Bundespräsident Joachim Gauck hat am 11. Mai beim Staatsbesuch des israelischen Präsidenten ein Pressestatement in Schloss Bellevue gehalten:
Herr Präsident, meine Damen und Herren, für uns Deutsche ist das ein Festtag: dieser Besuch im 50. Jahr nach der Aufnahme der deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen. Ich habe Sie begrüßt mit dem Hinweis darauf, dass die Sonne scheint und es ist so: die politischen Verhältnisse weder in Ihrer Region, noch in unserer Region sind besonders sonnig.
Aber unsere Freundschaft ist nach wie vor etwas, was niemand in Frage stellt. Unsere engen, unsere besonderen, unsere unverbrüchlichen Beziehungen sind es, die uns und mir Grund zur Freude geben. Ich freue mich, dass Sie ein umfangreiches Programm zum Teil mit mir zusammen abwickeln können. Ich freue mich auf den Festakt morgen in der Philharmonie.
Ich empfinde tiefe Dankbarkeit dafür, dass wir nach wie vor davon ausgehen können, dass das Vertrauen, das andere Israelis vor 50 Jahren anderen Deutschen entgegen gebracht haben, dass das nach wie vor existiert, dass es sogar gefestigt ist, dieses Gefühl der Freundschaft. Wir wissen, dass uns die Vergangenheit mit dem Menschheitsverbrechen des Holocaust in eine unauflösliche Verbindung gebracht hat, aber wir wissen auch, dass es nicht nur die Vergangenheit ist, die uns verbindet, sondern dass es die Werte, an die wir glauben, sind, die uns verbinden. Wir haben unabhängig voneinander zu einer Wertegrundlage gefunden, die uns in intensiver Weise verbindet. Es ist nicht nur die Vergangenheit, die unsere Freundschaft stiftet.
Einen ganz wesentlichen Anteil an dieser Art von Verbindung haben die vielfältigen Kontakte, die nicht nur zwischen den jeweiligen Regierungen entstanden sind – jetzt haben wir jährliche Regierungskonsultationen zum Beispiel –, es sind auch die Kontakte der Zivilgesellschaft, der Wissenschafts- und Technologiecommunity, es sind die Künstler, die Schriftsteller, die Journalisten, es ist die jeweilige Diskursszene der Länder, die zueinander in enger Beziehung steht. Ich bin dankbar für jedes neue Kooperationsprojekt zwischen unseren Wissenschaftlern, den Studierenden und den Künstlern.
Es freut mich, dass wir in den letzten Jahren zunehmend nicht nur Besucher, sondern auch Bewohner, die länger bleiben, in der Stadt haben, speziell aus Israel. Die junge Generation hat Berlin entdeckt, alle schreiben darüber, alle sprechen darüber und es ist nicht so, dass sie die Städte des Grauens jetzt sehen, sondern ein Klima des Miteinanders. Ein weltoffenes Berlin, das für ein weltoffenes Deutschland steht, das sich zusammen mit allen anständigen Menschen wehrt, gegen jeden neuen und alten Antisemitismus, wenn er denn in Deutschland auftritt. Wir haben immer mehr Menschen auf der Straße, die gegen Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus protestieren, als es die Verwirrten sind, die dieses verderbliche Gedankengut an den Tag bringen.
Wir haben uns auch über Segmente der Politik unterhalten, bei denen Deutsche und Israelis noch unterschiedliche Ansichten haben. Das betrifft die Debatte darum, welches der richtige Umgang mit dem Iran ist. Der Herr Präsident hat Gelegenheit genommen, die nicht nur von der Regierung, sondern von der Bevölkerung empfundene intensive Bedrohung von Seiten des Irans dazustellen. Ich habe versucht zu erklären, warum Deutsche wie auch US-Amerikaner aus ihrer engen Verbindung mit Israel heraus, aus ihrer unverbrüchlichen Treue zum Staat Israel und seiner Existenz heraus, hier möglicherweise einen anderen Weg gehen werden, als den, den Israel für richtig hält. Ich habe darum geworben, dass wir unsere Freundschaft nicht belasten dadurch, dass wir in einem derartigen Punkt wie auch bei dem Zwei-Staaten-Problem unterschiedliche Auffassungen haben.
Ja, wir sehen immer noch die Verpflichtung, einer Zwei-Staaten-Lösung zum Durchbruch zu verhelfen. Aber wir hören natürlich auch die intensiven Bedenken aus Israel und diese Bedenken gewinnen auch nochmal ein eigenes Gewicht, wenn sie eine unabhängige Persönlichkeit wie Präsident Rivlin vorträgt. Das alles ist natürlich mehr Angelegenheit einer Bundesregierung als die des Präsidenten. Aber der Präsident unterhält sich mit der Regierung und dem Parlament über die Grundlinien der deutschen Außenpolitik und da wird er natürlich mit seinem Gast auch über die Probleme sprechen, die zwischen uns zu lösen sind, und nicht nur über die Festtage, die uns verbinden, wenn wir den Jahrestag der Aufnahme der Beziehungen feiern.
So hoffe ich, dass dieser Besuch – und ich hoffe es nicht nur, ich bin sicher –, unabhängig partieller Differenzen bei der Beurteilung bestimmter Politikfelder, einen weiteren Ausbau der Freundschaft und eine Intensivierung unserer freundschaftlichen Beziehung mit sich bringt. Ich selber werde am späteren Jahr in Israel sein. Der Präsident hat schon angekündigt, dass er sich dann weiter mit mir unterhalten wird. Ich komme mit keinen neuen politischen Lösungen, dafür wäre die Regierung zuständig. Sondern ich komme mit einem kulturellen Geschenk, nämlich mit dem Thomanerchor, der dann Bachs wunderschöne Musik in der Weihnachtszeit musizieren wird. Das habe ich bisher bei all meinen früheren Besuchen in Israel noch nicht erleben können. Ich bin ganz gespannt, ob uns das zusätzlich verbindet, wenn wir dann gemeinsam diesem Event beiwohnen. Herr Präsident, ich freue mich auf die gemeinsamen Tage. Seien Sie noch einmal von Herzen willkommen!