Nicht entdeckt zu werden, das ist für ein U-Boot das Wichtigste. U33 beherrscht diese Kunst ziemlich gut. Mit seiner geschmeidigen Form und der glatten Außenhaut ist es von fremden Sonargeräten schwer zu orten.
An diesem Dienstag aber taucht U33 in der Bucht seines Heimathafens Eckernförde auf wie ein neugieriger Wal. Denn es kommt Besuch. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird gleich an Bord gehen und dann gemeinsam mit der Besatzung Foxtrott zu einer Tauchfahrt starten.
Der Bundespräsident ist für seine achte "Ortszeit" nach Eckernförde gereist. Drei Tage nimmt er sich Zeit, um hier mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und die Lage der Stadt zu erkunden. Dazu gehört auch ein Besuch bei der Marine, die mit ihrem hiesigen Standort der größte Arbeitgeber in Eckernförde ist. Und die Zeichen stehen auf Wachstum: Die Zahl der Dienstposten soll sich mittelfristig auf 4.000 verdoppeln. Für die Menschen in der alten Fischerstadt ist die Marine eine Selbstverständlichkeit – viele Eckernförder arbeiten hier als zivile Beschäftigte oder dienen als Soldatinnen und Soldaten.
Das Sonnenlicht gleißt auf dem Wasser, heftig peitscht der Wind in die Segel der kleinen Yachten in der Bucht. Die Welle macht es dem vergleichsweise kleinen U-Boot nicht ganz leicht, ruhig im Wasser zu liegen. Ein schnelles Schlauchboot einer Kampfschwimmereinheit gleitet übers Wasser und legt sich dann an die Leeseite von U33, eine Strickleiter rollt sich die Außenhaut hinunter. Stufe für Stufe klettert Bundespräsident Steinmeier am Rumpf des U-Bootes hinauf. Ein Pfiff, ein Kommando – und das Staatsoberhaupt ist für die kommenden zwei Stunden an Bord.
Die Szenerie mag filmreif sein, die Stimmung heiter – der Anlass für diesen Besuch allerdings ist ein ernster. Denn in Eckernförde ist die Zeitenwende genau hier an Bord zu spüren: An der Ostsee verläuft die Nordflanke der NATO. Und die Schiffe des 1. U-Bootgeschwaders der Marine sind dort zu Aufklärungsfahrten im Einsatz.
Dank an die Bundeswehr
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die Notwendigkeit der Bündnisverteidigung für viele Menschen hier in der Region offensichtlicher geworden. Die Bundeswehr mit ihren Aufgaben sichtbar zu machen, Kontakt mit den Soldatinnen und Soldaten zu suchen – das ist eines der Anliegen des Bundespräsidenten bei dieser Ortszeit.
Mehrere Leitern klettert Steinmeier hinunter in den Bauch des U-Boots, das inzwischen auf Tauchstation liegt. Hier unten, zwischen Dieselmotor, Elektromotor und Brennstoffzellenanlage, sieht es eher aus wie in einem Heizungskeller. Das Meer, das Tageslicht, die Seeluft – all das wirkt weit, weit weg. An den Wänden laufen Rohre und Kabelkanäle entlang. Es ist eng, gelbliches Licht erhellt den Raum, es riecht nach Diesel. Über den Köpfen der Soldaten hängen Müslipackungen und Aufbackbrote in Staunetzen. Kein Stück Platz kann hier verschenkt werden.
Der Bundespräsident lässt sich von den Soldaten erzählen, wie ihr Alltag an Bord aussieht. Sie berichten von ihren Einsätzen, während derer sie mitunter über Wochen nicht auftauchen. Schlafen in Sechs-Stunden-Schichten, lange Zeit kein Kontakt zu den Angehörigen, dafür aber Dauerkontakt zu den Kameraden – zu all dem muss bereit sein, wer auf einem U-Boot dienen will. Viele hier tun das schon etliche Jahre – es ist einfach Leidenschaft für genau diesen Beruf
, wie ein Soldat sagt.
Zwei Kampfschwimmer des Kommandos Spezialkräfte der Marine – einer Eliteeinheit der Marine – zeigen dem Gast, wie sie für einen verdeckten Einsatz möglichst unbemerkt das Schiff verlassen. Als der Bundespräsident bei ihnen ankommt, legen sie ihre gut 30 Kilo schwere Ausrüstung an und klettern nacheinander in ein Torpedorohr. 65 Zentimeter hat die schmale Röhre im Durchmesser, drin ist es stockdunkel. Mit einem sanften Klack schließt sich die Luke. Das Wasser im Inneren steigt. Die Spannung im U-Boot ebenfalls. Aus dem gefluteten Rohr gleiten die Schwimmer nach draußen. Im Ernstfall könnten sie drei Stunden unter Wasser bleiben und zu entfernten feindlichen Zielen schwimmen. Neben Leidenschaft gibt es deshalb auch große Anforderungen – die Kampfschwimmer kämpfen mit Nachwuchssorgen.
Frank-Walter Steinmeier, das wird deutlich, ist beeindruckt. Respekt und großen Dank für den wichtigen Beitrag zum Schutz unseres Landes und zur Verteidigung von Freiheit und Demokratie
zollt der Bundespräsident der Besatzung in seinem Eintrag ins Gästebuch von U33, bevor er sich verabschiedet.
Gemeinsam nach Lösungen suchen
Der Kontrast zum wehrhaften Gesicht der Marine könnte nicht größer sein als auf der Strandpromenade und auf dem Wochenmarkt, wo der Bundespräsident anderntags den Eckernfördern und Urlaubern begegnet. Mit Herzlichkeit und Applaus wird er überall empfangen. Es herrscht heiteres Badeortleben, Kinder spielen an der See, Rentnerinnen und Rentner verteilen sich auf die Strandkörbe oder kaufen in der Innenstadt ein. Kein Laden steht in der Fußgängerzone der hübschen Stadt leer. Das war nicht immer so. Durch die Gassen der Altstadt zog einst der intensive Geruch von Fisch und Rauch. In der alten Fischräucherei schaut sich der Bundespräsident an, wie schwer die Arbeit war, von der die meisten Eckernförder früher lebten.
Dass eines der Hauptprobleme der Stadt gerade mit ihrer Attraktivität zu tun hat, erfährt Bundespräsident Steinmeier am Nachmittag von den Gästen, die er zur traditionellen "Kaffeetafel kontrovers" eingeladen hat. Eckernförde wächst – auch deshalb, weil viele Menschen im Ruhestand hierher ziehen oder sich Großstädter einen Zweitwohnsitz zulegen. Das hat inzwischen zu großem Wohnungsmangel geführt, und dass künftig hier noch mehr Menschen bei der Marine arbeiten werden, wird das Problem noch verschärfen. Bezahlbaren Wohnraum zu finden ist wiederum eine Herausforderung, wenn es darum geht, dringend benötigtes Personal im Dienstleistungssektor zu finden. Wir haben nicht einmal mehr einen Fachkräftemangel, wir haben einfach Personalmangel
, sagt der Vorsitzende des Wirtschaftskreises, Eckard Voß. Der Hotelier Kevin Heide, der seit zwei Jahren nach einem Barkeeper sucht, meint: Man kann den Service, den man anbieten möchte, einfach nicht bereitstellen.
Und auch der Leiter der Stiftung Diakoniewerk Kropp, Jan Podgorski, sagt: Ich bekomme keine Arbeitskräfte, weil ich keinen Wohnraum anbieten kann.
Zum Teufelskreis wird das Problem dann bei der Stadtverwaltung: Zwar gibt es Bauprojekte, aber deren Genehmigung dauert viel zu lange, weil auch hier Personal fehlt.
Die Stadt und ihre Bürgerinnen und Bürger suchen miteinander nach Lösungen. Ein Gastronom erläutert das Modell eines "Crewhouses" für die Mitarbeiter, und die Bürgermeisterin sagt zu, die Anstrengungen im Rathaus für zügige Genehmigungen zu verstärken. In der Runde ist man sich einig: Man will sich künftig zu regelmäßigen Gesprächen treffen und die Probleme gemeinsam anpacken.
Die Kaffeetafel gehört zu jeder "Ortszeit". Wir brauchen möglichst viele Formate, in denen es zum direkten Gespräch zwischen Politikern und Bürgern kommt
, sagt der Bundespräsident. Damit nehmen wir den Verächtern der Demokratie das Argument, dass Bürger nicht gehört werden. Das ist entscheidend wichtig. Wenn ich hiermit ein Beispiel geben kann, dann gern.
Wie die praxisnahe Ausbildung von Fachleuten aussehen kann, das schaut sich Bundespräsident Steinmeier im Berufsschulzentrum an: Hier berichten ihm junge Männer von ihrer Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Sie beschäftigen sich mit der Installation von Windkraft- und Photovoltaikanlagen. Und das bedeutet heute ganz häufig auch, Solarzellen auf Ein- oder Mehrfamilienhäusern zu installieren.
Hier im Norden ist man im Vergleich zu anderen Bundesländern weit voraus mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien. Mindestens ein Drittel der neu gebauten Windanlagen ist im vergangenen Jahr hier in Schleswig-Holstein errichtet worden
, sagt Bundespräsident Steinmeier, als er sich am dritten Tag der "Ortszeit" einen Windpark vor den Toren Eckernfördes anschaut. Steinmeier will es ganz genau wissen, deshalb führt ihn sein Weg an diesem Morgen in knapp 140 Meter Höhe: Er steigt auf den Generator einer Windkraftanlage. Den größten Teil des Aufstiegs erledigt ein kleiner Aufzug im Inneren des Mastes – gesichert mit Klettergurt und Halteseil geht es dann ganz oben weiter.
Der Bundespräsident besucht den Onshore-Windpark, um zu zeigen, dass die Energiewende vorangetrieben werden muss: Der Kampf gegen den Klimawandel muss entschlossen geführt werden, dazu brauchen wir regenerative Energie und Dekarbonisierung
, sagt er. Außerdem müssen wir uns befreien von dem politischen Druck, der bei Abhängigkeit von fossilen Energierohstoffen immer wieder entstehen kann.
"Hier wird vernünftig miteinander umgegangen"
In Eckernförde, so das Fazit des Bundespräsidenten, sei der Wandel Normalität. Die Stadt habe Veränderung in vielfältiger Weise bewältigt. Früher war die Stadt geprägt von Fischerei und Fischverarbeitung, heute vom Tourismus.
Der Marinestandort habe nach dem russischen Überfall auf die Ukraine weiter an strategischer Bedeutung gewonnen. Die Sicherheit in der Ostsee müsse neu gedacht werden.
Ich kehre mit einem sehr positiven Eindruck nach Berlin zurück
, sagt Bundespräsident Steinmeier. Hier in Eckernförde wird so vernünftig miteinander umgegangen, dass die Zukunft hier gelingen wird.
Besuchsprogramm
Dienstag, 13. Juni
- Rathaus Eckernförde
Ankunft und Begrüßung durch Bürgermeisterin Iris Ploog - Eintrag ins Goldene Buch der Stadt
- Gespräch mit der Bürgermeisterin
- Gespräch mit Kommunalpolitikerinnen und -politikern
- Museum Alte Fischräucherei, Gudewerdtstraße 71
Besichtigung des Museums - Hotel Beachside
Aufnahme der Amtsgeschäfte des Bundespräsidenten am Amtssitz - Eckernförder Bucht
Besichtigung und Fahrt mit einem U-Boot
Mittwoch, 14. Juni
- Berufsbildungszentrum Rendsburg-Eckernförde, Fischerkoppel 8
Unterrichtsbesuch zum Thema Regenerative Energien - Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, Vogelsang 13
Besuch der Seenotrettungsorganisation - Land in Sicht Brauhaus, Am Exer 1
"Kaffeetafel kontrovers" des Bundespräsidenten, Diskussion mit Bürgerinnen und Bürgern
Donnerstag, 15. Juni
- Sehestedt, Denker & Wulf AG
Besuch und Gespräch mit der Unternehmensleitung sowie Mitarbeitenden - Windpark Holtsee
Besuch der Denker & Wulf AG, Besichtigung einer Windkraftanlage - Eckernförde, ArtHus Eckernförde, Ochsenkopf 2a
Besuch der Ausstellung von Armin Mueller-Stahl "Alle Kunst will Musik werden" - Evangelische Kirche St. Nicolai
- Ordensverleihung an engagierte Bürgerinnen und Bürger aus Schleswig-Holstein