Grußwort von Bundespräsident Joachim Gauck zum jüdischen Neujahrsfest Rosch ha-Schana am 17. September 2012

Schwerpunktthema: Pressemitteilung

13. September 2012


"Zum ersten Mal grüße ich zum Neujahrsfest als Bundespräsident die Jüdische Gemeinschaft in unserem Land.

Beim Wechsel der Jahre schauen wir zurück und auch nach vorn. Wir sind dankbar für das Schöne, das wir im letzten Jahr erfahren durften, wir sind traurig über das, was misslungen ist und wir empfinden vielleicht Schmerz, weil wir von Freunden oder Verwandten Abschied nehmen mussten. Der Jahreswechsel ist immer ein Fest der Begegnung, der Familie, ein Fest des Austausches – des Erlebten und erneuerten Miteinanders.

Am Jahreswechsel schauen wir auch in die Zukunft. Jeder hat ganz privat seine Hoffnungen und Sorgen – und ich wünsche jedem Einzelnen, dass das kommende Jahr voller guter Erfahrungen sein möge.

Ich weiß aber, dass viele Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland auch mit Unsicherheit in die Zukunft schauen. Manche sorgen sich sogar um die Zukunft des jüdischen Lebens in Deutschland. Auch wenn ich eine solche Sorge verstehen kann, so teile ich sie doch nicht.

Für mich ist vollkommen klar und eindeutig: Jüdisches Leben gehört zu Deutschland - heute und in Zukunft. Jüdische Gemeinden sind Teil unserer Gesellschaft und jüdischer Glauben und jüdische Lebenspraxis sind Teil unserer Kultur. Das ist selbstverständlich. Das muss selbstverständlich bleiben.

Aber bestürzt, traurig und erzürnt bin ich darüber, dass kürzlich jüdische Menschen bedroht und angegriffen worden sind, weil sie Juden sind. Das ist ein beschämender Vorgang, der alle Menschen guten Willens in unserem Land empört. Solche Untaten müssen streng verfolgt und bestraft werden.

Wir alle müssen wachsam sein, aber Angst darf und braucht uns nicht zu lähmen. Wir sehen ja auch: Die Gemeinden wachsen und sind lebendig. Jüdisches Leben blüht. Es gibt viel Engagement, gerade auch in der jüngeren Generation. Oft sind es, wie ich höre, gerade die jüdischen Gemeinden, in denen vor Ort der Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen stattfindet. Das ist gut und das ist Anlass zu Freude und Dankbarkeit.

Ganz ausdrücklich danke ich allen, die sich in den Gemeinden, aber auch an vielen anderen Orten und auf vielfältige Weise für unser Gemeinwesen einsetzen.

Ich wünsche allen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern ein gutes, gesundes und erfolgreiches neues Jahr. Shalom und Mazel Tov!"