verwaltung der Bundesautobahnen vereinbar ist. Denn es spricht einiges dafür, dass die Rückübertragung von Verwaltungsaufgaben vom Bund auf die Länder nur dann zulässig ist, wenn das Grundgesetz dies in einer Öffnungsklausel vorsieht.
Der Bundespräsident hat das Gesetz trotz der Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der klar abgrenzbaren Einzelvorschrift des § 3 Abs. 3 Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz ausgefertigt. Dies geschah vor allem mit Blick auf die Gesamtkonzeption des Gesetzes als umfassendes sogenanntes Artikelgesetz einerseits und mit Blick auf die Befugnisse des Bundespräsidenten andererseits.
Durch seine Entscheidung möchte der Bundespräsident das Inkrafttreten der wichtigen übrigen Vorschriften – namentlich der Neuregelung der föderalen Finanzbeziehungen – ermöglichen. Denn anders als das Bundesverfassungsgericht, das einzelne Vorschriften eines Gesetzes für unwirksam erklären kann, ist der Bundespräsident gerade nicht befugt, ein ihm zur Ausfertigung vorgelegtes Gesetz nur teilweise in Kraft zu setzen. Das bedeutet, der Bundespräsident hat nur die Wahl, ob er das Gesetz als Ganzes oder gar nicht ausfertigt. Das ausgefertigte Gesetz enthält aber neben der eindeutig abgrenzbaren verfassungsrechtlich problematischen Regelung der einfachgesetzlichen Rückübertragungsmöglichkeit von Verwaltungsaufgaben im Bereich der Bundesautobahnen vom Bund auf die Länder zusätzlich zahlreiche bedeutende Gesetzesänderungen. So begründet das ausgefertigte Gesetz beispielsweise auch neue Ansprüche von Kindern alleinerziehender Elternteile auf Unterhaltsvorschuss. Der Bundespräsident hat das Gesetz trotz verfassungsrechtlicher Bedenken ausgefertigt, um den Weg für diese wichtigen gesetzlichen Neuerungen freizumachen, und um vor allem auch die notwendige und keine verfassungsrechtlichen Bedenken auslösende Neuregelung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs möglich zu machen.
Gleichzeitig hat der Bundespräsident in seinen Schreiben an die Bundeskanzlerin, den Präsidenten des Bundestages und die Präsidentin des Bundesrates darum gebeten, die verfassungsrechtlichen Zweifel im Hinblick auf § 3 Abs. 3 Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz auszuräumen und die Rechtslage klarzustellen, bevor die Änderungen im Grundgesetz und im Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz im Jahre 2021 zum Tragen kommen.