Der Bundespräsident hat in einem Brief an die Stiftung 20. Juli 1944 an den Aufstand vor 75 Jahren erinnert:
Sehr geehrter Herr Professor von Steinau-Steinrück,
in wenigen Tagen jähren sich die dramatischen Ereignisse des 20. Juli 1944 zum 75. Mal. Der Jahrestag ist erneut Anlass, aller Frauen und Männer des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus, ihres großen Mutes und ihrer hohen Opferbereitschaft zu gedenken.
Nie war die Chance auf die Befreiung von Hitler und seinem Regime größer und keine Widerstandstat hat mehr Aufmerksamkeit erregt, als der Aufstand am 20. Juli 1944. Gleichwohl wissen wir heute, dass der Widerstand viele Formen hatte. Jeder, der seine Möglichkeiten nutzte, um die Verbrechen des Regimes zu vereiteln oder sie zu erschweren, verdient unseren Respekt und unsere Anerkennung.
Die Motive für den Widerstand waren vielfältig und der Weg dorthin mitunter lang und verschlungen. Aber was zählt ist, den verbrecherischen Charakter des Hitler-Regimes erkannt, der Mut, dagegen Widerstand geleistet, und die Bereitschaft, dafür das eigene Leben aufgeopfert zu haben.
Mich erschüttert bis heute, wie lange auch nach 1949 dem Widerstand Anerkennung und Respekt verwehrt wurde, wie Betroffenen Renten und Versorgung verweigert wurden. Die junge Bundesrepublik hat gegenüber den Männern und Frauen des Widerstands, ihren Angehörigen und Hinterbliebenen Schuld auf sich geladen – dafür bitte ich ausdrücklich um Verzeihung.
Zur Erinnerung an den Nationalsozialismus gehören nicht nur Verbrechen und Opfer, sondern auch die Wenigen, die sich gegen Unterdrückung und Unmenschlichkeit mutig auflehnten. In all seiner Vielfältigkeit ist der Widerstand ein bedeutender Teil der deutschen Freiheitsgeschichte. Diese verdient insgesamt noch mehr Aufmerksamkeit, wir müssen sie aber auch vor politischem Missbrauch schützen. Der Widerstand kämpfte gegen Totalitarismus, Rassenhass und Völkermord. Wer heute wieder Hass schürt, wer neuen Nationalismus predigt und mit autoritären Regimen kokettiert, der hat kein Recht, sich auf den Widerstand und seine Symbole zu berufen. Ich bin dankbar dafür, dass so viele Nachfahren von Männern und Frauen des Widerstands heute deutlich Stellung beziehen gegen den Missbrauch des Widerstands durch radikale Populisten sowie gegen einen neuen, Nationalismus in Europa.
In der freiheitlichen Demokratie gibt es keinen Widerstand, sondern nur demokratisches Engagement. Angesichts der Opfer des Nationalsozialismus kann uns heute manches Lamento über die Demokratie nur Ansporn sein, sie zu verteidigen. Die Demokratie braucht das Engagement ihrer Bürgerinnen und Bürger, damit Widerstand gegen eine Diktatur niemals wieder nötig wird. Vielleicht kann der anstehende Jahrestag helfen, hier Wertmaßstäbe wieder zu justieren.
Ich grüße Sie, alle Mitglieder der Gremien sowie die Freundinnen und Freunde der Stiftung sehr herzlich und denke in diesen Tagen voller Hochachtung an die Frauen und Männer des 20. Juli.
Mit freundlichem Gruß