Der Bundespräsident hat am 7. Mai der "Jüdischen Allgemeinen" anlässlich des 50. Jahrestages der Aufnahme Diplomatischer Beziehungen zwischen Israel und der Bundesrepublik Deutschland ein Grußwort geschickt:
Es gibt ein wunderbares Foto, das für mich sehr viel vom Anfang und vom Wesen der deutsch-israelischen Geschichte erzählt. Aufgenommen hat es Micha Bar-Am, der erste und bis heute einzige israelische Fotograf der legendären Fotoagentur Magnum
.
Gerade er, der 1930 als Berliner Junge geboren wurde und noch rechtzeitig fliehen konnte, bevor der Vernichtungswille der Nazis ihn treffen konnte, hat dieses Bild aufgenommen, in dem so viel erzählt wird von der deutsch-israelischen Beziehung. Micha Bar-Am, der heute noch in Israel lebt, ist ein lebendiger Zeuge für die große, blühende deutsch-jüdische Kultur, die von 1933 an systematisch zerstört wurde.
Das Foto ist 1966 im Kibbuz von Ben Gurion, dem ersten Premierminister Israels, entstanden. Wir sehen den ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer, dessen Blick in weite Ferne geht, als erinnere er in diesem Moment die ganze Geschichte der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland und auch die Geschichte der deutschen Schuld – und als versuche er gleichzeitig, sich eine gemeinsame neue Zukunft vorzustellen. Und wir sehen Ben Gurion, der dem Bundeskanzler a.D. seine eigenen Hoffnungen für die Zukunft engagiert auszumalen scheint.
Zwei alte Männer, die zu viel Geschichte erlebt haben, um sich Illusionen zu machen, die aber auch genug Geschichte erlebt haben, um zu wissen, wie notwendig und wichtig ein neuer Anfang sein wird. Zwei tapfere, erfahrene Männer, die den Mut besaßen, sich und ihren Völkern einen gemeinsamen Weg zuzumuten und zuzutrauen – gegen teilweise erheblichen Widerstand in den eigenen Reihen. Nach der Shoah war es alles andere als selbstverständlich, dass es zu dieser Geschichte kommen konnte und zu dieser stellvertretenden Begegnung der beiden Männer, die nichts ausklammern mussten aus der Vergangenheit – und die gerade deshalb entschieden nach vorne sehen wollten und konnten.
Und weil mit ihnen auch viele andere diesen Mut zu einem neuen Anfang hatten, deswegen konnte Zukunft möglich werden, jene Zukunft, die in Gestalt der beiden jungen Soldaten interessiert und hoffnungsvoll von außen durchs Fenster schaut. Sie möchten wissen, wie – und sie hoffen, dass es einen Weg in eine gemeinsame Zukunft gibt. Ja, es sind Soldaten: Die Zukunft Israels musste sich als wehrhaft erweisen, sein Existenzrecht wurde und wird noch immer von einigen seiner Nachbarn bestritten. Und Deutschland wird als Freund an Israels Seite stehen – nun offiziell seit fünfzig Jahren.
Längst haben sich viele Beziehungen zwischen Deutschland und Israel entwickelt, kleine und große. Städtepartnerschaften, kirchliche Gruppen, Austausch im wirtschaftlichen, im kulturellen, im wissenschaftlichen Rahmen. Viele Deutsche fahren gerne nach Israel, viele auch mehr als nur einmal. Und viele Israelis kommen nach Deutschland, es werden sogar immer mehr – und vor allem Berlin ist es, das gerade die jungen Leute anzieht. Micha Bar-Am sieht das übrigens mit großer Freude.
Die Juden in Deutschland, die sich selbstverständlich zu ihrer deutschen Heimat bekennen, stehen genauso selbstverständlich – manchmal mit Hoffen und manchmal mit Bangen – an der Seite Israels. Mit ihnen allen hoffe ich auf eine gute und sichere Zukunft Israels. Unsere Freundschaft, unsere Partnerschaft, unsere brüderlich-schwesterliche Solidarität hat fünfzig gute Jahre hinter sich – unsere gemeinsame Geschichte geht weiter. Sie bleibt eine Partnerschaft, die weit mehr ist als diplomatische Beziehungen
– und sie wird Bestand haben in guten und in schweren Zeiten.