Vorstellung des UNICEF-Berichts zur Lage der Kinder in Deutschland 2023

Schwerpunktthema: Bericht

18. September 2023

Elke Büdenbender hat am 18. September als Schirmherrin an der Vorstellung des UNICEF-Berichts zur Lage der Kinder in Deutschland 2023 in Berlin teilgenommen.

Vorstellung des UNICEF-Berichts zur Lage der Kinder in Deutschland 2023

Elke Büdenbender hat am 18. September als Schirmherrin an der Vorstellung des UNICEF-Berichts zur Lage der Kinder in Deutschland 2023 in Berlin teilgenommen. UNICEF und das Deutsche Jugendinstitut (DJI) hatten zur Diskussion der Forschungsergebnisse von Prof. Dr. Hans Bertram ins Berliner Futurium eingeladen.

Der Bericht beleuchtet die gegenwärtige Situation der Kinder in Deutschland und weist auf drängende Herausforderungen hin: Obwohl die Mehrheit der Kinder eine sichere und gesunde Kindheit erlebt, sind immer mehr von Bildungsnachteilen und Armut betroffen.

Seit September 2023 stellt UNICEF in der Datenbank Kind sein in Deutschland fundierte Daten zur Situation der Kinder in Deutschland bereit.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Wenn ich mich hier in diesem beeindruckenden Futurium umschaue, sehe ich viele junge Menschen, und das finde ich großartig. Denn um sie – um Euch! – geht es ja. Ich begrüße Euch ganz herzlich und freue mich, dass Ihr Eure Sichtweisen nachher in die Diskussionen einbringen werdet.

Jede und jeder von uns hat eine Vorstellung davon, was eine sichere, gesunde und fröhliche Kindheit ausmacht. Kinder brauchen Liebe und Fürsorge, ein Dach über dem Kopf – also ein Zuhause –, eine ausreichende und vor allem ausgewogene Ernährung, sauberes Trinkwasser, die Möglichkeit, zur Schule zu gehen, Freundinnen und Freunde zu finden und vor allem: ein Aufwachsen in Frieden und ohne Gewalt.

Und alle Kinder auf dieser Welt haben ein Recht darauf, gut aufzuwachsen. Für die Umsetzung dieses Rechts engagieren sich bei UNICEF jeden Tag die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und überall in unserem Land die vielen Ehrenamtlichen jeden Alters. Dafür möchte ich Ihnen meinen herzlichen Dank aussprechen.

Lieber Herr Prof. Dr. Bertram, viele Aspekte im neuen UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder und Jugendlichen in Deutschland verdienen eine eingehende Betrachtung. So freut es mich, dass Sie uns gleich einen Überblick über Ihre umfassenden Forschungsergebnisse geben. Darauf bin ich schon sehr gespannt.

Seit sechseinhalb Jahren bin ich nun schon Schirmherrin von UNICEF Deutschland und habe mich in dieser Funktion darum bemüht, mich in vielerlei Hinsicht für die Belange der Kinder der Welt einzusetzen. Heute möchte ich auf einen Aspekt aus Ihrem "Katalog" eingehen, lieber Prof. Bertram, den ich so in meiner UNICEF-Arbeit noch nicht im Fokus hatte, der mir aber aufgrund verschiedener Kita- und Schulbesuche in den vergangenen beiden Jahren sehr wichtig ist: die Sprache.

Es wäre falsch das Thema – vielleicht im Vergleich zu den großen Herausforderungen, vor denen viele Kinder und ihre Familien aktuell stehen – als banal anzusehen. Die Minderung von Armutsrisiken, die Bildungsreform, der Fokus auf die mentale Gesundheit – das sind zweifellos große Aufgaben, die Politik und Gesellschaft gemeinsam angehen müssen. Aber sie alle stehen auch mit der Sprache in engem Zusammenhang: Die Sprache des Landes, in dem ein Kind groß wird und lebt, zu verstehen und sie zu sprechen, ist die Grundlage für gleichberechtigte Teilhabe.

Beim Thema Sprache denke ich dabei an alle Kinder gleichermaßen – an die, die hier in Deutschland geboren wurden, aber natürlich auch an die Kinder, die zugewandert sind. Ihre Zahlen steigen – Kriege, Krisen und Klimakatastrophen zwingen sie dazu, ihre oftmals geliebte Heimat zu verlassen.

Wir dürfen nie vergessen: Flüchtlinge kommen sehr oft nicht freiwillig zu uns. Der Krieg, die Gewalt, der Klimawandel, die lebensbedrohliche wirtschaftliche Not zwingen viele, um des Überlebens willen die Heimat zu verlassen. Und wir müssen diese Menschen unterstützen, wo immer wir können. Dabei ist Sprache der Schlüssel zur Teilhabe an Bildungsangeboten. Und Bildung ist zwar nicht der einzige, aber ein ganz entscheidender Faktor für eine aussichtsreiche Zukunft.

Wissen vermittelt zu bekommen, ist ein Teil; sich selbst Wissen aneignen zu können, ein anderer Teil – beides geschieht mittels Sprache. Denn wer mit einem Text oder Vortrag sprachlich überfordert ist, wird ihn im Zweifel beiseitelegen oder abschalten. Das sind verpasste Lern- und oft auch verpasste Lebenschancen. Und wer diese Erfahrung häufiger macht, steigt aus. Dann sind Lernchancen nicht nur verpasst, sondern verloren. Wir können es uns aber nicht leisten, auch nur eine Lernchance zu verpassen und nur ein Kind zurückzulassen.

In der Regel haben Kinder bis circa zur Hälfte der Grundschule Zeit, das Fundament für ein muttersprachliches Niveau zu legen. Prof. Dr. Bertram weist in seinem Bericht auf die Unterfinanzierung des Grundschulbereichs hin. Er schreibt, dass es höherer Investitionen in Bildungschancen bedürfe, insbesondere in die frühkindliche Bildung und Sprachförderung – das heißt für mich: auch schon in den Kindertagesstätten.

Alle Kinder brauchen Erwachsene, die sie zum Sprechen animieren und dazu, Gelerntes zu wiederholen. In den ersten Lebensjahren sind das meistens die Eltern und Angehörigen, später zusätzlich Kita-Mitarbeitende und Lehrkräfte, Sporttrainerinnen und viele weitere Kontaktpersonen. Die Kommunikation mit Kindern kann sehr abwechslungsreich gestaltet werden. Gemeinsames Spielen, Lesen, Lernen ist zu Hause, in der Kita oder Schule und unterwegs im Alltag möglich.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass Kinder treffsicher die richtigen Fragen stellen und eine durchdachte Meinung zu vielen Themen haben. Um sich differenziert zu äußern, benötigen sie einen großen Wortschatz. Der Philosoph Ludwig Wittgenstein beschrieb es so: Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt. Deshalb müssen wir dringend in Sprachförderung investieren und auch außerschulische Angebote fördern. In Berlin gibt es z.B. den Verein Sprachpat*innen für KiTa-Kinder e.V. Hier gehen Menschen in der nachberuflichen Phase in Kindertagesstätten und kümmern sich im laufenden Kitabetrieb um Kinder, die Sprachdefizite haben – auf spielerische und sehr empathische Art und Weise.

Meine Damen und Herren, auch wenn ich mich jetzt auf das Thema Spracherwerb fokussiert habe: Der Bericht zum kindlichen Wohlbefinden blickt nicht eindimensional auf die Situation und das Aufwachsen von Kindern. Er beleuchtet viele unterschiedliche Facetten und Lebensbereiche von Kindern, benennt Defizite und rückt die Anliegen und Probleme der Heranwachsenden ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

In diesem Sinne ist diese gemeinsam von UNICEF Deutschland und dem Deutschen Jugendinstitut initiierte Veranstaltung zur Vorstellung der Berichtergebnisse auch eine Stärkung für all diejenigen, die sich für die Umsetzung der Rechte von Kindern in Deutschland engagieren – sei es haupt- oder ehrenamtlich. Dafür wünsche ich uns allen gute Impulse und einen interessanten Abend.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier