"Ortszeit Deutschland" – Bundespräsident Steinmeier reist mit Zeit nach Espelkamp

Schwerpunktthema: Bericht

12. März 2024

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat seinen Amtssitz für drei Tage nach Nordrhein-Westfalen verlegt. Vom 12. bis 14. März führte er seine Amtsgeschäfte von Espelkamp aus. "Die Haltung in dieser Stadt ist das Entscheidende", sagte Bundespräsident Steinmeier nach drei Tagen Ortszeit. "Man schaut nach vorn. Und da, wo sich Herausforderungen zeigen, packt man an und krempelt die Ärmel auf."

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern aus Espelkamp

Espelkamp war die zehnte "Ortszeit Deutschland" des Bundespräsidenten, bei der er in die Regionen fährt, um mit Bürgerinnen und Bürgern unmittelbar, offen, kontrovers und respektvoll ins Gespräch zu kommen. Der Bundespräsident sucht sich bewusst Orte aus, die – auf sehr unterschiedliche Weisen – gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel gestaltet haben und selten im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung stehen.

Die Stadt Espelkamp liegt im Nordosten Nordrhein-Westfalens und hat rund 27.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Die Stadt begeht in diesem Jahr ihr 75-jähriges Bestehen. Ihre Entstehung ist eng mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland verbunden, die sich in diesem Jahr ebenfalls zum 75. Mal jährt. Als Modellprojekt wurden in Espelkamp Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten angesiedelt. Die Geschichte von Espelkamp steht nicht nur beispielhaft für die Herausforderungen bei der Aufnahme und Integration von Millionen von Heimatvertriebenen. Die Stadt ist bis heute durch starken Zuzug geprägt: Arbeitskräfte aus dem Ausland, Aussiedler aus Osteuropa und in den letzten Jahren Geflüchtete haben in Espelkamp eine neue Heimat gefunden.

Deutschlandkarte mit den bisherigen Stationen der 'Ortszeit Deutschland' von Bundespräsident Steinmeier

Der Bundespräsident begann seinen Besuch in einem Jugendzentrum und ließ sich von Jugendlichen ihre Stadt zeigen. Er traf Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker und kam auf dem Wochenmarkt mit Marktbesucherinnen und Marktbesuchern ins Gespräch. Er eröffnete zudem die Ausstellung "Neu anfangen. Nur wie? Espelkamp und andere 'Flüchtlingsstädte‘ in den 1950er Jahren" mit einer Ansprache. Kuratiert wurde die Schau vom Deutschen Auswandererhaus Bremerhaven.

An der Bischof-Hermann-Kunst-Schule hat die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler eine Migrationsgeschichte, einige haben auch Fluchterfahrungen. Im Gespräch mit Schülerinnen und Schülern erfuhr der Bundespräsident mehr über ihre Familiengeschichte, ihr Leben in Espelkamp und ihre Pläne für die Zukunft. Er zeigte sich beeindruckt von den Lehrkräften der Schule, die Kindern und Jugendlichen mit mangelhaften Sprachkenntnissen in wenigen Monaten grundlegendes Deutsch beibringen und es binnen anderthalb Jahren schafften, sie in den normalen Schulbetrieb zu überführen.

Beim Besuch der Freien Evangelischen Bibelgemeinde stand ebenfalls das Thema Zuwanderung im Fokus. Ihre Geschichte ist vom Zuzug deutschstämmiger Aussiedler aus der einstigen Sowjetunion geprägt. Die Gemeinde engagiert sich besonders bei der Versorgung und Unterbringung von Geflüchteten aus der Ukraine. Im Gespräch mit den Gemeindemitgliedern dankte ihnen der Bundespräsident für ihr Engagement.

Ein fester Bestandteil des Programms jeder Ortszeit ist die "Kaffeetafel kontrovers": Menschen mit unterschiedlichen Sichtweisen kommen in konstruktiver Atmosphäre miteinander ins Gespräch. In Espelkamp sind der geplante Neubau eines Krankenhauses und damit verbundene geplante Rodungen sowie Mobilität im ländlichen Raum zwei Themen, die die Einwohner besonders beschäftigen. Die 'Kaffeetafel kontrovers' zeigt, dass es gelingen kann, sich auch bei unterschiedlichen Positionen mit Argumenten auszutauschen. Vor allen Dingen einander zuzuhören und zu zeigen, dass nicht Lautstärke allein die Kommunikation bestimmen darf, sondern dass auch die Qualität von Argumenten dazu gehört, sagte der Bundespräsident im Anschluss an die Diskussionsrunde.

Bundespräsident Steinmeier spricht mit Bürgerinnen und Bürgern bei der "Kaffeetafel kontrovers" im Bürgerhaus

Da die Ortszeit mit dem Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan zusammenfällt, kam der Bundespräsident gemeinsam mit Musliminnen und Muslimen aus Espelkamp zum Fastenbrechen zusammen.

Bundespräsident Steinmeier beim Fastenbrechen mit Musliminnen und Muslimen im Rathaus

Der Bundespräsident hat an seinem dritten Besuchstag in Espelkamp das Neue Ausbildungszentrum (NAZHA) der Technologiefirma Harting besucht. 1945 als "Garagen-Start-up" gegründet, ist das Familienunternehmen inzwischen ein Global Player mit 6.500 Mitarbeitenden, Produktionsstandorten auf allen Kontinenten und einem Milliardenumsatz. Die vom Unternehmen gefertigten modernen Steckverbindungen sind unverzichtbar für eine elektrifizierte und dekarbonisierte Welt und kommen etwa in der E-Mobilität zum Einsatz. Der Bundespräsident informierte sich hier über die Fachkräftegewinnung im ländlichen Raum sowie über das unternehmerische Engagement gegen Rassismus. Die Firma gehöre zu jenen Unternehmen, die ausdrücklich und öffentlich vor Extremismus in unserem Land warnen, sagte der Bundespräsident nach dem Besuch. Dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen gehe kaum ohne diejenigen, die in den vergangenen Jahren hinzugekommen sind und weiter kommen, so der Bundespräsident weiter. Deshalb brauchen wir auch ein Klima, in dem diese Menschen sich sicher und aufgehoben fühlen. 

Die Ortszeit endete mit einer Ordensveranstaltung im Schloss Benkhausen im Ortsteil Gestringen. Der Bundespräsident verlieh hier engagierten Bürgerinnen und Bürgern aus Nordrhein-Westfalen den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland.

Bundespräsident Steinmeier überreicht einen Orden an Peter Trapski

"Ortszeit Deutschland"

Espelkamp in Nordrhein-Westfalen war nach Meiningen und Altenburg in Thüringen, Eckernförde in Schleswig-Holstein, Senftenberg in Brandenburg, Völklingen im Saarland, Freiberg in Sachsen, Neustrelitz in Mecklenburg-Vorpommern, Rottweil in Baden-Württemberg und Quedlinburg in Sachsen-Anhalt die zehnte Station der "Ortszeit Deutschland".

Der Bundespräsident bringt Zeit mit, ist ansprechbar und sucht spontane Begegnungen. Er möchte erfahren, was den Menschen Mut und Hoffnung macht und was sie skeptisch gegenüber unserer Demokratie und ihren Institutionen werden lässt. Er will Eindrücke davon gewinnen, was die Menschen vor Ort umtreibt und auch motiviert, Verantwortung zu übernehmen, und was dies für politische Entscheidungsträger bedeuten kann. Bundespräsident Steinmeier zum Konzept seiner Ortszeiten in den Regionen: Demokratie braucht Austausch, Austausch braucht Nähe, Nähe braucht Begegnung, und Begegnung braucht Zeit.

Kurzprogramm

Dienstag, 12. März

  • Bahnhof Espelkamp
    Ankunft und Begrüßung durch Henning Vieker, Bürgermeister von Espelkamp
  • Jugendzentrum Real Life
    Begrüßung durch Jugendliche, Besuch des Jugendzentrums und gemeinsamer Gang durch die Stadt
  • Rathaus
    Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Espelkamp
  • Kommunalpolitisches Gespräch mit dem Bürgermeister und sechs Fraktionsvorsitzenden
  • Hotel Mittwald
    Aufnahme der Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten am Amtssitz
  • Alte Gießerei
    Rundgang und Ansprache bei der Eröffnung der Ausstellung "Neu anfangen. Nur wie? Espelkamp und andere 'Flüchtlingsstädte' in den 1950er Jahren"

Mittwoch, 13. März

  • Bischof-Hermann-Kunst-Schule
    Besuch der Schule und Gesprächsrunde mit Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern
  • Begegnung mit Schülerinnen und Schülern während der Großen Pause
  • Freie Evangelische Bibelgemeinde Espelkamp
    Gespräch mit Gemeindemitgliedern
  • Bürgerhaus
    "Kaffeetafel kontrovers" des Bundespräsidenten, Diskussion mit Bürgerinnen und Bürgern
  • Rathaus
    Fastenbrechen mit Musliminnen und Muslimen

Donnerstag, 14. März

  • Neues Ausbildungszentrum Harting (NAZHA)
    Rundgang und Gespräche, u.a mit Auszubildenden
  • Schloss Benkhausen
    Ordensverleihung an engagierte Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfalen