Es reicht nicht, wenn Frauen sich anpassen – Männer müssen dies gleichermaßen tun
, forderte Elke Büdenbender beim Zweiten Female Impact Summit. Um Frauen in der Gesellschaft, im Beruf und in der Politik erfolgreich zu stärken und sichtbarer zu machen, reiche es nicht aus, sie für Vollzeitstellen zu begeistern oder in Führungspositionen zu bringen. Gleichzeitig und im selben Umfang müssen Männer überzeugt und befähigt werden, Aufgaben in der Sorge, Pflege und im Haushalt zu übernehmen.
Alles andere führe zu einer Doppelbelastung von Frauen, so Elke Büdenbender. Sie appellierte an die anwesenden weiblichen Führungskräfte, ihre Rolle aktiv zu nutzen und neue Wege zu gehen, beispielsweise beim Thema Arbeitszeitmodelle.
Beim Female Impact Summit kamen in Berlin in dieser Woche 120 einflussreiche Frauen aus Wirtschaft, Politik, Medien, Wissenschaft und Kultur zusammen.
Ansprache von Elke Büdenbender
Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.
Ich danke Ihnen sehr herzlich für die Einladung zum zweiten Female Impact Summit und freue mich sehr, dass ich dieses Mal persönlich teilnehmen kann. Das wollte ich bereits im letzten Jahr machen, leider hat es jedoch terminlich nicht gepasst – und deshalb löse ich mein Versprechen heute ein und wünsche uns allen einen schönen Abend!
Viele von Ihnen haben bereits heute Nachmittag an Panels teilgenommen und sich ausgetauscht und vernetzt. Dies wollen wir im Rahmen eines Dinners in diesem gemütlichen Setting hier fortsetzen. Ich habe nun aber erst einmal die Aufgabe, Sie noch für einen kurzen Moment vom Essen und den Tischgesprächen abzuhalten.
Es ist toll, hier vor so vielen starken und erfolgreichen Frauen zu stehen. Ein Bild, dass sich nicht immer und überall so selbstverständlich abbildet – zu oft noch blickt man auf Veranstaltungen in ein männliches Gesichtermeer. Aber das Bild ändert sich, es transformiert sich.
Der Begriff "Transformation" ist viel verwendet und ebenso vielschichtig. Er beschreibt grundlegenden Wandel in unterschiedlichen Bereichen, die alle Auswirkungen auf unseren Alltag haben. Es geht dabei um Politik wie auch um die Gesellschaft oder die wirtschaftliche Ordnung. Getrennt voneinander kann man die Bereiche nicht betrachten, sie hängen zusammen, und somit hat Wandel in dem einen immer auch Auswirkungen auf die anderen Bereiche.
Die Frage, die sich stellt: Sind die Rahmenbedingungen, in denen dieser Wandel erfolgt, für alle gleich? Haben alle die Chance, diesen mitzugestalten, oder werden sie am Ende transformiert?
Transformation erfolgt innerhalb bestehender Strukturen und somit innerhalb bestehender Machtsysteme. Im Transformationsprozess können sich Machtbeziehungen verschieben und dadurch strukturelle Hindernisse auflösen. Aber ebenso besteht die Gefahr, dass Machtgefälle und Hindernisse reproduziert werden. Insbesondere im Fall von Geschlechterbeziehungen ist diese Gefahr aufgrund verschiedener Faktoren leider nicht unwahrscheinlich. Bestehende Klischees tragen sich hartnäckig durch die Zeiten und lassen die Gesellschaft viel zu oft in männlich und weiblich konnotierten Bereichen denken, denen jeweils Aufgaben und Themen zugeordnet werden. Glücklicherweise bröckelt diese Unterteilung zunehmend.
Hier unter uns sind viele weibliche Führungskräfte: Welche Bedeutung also kommt einer weiblichen Führungskraft in Prozessen gesellschaftlicher Transformation zu? Wo können Sie ansetzen, wo Einfluss nehmen? Wo können Sie einen Beitrag leisten, Klischees abzubauen, anstatt sie weiter zu reproduzieren?
Über geoökonomische Rahmenbedingungen für Unternehmen, Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit, Finanzfragen, Künstliche Intelligenz und Innovation sowie unternehmerische Verantwortung und neue Narrative für die Gesellschaft haben Sie heute Nachmittag bereits aus unterschiedlichen Perspektiven diskutiert. Ich möchte den Punkt "neue Narrative" mit dem Fokus auf Geschlechtergerechtigkeit nochmals aufgreifen und einige Gedanken mit Ihnen teilen.
Strukturelle und auch gesellschaftlich-kulturelle Hürden als zwei Probleme der Gleichberechtigung werden auch in Transformationsprozessen deutlich. Schaffen wir es jedoch, diese Probleme im Rahmen von Veränderungen aufzulösen, steckt darin eine große Chance!
Um Frauen in der Gesellschaft, im Beruf und in der Politik erfolgreich zu stärken wie auch sichtbarer zu machen, reicht es nicht aus, sie für Vollzeitstellen zu begeistern oder in Führungspositionen zu bringen. Gleichzeitig und im selben Umfang müssen Männer überzeugt und befähigt werden, Aufgaben in der Sorge, Pflege und im Haushalt zu übernehmen. Alles andere führt zu einer Doppelbelastung von Frauen – und zu vermehrten Arrangements wie Teilerwerbstätigkeit, geringerer Bereitschaft und zeitlicher Kapazität zur Übernahme von kommunalpolitischen Aufgaben, Ämtern in Vereinen und vielem mehr.
Wer mitgestalten will, muss auch selber die Machtfrage stellen und sie stellen wollen. Nach meinen Beobachtungen scheitert Gleichberechtigung jedoch nicht daran, dass Frauen sich vor Macht scheuen. Frauen sind in Führungspositionen nicht deswegen unterrepräsentiert. Es fehlt ihnen nicht an Ambitionen, sondern sie sehen sich mit negativen Erfahrungswerten und strukturellen Benachteiligungen konfrontiert. Gender Pay Gap, Gender Care Gap, Gender Pension Gap und Gender Time Gap lauten die Begriffe dafür.
Lassen Sie mich mit der Gender Time Gap beginnen – sie bedingt vieles andere. Betrachtet man die nüchternen Zahlen, dann erscheint die Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen ausgewogen. Männer arbeiten etwa 44,5 Stunden pro Woche, Frauen 45,5. Wird die Stundenzahl aufgeschlüsselt, kann man von Ausgewogenheit nicht mehr sprechen: Bei Frauen überwiegt mit etwa 65 Prozent die unbezahlte Arbeit, bei Männern mit etwa 57 Prozent die Erwerbsarbeit. Diese Schieflage speist u.a. die Gender Pay Gap.
Ein Mann erhält für seine geleisteten Arbeitsstunden erheblich mehr Lohn als eine Frau, die sich größtenteils unentgeltlich Sorge- und Haushaltsaufgaben sowie der Alltagsorganisation widmet. Und ganz besonders die Organisation von Abläufen und Terminen im Alltag – Einkaufslisten schreiben, einkaufen, Kinder zum Sport fahren und abholen, Arzttermine, Mahlzeiten planen und zubereiten – lässt sich zeitlich nur schwer in Arbeitsstunden ausdrücken und erfordert viel an "unsichtbarer Denkarbeit" oder "Mental Load", wie der gängigere Begriff dafür lautet. Zuhause laufen Aufgabenplanung, -erfüllung und -organisation oft bei den Frauen zusammen – dort sind sie dann die Führungskraft außer Konkurrenz.
Die Ungleichheit bei der Verteilung von Erwerbstätigkeit und unbezahlter Arbeit wirkt sich negativ auf die Berufs- und Karrierechancen von Frauen aus. Ganz besonders deutlich wird das Gefälle im Modell der Teilzeitarbeit. Die starke Beanspruchung durch die Aufgabenerfüllung für Familie und Haushalt verhindert die Integration in den Arbeitsmarkt, wie sie bei Männern selbstverständlich ist. Zwar ist auch die Teilzeitquote bei Männern angestiegen; dem Vergleich mit dem Anteil von Frauen in Teilzeit hält sie nicht stand. Vor fast fünfzehn Jahren war etwa ein Drittel der Frauen in Teilzeit beschäftigt, bei den Männern waren es ca. 6 Prozent. Fast zehn Jahre später lag diese Quote bei Frauen bei 48 Prozent und bei Männern bei 11 Prozent. Ob wachsende Teilzeitbeschäftigung bei Frauen als Erfolg zu werten ist, lasse ich mit Blick auf die folgenden Ausführungen mal mit einem Fragezeichen stehen.
Die Gründe für Teilzeitbeschäftigung und die Lebensphasen, in denen sie erfolgt, unterscheiden sich im Fall von Frauen und Männern: Männer arbeiten in Teilzeit, wenn es keine Vollzeitstelle für sie gibt. Oder sie reduzieren Arbeitszeit, um sich weiterzubilden, etwa weil sie an der Abendschule das Abitur nachholen oder berufsbegleitend studieren. Und sie bekleiden Teilzeitstellen, wenn sie Altersteilzeit machen. Betroffen ist bei ihnen die Lebensphase am Anfang oder am Ende ihres Erwerbslebens.
Bei Frauen hingegen führt überwiegend die Übernahme familiärer Aufgaben wie der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen zur Beschäftigung in Teilzeit. Betroffen sind nicht bestimmte, sondern vielmehr alle Lebensphasen.
Immerhin: Der Anteil der Frauen, die einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen steigt seit Jahren bereits. Aber zumeist handelt es sich neben Teilzeitstellen um geringfügige Beschäftigungen. Die Auswirkungen bekommen Frauen dann im Alter zu spüren: Die Gender Pension Gap schlägt zu. Frauen sammeln in ihrem Erwerbsleben durchschnittlich 49,8 Prozent weniger Einkommen an als Männer.
Hoffnung schenken uns, wie ich finde, die nachkommenden Generationen in puncto Gender Care Gap. Bei den 18- bis 40-Jährigen plädiert die Mehrheit der Frauen und auch die Mehrheit der Männer für ein gleichberechtigtes Partnerschafts- und Familienmodell. Dabei geht es gerade auch den Männern nicht nur um die Aufteilung der Sorge- und Haushaltsaufgaben. Sie sind zunehmend bereit, dafür ihre Erwerbsarbeitszeit zu verringern.
Nachdem ich die bestehenden Narrative aufgezählt habe, folgen Ideen, wie daraus neue und geschlechtergerechtere werden könnten. Sie alle wissen es bestens: Dafür bedarf es einer grundlegenden Transformation der bestehenden Strukturen und Denkweisen. Ein Abschied von Meritokratien – Gesellschaften, in denen man einzig aufgrund von individuellen Leistungen bestimmte Chancen bekommt und alles andere keinen Raum hat – und von patriarchal geprägten Strukturen und Institutionen – die auch ambitionierte Frauen ohne familiäre Pflichten ausgrenzen – erscheint für tatsächliche Gleichberechtigung alternativlos.
Es gilt, das ganze Potenzial in der Gesellschaft zu nutzen, aber eben nicht auf alten Pfaden zu wandern. Es reicht nicht, wenn Frauen sich anpassen – Männer müssen dies gleichermaßen tun. Neue Pfade müssen gemeinsam erkundet und beschritten werden.
Ich habe es schon oft gesagt: Ich bin eine große Verfechterin der Frauenquote. Sie zeigt Wirkung – aber das reicht noch nicht. Ein neuer Pfad, den es weiter zu erkunden und schließlich auch zu beschreiten gelten könnte, ist der von neuen Arbeitszeitmodellen. Welche Alternativen gibt es zu Teilzeit oder Homeoffice, das ohnehin in der Theorie lediglich für die Hälfte aller Erwerbstätigen überhaupt möglich ist? Welche gesamtgesellschaftlichen Chancen bieten alternative Arbeits- und Arbeitszeitmodelle, damit am Ende die gesamte Gesellschaft profitieren kann?
Und hier komme ich zum Abschluss auf die Frage zurück, welche Bedeutung einer weiblichen Führungskraft in Prozessen gesellschaftlicher Transformation zukommt. Ich möchte gar nicht zwischen männlich und weiblich differenzieren. Führungskräfte sind immer auch Rollenmodelle. So, wie sie denken und handeln, diffundiert es in ein gesamtes Unternehmen, eine Institution und auch in Vereinsstrukturen. Nur, Diffundieren allein wird auch nicht ausreichen. Also: Entdecken Sie neue Pfade, liebe Anwesende!
Beschreiten Sie diese auch aktiv, und ermöglichen Sie sie Ihren Mitarbeitenden. Vielleicht brauchen Frauen manchmal mehr Mut oder Ambitionen – oft ist es einfach mehr Zeit und weniger Mental Load. Strukturen ändern und Hürden abbauen können wir nur, wenn auch Männer bereit sind, daran mitzuwirken. Auch sie brauchen manchmal vielleicht einen kleinen Anstupser.
Nun habe ich Sie aber lange genug vom Dinner und den Tischgesprächen abgehalten. Ich freue mich auf einen wunderbaren Abend und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.