Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich am 9. Oktober zur Lage in Israel geäußert. Der Bundespräsident sagte vor einer Ordensverleihung in Schloss Bellevue:
Das sollte heute eigentlich ein ganz schöner und unbeschwerter Tag für Sie werden! Und mein Wunsch ist das auch weiterhin. Aber Sie haben Verständnis, wenn ich mit Blick auf die Lage im Nahen Osten diese Veranstaltung mit einigen nachdenklichen Worten eröffne. Denn während wir hier sitzen, weinen in Israel Familien um ihre ermordeten Angehörigen und Freunde, ringen Hunderte Schwerverletzte in Krankenhäusern um ihr Leben, bangen verzweifelte Familien um das Schicksal der verschleppten Geiseln.
Der bestialische Terrorangriff erschüttert uns alle. Die Hamas ist mordend und brandschatzend in Israel eingedrungen, sie tötet und entführt unschuldige Zivilisten – Junge, Alte, Männer und Frauen. Es ist kaum in Worte zu fassen, was die Menschen in Israel derzeit erleiden. Ausgerechnet an Simchat Tora, dem hohen jüdischen Feiertag, hat die Hamas diesen perfiden Terror nach Israel getragen. Hunderte fröhliche junge Leute, die ausgelassen und friedlich im Süden des Landes bei einem Musikfestival zusammengekommen waren, wurden grausam überfallen und mindestens 260 von ihnen regelrecht abgeschlachtet. Junge Menschen, die ihr Leben noch vor sich hatten. Wir alle haben Bilder gesehen. Bilder, die nicht zu ertragen sind.
Unsere volle Solidarität gilt unseren angegriffenen israelischen Freunden; wir nehmen Anteil an den vielen Toten und Verletzten; wir sind in Gedanken bei denen, die noch immer um Leib und Leben fürchten, die nicht wissen, wo ihre Töchter, Brüder oder Großmütter sind. Am Samstag, wenige Stunden nach dem Angriff, konnte ich mit dem israelischen Präsidenten Herzog telefonieren. Wir kennen uns beide lange, sind uns nahe und waren bei den nicht wenigen Krisen im Nahen Osten immer im Kontakt. Aber: So erschüttert habe ich den Freund und Kollegen noch nie erlebt.
Israels Sicherheit war nie selbstverständlich, musste immer verteidigt werden. Das galt seit der Gründung vor 75 Jahren, das gilt gerade jetzt und auch in den kommenden Wochen. Israel hat den Kriegszustand verhängt und muss sich mit aller Kraft gegen Terror verteidigen. Und Israel hat ein Recht darauf, sich selbst und sein Volk zu verteidigen. Dies hat gestern der amerikanische Präsident Biden noch einmal öffentlich bekräftigt.
Aber auch wir hier in Deutschland müssen nun besonders wachsam sein. Wir müssen das jüdische Leben in unserem Land schützen und uns stark und entschlossen gegen jede Form von Antisemitismus und Israelhass stellen. Wir können es nicht dulden, wenn auf offener Straße versucht wird, die brutalen Attacken auf Israel auch noch zu feiern. Wer diesen Terror bejubelt, der entwürdigt nicht nur die Opfer, der tritt auch die Menschenwürde und unsere deutsche Verfassung mit Füßen. Solches Verhalten entsetzt mich, es widert mich an.
In dieser schweren Zeit steht Deutschland fest an der Seite Israels. Darauf kann sich das israelische Volk, und darauf können sich auch Jüdinnen und Juden in Deutschland verlassen.
Meine Damen und Herren, liebe Gäste, in Gedenken an die Opfer, möchte ich Sie bitten, sich für eine Schweigeminute vom Platz zu erheben.