Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den 2011 verstorbenen Humoristen Loriot zu dessen 100. Geburtstag am 12. November gewürdigt:
Ich gebe es zu. Ich bin mitschuldig an einer kleinen zoologischen Sensation. Brandenburg an der Havel ist zum weltweit wohl einzigen Biotop geworden, in dem die Wilden Waldmöpse ihr Zuhause haben – jene Spezies, die einst Loriot entdeckt hatte. Vom gewöhnlichen Mops unterscheiden sie sich durch ihr kleines elchartiges Geweih. Restbestände dieses seltenen Tieres hatten in den dichten Wäldern Nordskandinaviens überlebt. 2015 aber wurden die Wilden Waldmöpse in Brandenburg an der Havel ausgewildert, wo sie bis heute zu besichtigen sind. Und das kam so:
Mit einer aufrechten Schar kulturinteressierter Bürgerinnen und Bürger hatte ich dort einen Kulturverein gegründet. Brandenburg an der Havel war mein Wahlkreis als Bundestagsabgeordneter. Verschiedenes hatten wir bereits gemeinsam auf die Beine gestellt, der Verein war lebendig und ideenreich, bis wir uns eines Tages die Frage stellten: Was können wir zur Bundesgartenschau beitragen, die 2015 bei uns stattfinden sollte – und könnte es etwas mit Loriot zu tun haben, dem großen Sohn dieser Stadt, der er bis zu seinem Tod eng verbunden blieb? Mit seiner Stiftung hat er zur Renovierung der Kirche Sankt Gotthardt beigetragen, in der er als Vicco von Bülow getauft worden war.
Aber wie kann man Loriot würdigen, ohne gleichzeitig seinem Spott ausgesetzt zu sein – auch posthum? Wer Loriot ehren will, kommt sich irgendwie immer vor, als wolle er, eifrig bemüht und ehrlich empfunden, etwas Würdevolles sagen, habe dabei aber eine Nudel auf der Nase. So kann noch das ernstgemeinteste Wort nur Lachen hervorrufen. Hildegard, bitte sagen Sie jetzt nichts! Also kam ein konventionelles Denkmal nicht in Frage. Loriot auf einem Podest wäre uns vorgekommen wie eine ewige Nudel auf der Nase. Nein, sagen Sie noch nichts, Hildegard!
Ein Wettbewerb, den wir ausschrieben, brachte eine Idee, für die wir uns sofort begeistern konnten, vorgeschlagen und dann auch ausgeführt von einer damals noch ganz jungen Innenarchitekturstudentin, Clara Walter: ein Denkmal-Sockel ohne Denkmal, lediglich mit den Fußabdrücken eines anwesend-abwesenden Loriot, entschwunden und doch irgendwie geheimnisvoll präsent.
Um das Denkmal herum sollte das erste und bis heute einzige Wilde-Waldmops-Zentrum der Welt entstehen. Lauter ausgewilderte Waldmöpse bevölkern seitdem das Stadtgebiet. Sie sind zwar aus Bronze und daher regungslos und absolut stumm, aber diese unbewegliche Zurückhaltung hat, wie es der Berichterstatter der 'Welt' seinerzeit wohl nicht zu Unrecht vermutete, das Überleben der Waldmöpse höchstwahrscheinlich überhaupt erst ermöglicht.
Um diese Auswilderung zu finanzieren, um an verschiedenen Stellen der Stadt inzwischen mehr als zwanzig Wilde Waldmöpse in ihren verschiedenen Lebenslagen und bei verschiedensten Verrichtungen erscheinen zu lassen, haben uns Künstlerinnen und Künstler wie Armin Müller-Stahl, Sten Nadolny, Gerhard Polt, Günter Grass oder Martina Gedeck durch Benefizveranstaltungen unterstützt. Spenden von örtlichen Kaufleuten kamen dazu. Dafür sind wir ihnen bis heute dankbar. Was wären die Wilden Waldmöpse ohne tatkräftige Unterstützung durch Liebhaber ihrer Existenz?
Dass einige, wohl ortsfremde, Liebhaber so weit gingen, ihre Zuneigung durch Entwenden von inzwischen zwei der im Stadtgebiet sich freundlich und zugewandt zeigenden Tiere zum Ausdruck zu bringen, stößt auf meinen entschiedenen Protest. Wie ich aber die Waldmöpse kenne, werden unrechtmäßig Entwendete ihren Dieben kein Glück bringen. Dies als Warnung für künftige mögliche Täter!
Ich bin mir sicher: Loriot wäre glücklich darüber, dass seine Heimatstadt Brandenburg nun zum einzigen Waldmopsbiotop der Welt geworden ist. Und ich bin glücklich, dass ich mit meinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern dazu beigetragen habe, dass an der Existenz der Wilden Waldmöpse kein Zweifel mehr bestehen kann. Hildegard, sagen Sie doch etwas!