Elke Büdenbender hat am 15. September als Schirmherrin die Fotoausstellung Frau Reichspräsident. Louise Ebert 1873–1955
im Friedrich-Ebert-Haus in Heidelberg mit einer Ansprache eröffnet.
Zuvor machte sie einen Rundgang durch die von der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte organisierte Ausstellung.
Ansprache von Elke Büdenbender:
Vieles, was verloren ging, kann man wieder ersetzen. Nur die tausend Erinnerungen und Andenken an meinen lieben Verstorbenen sind unwiederbringlich dahin. Nicht einmal ein Schriftzeichen von ihm ist gerettet.
Die Wohnung, in der Louise Ebert in Berlin lebte, wurde im Spätherbst 1943 bei einem Bombenangriff zerstört. Die eben zitierten Zeilen schrieb sie damals an den ehemaligen SPD-Reichstagsabgeordneten Wilhelm Keil. Ihr Leid, alle liebevoll bewahrten Andenken an ihren Mann und die Kinder verloren zu haben, klagte sie auch anderen alten Weggefährten.
Einen Blick in diese Wohnung Louise Eberts vermittelt uns ein Zeitungsartikel, der im Februar 1929 in der Heidelberger Volkszeitung erschien. Louise Ebert lebte demnach in einem einfachen Mietshaus in Berlin Wilmersdorf. Die Nachbarhäuser sahen genauso so aus. Außen unauffällig.
Innen, in der dritten Etage rechts des Vorderhauses, gab es ein Empfangszimmer. Daneben ein weiteres kleineres Zimmer, das Louise Ebert Erinnerungsstücken an ihren Mann gewidmet hatte. Dort stand Büromobiliar aus der Wilhelmstraße – dem Reichspräsidentenpalais. Über beide Räume verteilt waren Porträts, Fotografien und Büsten verteilt. In all diesen Gegenständen hielt Louise Ebert die Erinnerung an ihren Mann am Leben. Eine private Ausstellung über das erste demokratische Staatsoberhaupt Deutschlands in einer ganz gewöhnlichen Stadtwohnung, wie sie das Bürgertum allgemein bewohnte.
Ganz sicher war es nicht die Intention des Autors, die erste First Lady
Deutschlands als Direktorin und Kuratorin dieser kleinen Friedrich-Ebert-Ausstellung zu porträtieren. Das von ihm gezeichnete Bild einer Ehefrau, die sich im Hintergrund hält, wird ihr dennoch gerecht. Und es entspricht dem damals weithin dominierenden bürgerlichen Frauenideal, nach dem eine Ehefrau den Ehemann nach allen Kräften und Möglichkeiten unterstützt und ein ausgeprägtes mütterliches Wesen hat.
Sehr wenig ist über Louise Ebert überliefert. Und so bleibt am Ende vieles Interpretation, Spekulation und Einordnung in den herrschenden Zeitgeist, was über sie gesagt und geschrieben wird. Keineswegs bedeutet die dürftige historische Quellenlage, dass Louise Ebert als Frau, Ehefrau und Erste Dame im Staat ohne Bedeutung gewesen wäre. Geschichte, so die damalige Auffassung, schrieben große Männer; Frauen begleiteten sie dabei nur.
Ihre Zeitgenossinnen und -genossen beschrieben Louise Ebert als natürlich, einfach und herzlich. Und sie attestieren ihr, das Frauenideal ihrer Zeit bestens ausgefüllt zu haben.
Durch alle Stationen seines Lebens hindurch sei sie ihrem Mann ein wichtiger Rückhalt gewesen und habe sich stets im Hintergrund gehalten. Man kann sagen, dass sie aus armen Verhältnissen stammt. Blutjung wird sie im Alter von zwölf Jahren Dienstmagd, dann Dienstmädchen bei einer großbürgerlichen Familie und schließlich Fabrikarbeiterin. Dieser Werdegang hat weniger mit weiblicher Emanzipation als vielmehr mit sozialer Not zu tun. Nach der Eheschließung – die ausschließlich auf dem Standesamt erfolgte, denn beide hatten sich von ihren Kirchen distanziert – hörte Louise Ebert auf, erwerbstätig zu sein, auch gewerkschaftlich war sie nicht mehr tätig. Stattdessen half sie ihrem Mann in der Gaststätte, die sie aufgrund seines politischen Engagements im Prinzip alleine führte. Sein Weg führte schließlich nach Berlin, und sie folgte ihm. Es heißt, sie sei eine gute Köchin gewesen und habe ihren Haushalt ordentlich geführt. Über die Paarbeziehung und die Ehe der Eberts an sich ist ansonsten kaum etwas überliefert. Die Werte, die das Elternpaar seinen Kindern weitergibt, sind allgemeine bürgerliche oder preußische Tugenden: Ordnungsliebe, Fleiß, Einsatzbereitschaft und Sparsamkeit.
Interpretation, Spekulation und Einordnung in den herrschenden Zeitgeist würden dieses kurze Porträt ausschmücken lassen. Ich möchte viel mehr die Bilder der Fotoausstellung sprechen lassen, die wir heute eröffnen: "Frau Reichspräsident. Louise Ebert 1873–1955".
Ich bin der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte sehr dankbar, dass sie dieser ersten unter all meinen Vorgängerinnen in der Rolle der Ersten Dame an der Seite des Staatsoberhauptes diese Ausstellung widmen.
Als Sie, lieber Herr Professor Mühlhausen, mir bei einer Tasse Kaffee im Schloss Bellevue von den Planungen der Ausstellung erzählten, habe ich nicht lange überlegen müssen, die Schirmherrschaft zu übernehmen und heute nach Heidelberg zu kommen. Ich fühle mich Louise Ebert in vielerlei Hinsicht verbunden.
Auch wenn sie sich selbst stets im Hintergrund hielt, wäre es falsch, sie in Vergessenheit geraten zu lassen. Nach den drei Kaiserinnen war sie Deutschlands Erste Dame – noch dazu die erste in einer Republik.
Louise Ebert steht für ein Stück deutscher Frauengeschichte. Auch wenn sie keine revolutionäre Frauenrechtlerin gewesen sein mag, so steht sie dennoch für die Mehrheit ihrer Zeitgenossinnen. Sie waren zumeist keine Neue Frau
der Weimarer Zeit, sondern weiterhin im bürgerlichen Konstrukt der getrennten Geschlechterrollen gefangen. Diese abfällig mit Kinder, Küche, Kirche
abzutun, wird den allermeisten nicht gerecht. Zumal sich hinter dem Stichwort Kirche nicht nur der Gottesdienstbesuch verbirgt, sondern vielmehr ehrenamtliches Engagement in der Gemeinde, um weit verbreitete soziale Notstände zu lindern. Dieses Engagement erfolgte nicht ausschließlich im kirchlichen Bereich, sondern auch über nicht konfessionell gebundene Frauenvereine. Leider wissen wir nicht, ob und wie genau sich Louise Ebert dort einbrachte.
Louise Ebert steht sicherlich für ein Stück Demokratiegeschichte. Auch wenn sie keine sozialdemokratische Abgeordnete oder aktive Politikerin war, sie war gewerkschaftlich engagiert und wahrscheinlich sogar eine Zeit lang Co-Vorsitzende des Central Vorstandes des Verbandes der in Holzbearbeitungsfabriken und auf Holzplätzen beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen
– dessen Satzung sah vor, dass der Vorstand paritätisch mit einem Mann und einer Frau besetzt sein müsse. Früher wie heute nehmen Gewerkschaften in Prozessen der gesellschaftlichen und politischen Meinungsbildung eine wichtige und besondere Rolle ein: Es geht um Partizipation und Mitsprache. Das Engagement von Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern ist meist ehrenamtlich, immer freiwillig, und es gestaltet die Zukunft einer Gesellschaft und eines Landes mit. Was genau Louise Ebert als Vorsitzende tat, wofür sie sich einsetzte oder was sie gar bewegen konnte, wissen wir heute nicht mehr. Ebenso wäre es größtenteils Spekulation, den Einfluss, den Louise Ebert auf politische Entscheidungen ihres Mannes gehabt haben könnte, zu ergründen. Am Ende war sie bestimmt mehr als eine ihren Ehemann im Stillen beeinflussende Ehefrau.
Louise Ebert steht für ein Stück Aufstiegs- und Gesellschaftsgeschichte. Aus einfachsten Verhältnissen kommend, entwickelte sie sich zunächst aus eigenem Antrieb weiter. Später stieg sie zusammen mit ihrem Mann gesellschaftlich auf, bis sie schließlich mit ihm an der Spitze des Staates stand. Allen Kritikern zum Trotz machte sie auch auf der großen Bühne eine gute Figur – ohne dass ihr die Rolle zu Kopf gestiegen wäre. In der Berliner Gesellschaft schätzte man sie und ihre sympathisch zurückhaltende Art. Zwar trat sie nur wenig zu öffentlichen Gelegenheiten auf – eine nur passive Erste Dame war sie nicht. Vor allem Termine im Reichspräsidentenpalais trugen ihre persönliche Note. Dabei war sie, die ehemalige Arbeiterin und Gewerkschafterin, in einem doch sehr großbürgerlichen Setting eine formvollendete Gastgeberin.
Ich selber vertrete eine etwas andere Position mit Blick auf die Sache der Frau, eine emanzipiertere – allerdings leben wir heute auch in anderen Zeiten. Ich finde, auch wenn wir in Gleichstellungsfragen und -herausforderungen schon vieles erreicht haben, so gibt es auch noch einiges zu tun.
Was mich mit Louise Ebert verbindet, ist das gewerkschaftliche Engagement. Seit einigen Jahren ruht meine Mitgliedschaft, aber vor allem in der Zeit meiner Ausbildung war ich eine Vollblutgewerkschafterin.
Mein Weg führte ebenso vom Dorf in die Hauptstadt – aus dem Siegerland über Gießen und Hannover nach Berlin. Ich bin dankbar für all die Einblicke und Möglichkeiten, die mir die Rolle als First Lady
schenkt, auch wenn ich meinen Beruf als Verwaltungsrichterin sehr mag und ihn mittlerweile auch wieder ausübe. Die Rolle der First Lady
wurde auch mir nicht in die Wiege gelegt. Ich habe zunächst eine Ausbildung und dann auf dem zweiten Bildungsweg Abitur gemacht und schließlich mein Studium aufgenommen. Anders als der Arbeiterin Louise Ebert traut man aber einer Verwaltungsrichterin anscheinend eher zu, die Aufgaben zu meistern. Vielleicht spielt das Herkommen in der Demokratie einfach auch keine so große Rolle mehr.
Denn die Verleumdungen und Diffamierungen, die das Ehepaar Ebert aushalten musste, und was dies mit ihnen machte, ist am Ende erneut Spekulation. Für die ihrer Macht enthobene, mehrheitlich adelige Führungselite war es vermutlich nur schwer auszuhalten, dass ein Sozialdemokrat und Handwerker zusammen mit seiner Frau, einer ungelernten Arbeiterin und Gewerkschafterin, die Plätze einnahmen, auf denen zuvor der Kaiser und die Kaiserin saßen. Die Profile des Amtes des Reichspräsidenten und der Ersten Dame im Staat mussten sich erst noch herausbilden.
Wie Louise Ebert diese Aufgabe gemeistert hat und was von ihr blieb, können wir uns in der ihr gewidmeten Ausstellung anschauen. Jede und jeder mag daraus eigene Schlüsse und Bewertungen ziehen – aber eines ist sicher: Hier wird Louise Ebert nicht in Vergessenheit geraten!