Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am 5. Dezember in Schloss Bellevue acht Frauen und sieben Männer mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Unter dem Motto Mitmenschlichkeit leben: Wege aus der Armut schaffen
würdigte er zum Tag des Ehrenamtes ihren herausragenden Einsatz für das Zusammenleben in Deutschland.
Die 15 Bürgerinnen und Bürger setzen sich in herausragender Weise für benachteiligte Menschen ein – in Deutschland und weltweit. Sie ermöglichen Teilhabe, bieten medizinische Behandlung und soziale Unterstützung und bekämpfen Kinderarmut.
Folgende Bürgerinnen und Bürger wurden ausgezeichnet:
Dominik Bloh, Hamburg
Verdienstmedaille
Waschen ist Würde
– doch leider hat nicht jeder Mensch die Chance dazu.“ Dominik Bloh weiß aus eigener Erfahrung wie es sich anfühlt, auf der Straße zu leben, keine Möglichkeit zu haben, sich zu duschen, zu pflegen. Mit Mitstreitern gründete er die Initiative GoBanyo, die seit 2019 in Hamburg einen Duschbus betreibt. Der Bus sucht die Menschen vor Ort auf und bietet die Möglichkeit in privater Atmosphäre und ohne Zeitdruck zu duschen. Pflegeprodukte und frische Unterwäsche werden gestellt. Das Angebot wurde bereits mehr als 19.000 Mal in Anspruch genommen. Seit 2020 wird der Bus durch ein Duschdorf ergänzt. Als Sprecher der Initiative lenkt Dominik Bloh in Interviews und Talkshows den Blick auf obdachlose Menschen und ihre so selbstverständlichen Bedürfnisse.
Andreas Falk, Mühlhausen/Thüringen
Verdienstkreuz am Bande
Was innovative und nachhaltige Entwicklungshilfe vor Ort bewirken kann, zeigt das eindrucksvolle und jahrzehntelange Engagement von Andreas Falk in Nepal. Bei seinen Entwicklungsprojekten, die er als Vorsitzender der Deutsch-Nepalesischen Hilfsgemeinschaft organisiert, stellt er stets die Menschen vor Ort, ihre Bedürfnisse und vor allem ihre eigenen Fähigkeiten in den Mittelpunkt. So wurden die betroffenen Menschen bei seinen Bildungs- und Gesundheitsprojekten zu Mitgestaltern. Für Dorfschulen in abgelegenen Bergdörfern entwickelte er nicht nur innovative Unterrichtskonzepte, sondern auch ein erdbebensicheres Baumodell für Schulen und eine mobile ärztliche Versorgung. Die Sozialarbeit für arme und benachteiligte Mädchen erweiterte er um eine Mikrokreditgenossenschaft, um deren Mütter beim Aufbau einer eigenen Existenz zu unterstützen.
Ralf Hamm, Mülheim an der Ruhr/Nordrhein-Westfalen
Verdienstkreuz am Bande
Digitale Teilhabe kann ein Weg aus der Armut sein. Ralf Hamm will diesen Weg auch denen eröffnen, die sich keinen Computer leisten können. Er schloss sich der weltweit tätigen Organisation Labdoo an, die nicht mehr verwendete Rechner sammelt, repariert, mit Lernsoftware ausstattet und auch wieder zurücknimmt. 2012 hat er in Mülheim an der Ruhr den gemeinnützigen Förderverein Labdoo.org gegründet und ein Netzwerk von Helferinnen und Helfern in ganz Nordrhein-Westfalen aufgebaut. Inzwischen hat der Verein etwa 38.000 IT-Spenden an bedürftige junge Menschen verteilt, sei es in Afrika oder im Ruhrgebiet. Dank seiner Initiative konnten kurz nach Beginn der Corona-Pandemie hunderte von Schülerinnen und Schülern am Online-Unterricht teilnehmen. Nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 war er zur Stelle, als an Ahr und Erft dringend Geräte gebraucht wurden. Denn Ralf Hamm lebt Solidarität, nah wie fern.
Gerda Holz, Frankfurt am Main/ Hessen
Verdienstkreuz am Bande
Was heißt es für ein Kind, in Armut aufzuwachsen? Welche Verantwortung ergibt sich daraus für Politik und Gesellschaft? Gerda Holz hat diese Fragen vor mehr als 30 Jahren am Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik, das vom Bundesverband der Arbeiterwohlfahrt in Frankfurt am Main gegründet wurde, zu ihrem Forschungsschwerpunkt gemacht. Dabei hat sie Pionierarbeit geleistet. Die von ihr initiierten Studien haben in Bund, Ländern und Kommunen maßgeblich dazu beigetragen, dass heute konkrete Konzepte entwickelt werden, um Armutsfolgen zu bekämpfen und allen Kindern Teilhabe und Chancengleichheit zu ermöglichen. In Fachgremien, an runden Tischen und bei zahlreichen Projekten hat sich Gerda Holz unermüdlich für die Rechte der von Armut betroffenen oder bedrohten Kinder eingesetzt – auch, nachdem sie in den Ruhestand gegangen ist. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie ist sie eine wichtige und stets vernehmbare Stimme in unserem Land.
Helga Kepper, Wolfhagen/Hessen
Verdienstkreuz am Bande
Schon als Jugendliche hat sich Helga Kepper aktiv in ihrer Kirchengemeinde in Wolfhagen eingebracht. Seit Jahrzehnten ist sie eine verlässliche Stütze, wenn tatkräftige Hilfe gebraucht wird. Dabei hat sie vor nahezu 20 Jahren die Wolfhager Tafel zu einem Schwerpunkt ihres Wirkens gemacht. Sie hat die Tafel, deren Träger das Diakonische Werk Region Kassel ist, mit aufgebaut und setzt sich seitdem voller Energie dafür ein, dass Lebensmittel, die nicht verwendet werden, zu denen gelangen, die sie dringend benötigen. Mit der Wolfhager Tafel werden mehr als 450 bedürftige Menschen erreicht – davon 170 Kinder. Helga Kepper gilt als Herz und Motor der Tafel, sei es bei der Sammlung und Ausgabe der Lebensmittel, der Koordination des ehrenamtlichen Teams oder bei den wöchentlichen Tafelsprechstunden. Dass die Tafel in der Region so rundum positiv wahrgenommen wird, ist ganz maßgeblich ihr Verdienst.
Babette Limp-Schelling, Stäbelow/Mecklenburg-Vorpommern
Verdienstkreuz am Bande
Sie habe immer die Würde des Menschen im Blick, heißt es über Babette Limp-Schelling. Sie ist Geschäftsführerin des Rostocker Vereins Wohltat, und dieser Name ist Programm: Ihr herausragender Einsatz für Bedürftige prägt das soziale Miteinander in der Hansestadt seit 30 Jahren nachhaltig. Die Wohltat-Chefin hat mit ihrem Team die erste Rostocker Straßenzeitung Strohhalm gegründet und eine Suppenküche mit fünf Ausgabestellen eingerichtet. Als sie erfuhr, dass immer mehr Kinder hungrig zur Schule kamen, sorgte sie dafür, dass an einer Grundschule Kindern ein gesundes Frühstück angeboten wird. Diesem Vorbild folgten weitere Schulen. Damit denen, die sich an sie wenden, Mut gemacht und deren soziale wie wirtschaftliche Lage verbessert wird, hilft sie auch bei der Suche nach Wohnraum, bei Behördengängen und hat ein offenes Ohr für Anliegen aller Art.
Monika Orth, Mainz/Rheinland-Pfalz
Verdienstkreuz am Bande
Wenn der Patient nicht zum Arzt kann, muss eben der Arzt zum Patienten kommen.
Seit über 20 Jahren behandelt die Ärztin Monika Orth im Rahmen des Mainzer Modells der gesundheitlichen Versorgung wohnungsloser Menschen
diejenigen, die sich Arztbesuche nicht leisten können. Mit einem Arztmobil fährt sie überall dahin, wo sich wohnsitzlose Menschen aufhalten. Weil sie nicht nur mit Menschen, sondern auch mit Hunden gut umgehen kann, kümmert sich Monika Orth auch um die vierbeinigen Begleiter der Wohnsitzlosen. Sie geben Zuneigung und Stabilität. Deshalb lässt sie auch den Tieren ärztliche Versorgung zukommen, impft sie und sucht bei einem etwaigen Krankenhausaufenthalt der Besitzer nach einer Übergangslösung für die Hunde. Während der Corona-Pandemie organisierte Monika Orth darüber hinaus Impfaktionen für Menschen in sozialen Notlagen.
Catharina Paulsen, Kiel/Schleswig-Holstein
Verdienstkreuz am Bande
Seit 1996 engagiert sich Catharina Paulsen im Vorstand des Vereins Hempels für das soziale Straßenmagazin Hempels, das von Frauen und Männern verkauft wird, die sich in materiellen oder sozialen Schwierigkeiten befinden. Durch den Verkauf des Magazins erfahren sie gesellschaftliche Teilhabe und erhalten einen kleinen Zuverdienst. Neben der Straßenzeitung setzt sie sich für weitere soziale Angebote ein. So wurde in Zusammenarbeit mit der Stadt Kiel 2003 der erste deutschlandweite Trinkraum für alkoholkranke Menschen eröffnet, der als Vorbild für den Umgang mit Alkoholismus im öffentlichen Raum und als Schutzraum und Alternative zum Aufenthalt auf der Straße dient. Daneben unterhält der Verein das Café Zum Sofa
sowie eine Suppenküche und bietet neben einem Sozialdienst auch ein Treuhandkonto für Wohnungslose und andere Hilfesuchende an.
Karin Powser, Hannover/Niedersachsen
Verdienstkreuz am Bande
Was es heißt, obdachlos zu sein und auf der Straße zu leben, weiß Karin Powser aus eigenem Erleben. Und da sie auch weiß, wie wichtig Anlaufstellen für Menschen ohne Wohnung sind, hat sie viele Jahre im Kontaktladen Mecki des Diakonischen Werks Hannover ehrenamtlich mitgearbeitet. Bei ihrem Engagement ist es ihr ein besonderes Anliegen, obdachlosen und bedürftigen Menschen Chancen zu ermöglichen, damit sie durch eigene Arbeit würdevoll Geld verdienen können. 1994 war Karin Powser Mitgründerin der Straßenzeitung Asphalt-Magazin, bei der sie bis heute als Kolumnistin wirkt. Seit Ende der 1980er-Jahre arbeitet sie als Dokumentarfotografin. Ihre großformatigen Porträts von Menschen, die auf der Straße leben, wurden in ganz Deutschland ausgestellt und haben internationale Preise gewonnen. Mit ihnen hat Karin Powser Zeitdokumente geschaffen, die unseren Blick auf obdachlose Menschen verändert haben.
Peter Reibisch, Kiel/Schleswig-Holstein
Verdienstkreuz am Bande
Als Mitbegründer und Koordinator des Medibüros in Kiel setzt sich der Arzt Peter Reibisch seit vielen Jahren für die verwundbarsten Menschen unserer Gesellschaft ein. Dank ihm erhalten Menschen, die sich ohne einen Aufenthaltsstatus in Deutschland aufhalten und keinen Krankenversicherungsschutz haben, eine unentgeltliche medizinische Behandlung. Die Hilfesuchenden werden anonym behandelt, so dass sie ohne Angst vor Ausweisung die Hilfe in Anspruch nehmen können. Mit der Kampagne Fairer Start ins Leben
verbessert er die Versorgung von schwangeren Frauen und Neugeborenen ohne Versicherungsschutz. Er hat sich erfolgreich dafür eingesetzt, dass beim Gesundheitsamt Kiel eine Gynäkologin ausschließlich für diese Frauen beschäftigt wird. Über die Grenzen Schleswig-Holsteins hinaus macht sich Peter Reibisch für einen anonymisierten Krankenschein für Menschen ohne geregelten Aufenthaltsstatus stark.
Frater Prior Emmanuel Rotter OSB, München/Bayern
Verdienstkreuz am Bande
Schon früh erkannte Frater Emmanuel die große Not der Menschen, die auf der Straße leben. Zusammen mit einem Mitbruder des Klosters St. Bonifaz in München begann er, bedürftige Menschen mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Zudem richteten sie ein kleines Behandlungszimmer für die medizinische Versorgung ein. Bald diente der Gästespeisesaal der Abtei als Essensausgabe und Aufenthaltsraum für Obdachlose. Frater Emmanuel überzeugte Abt und Konvent, einen Teil des Klostergartens für die Errichtung eines Sozialhauses zu nutzen. 2001 wurde das Haneberghaus eröffnet, das seitdem etwa 200 bedürftigen Personen täglich eine Essensausgabe, soziale Beratung, eine Kleiderkammer mit Duschen und eine eigene Arztpraxis anbietet. Ferner können Obdachlose die Klosterpforte als Postadresse nutzen und so die für die Teilhabe wichtige Erreichbarkeit sicherstellen.
Phil Sahner, Saarbrücken/Saarland
Verdienstkreuz am Bande
Sich in die Pflicht nehmen lassen – das war für Phil Sahner Ausgangspunkt seines ehrenamtlichen Wirkens. Er ist Immobilienkaufmann und verbringt im Winter viele Abende nach seinem Berufsalltag beim Kältebus Saarbrücken, einem Verein, den er selbst 2014 ins Leben gerufen hat. Mit einem Team von 150 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und einem 10-köpfigen Vorstand gibt er in der kalten Jahreszeit von Mitte Dezember bis Ende März allabendlich warmes Essen an obdachlose Menschen aus und schafft warme Schlafstellen. Damit in der Corona-Pandemie die Hilfe nicht zum Erliegen kommen musste, hat Phil Sahner den Bus, der unter Corona-Bedingungen nicht den notwendigen Platz bietet, durch ein großes Zelt ersetzt. Mit seinem im besten Sinne bürgerschaftlichen Engagement ist Phil Sahner ein herausragendes Vorbild für gelebte Solidarität und Mitmenschlichkeit.
Barbara Scharfbillig, Wittlich/Rheinland-Pfalz
Verdienstkreuz am Bande
Die Bildungs- und Lebensbedingungen von benachteiligten Kindern und Jugendlichen in Namibia zu verbessern, steht im Zentrum des beeindruckenden Engagements von Barbara Scharfbillig. Bereits mit 27 Jahren gründete sie den deutsch-namibischen Verein Suni, der Brennpunktschulen in der Omahake-Region in Namibia unterstützt. Dort kümmerte sie sich nicht nur um den Bau und die Renovierung von Schulen und Kindergärten, sondern entwickelte Bildungsprojekte mit Lehrerinnen und Lehrern aus Deutschland und Namibia. So erstellte sie Lernmaterialien, die an namibischen und deutschen Schulen genutzt werden und dadurch auch zum interkulturellen Verständnis zwischen den Menschen aus beiden Ländern beitragen. Dieses Herzensanliegen fördert Barbara Scharfbillig auch als Leiterin des deutsch-namibischen Kunstprogramms Art for Education.
Hildegard Strutz, Neustadt am Rübenberge/Niedersachsen
Verdienstkreuz am Bande
Kinder und Jugendliche, die sozial benachteiligt sind, an Kunst und künstlerisches Gestalten heranzuführen und dadurch zu fördern, ist das Ziel von Hildegard Strutz. Sie leitet die Kunstschule Pinx im Kunstverein Schwarmstedt und ist Vorsitzende des Vereins Pinx an Schulen. Mit neuen Konzepten wie Offene Ateliers
und Schutzraum für Kinder
hat sie die Kunstschule zu einer Institution gemacht, in der Integration und Solidarität lebendig werden. So hat Pinx 2016 im Ankunftszentrum Bad Fallingbostel-Oerbke für die oftmals traumatisierten Kinder und Jugendlichen geflüchteter Familien ein mobiles Atelier eingerichtet. Als eine der ersten Kunstschulen hat Pinx zu Beginn der Corona-Pandemie ein Online-Angebot ins Leben gerufen und ebenfalls als eine der ersten im Mai 2020 wieder ihre Türen geöffnet – mit einem als Vorbild dienenden Hygieneplan. Hildegard Strutz zeigt, wie Kunst den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken kann.
Frank Zander, Berlin
Verdienstkreuz 1. Klasse
Seit fast drei Jahrzehnten ist die Weihnachtsfeier für Obdachlose mit Gänsebraten, Livemusik und Sachspenden eine feste Größe im Berliner Kalender. Ermöglicht wird sie von Frank Zander als Ideen- und Gastgeber und von Mitstreiterinnen und Mitstreitern, die Räumlichkeiten und Logistik eines Hotels zur Verfügung stellen und bei der Essensausgabe unterstützen. Von anfangs 800 stieg die Zahl der Gäste auf beinahe 3.000 und doch wurde der Charme einer innigen Familienfeier mit Herzenswärme beibehalten. Als das Hotel aufgrund der Corona-Pandemie nicht mehr für die Feier genutzt werden konnte, machte Frank Zander aus der Not eine Tugend. Seither verteilt er das Essen mit Foodtrucks und erreicht so über mehrere Tage hinweg die Menschen an verschiedenen Orten der Stadt.