UNICEF-Neujahrsgespräch "Aufwachsen in Krisenzeiten"

Schwerpunktthema: Bericht

26. Januar 2023

Elke Büdenbender hat am 26. Januar als UNICEF-Schirmherrin das UNICEF-Neujahrsgespräch zum Thema "Aufwachsen in Krisenzeiten – Wie können wir Kinder und Jugendliche stärken" in Schloss Bellevue mit einem Grußwort eröffnet.


Elke Büdenbender hat am 26. Januar als UNICEF-Schirmherrin das UNICEF-Neujahrsgespräch zum Thema Aufwachsen in Krisenzeiten – Wie können wir Kinder und Jugendliche stärken in Schloss Bellevue mit einem Grußwort eröffnet.

Nach einem Impulsvortrag von Zeinab Hijazi, Seniorberaterin für mentale Gesundheit bei UNICEF New York, zum Thema Was Krisen für das Aufwachsen von Kindern bedeuten diskutierten auf dem Podium die Kinderrechte-Aktivistin Raina Ivanova, Donat Miftari, Mitglied des UNICEF Junior-Beirats, Krisenchat-Leiterin Melanie Eckert, Beatrix Albrecht vom UNICEF-Kinderrechteschulen-Netzwerk des Landes Niedersachen, der Psychologe Stephan Grünewald sowie Zeinab Hijazi miteinander.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Ich begrüße Sie und Euch herzlich im Schloss Bellevue zum traditionellen Neujahrsgespräch von UNICEF Deutschland.

Es ist sehr schön, dass dieser besondere Jahresauftakt im Namen der Kinder und ihrer Rechte nach zwei Jahren Pandemie endlich wieder persönlich stattfinden kann. Die zurückliegenden Jahre waren für uns alle – aber ganz besonders für junge Menschen auf der ganzen Welt – keine einfache Zeit. Eine Zeit voller sozialer Umbrüche, schrecklicher Kriege und Konflikte und ökologischer Katastrophen.

Weltweit bedeutete die Corona-Pandemie einen gravierenden Einschnitt in unser Leben. Probleme und Ungleichheiten, die vorher schon da waren, wurden teilweise massiv verschärft. Mit dem Krieg in der Ukraine folgte im vergangenen Jahr eine weitere Zäsur, die uns alle zutiefst erschüttert hat. Und die Auswirkungen des Klimawandels sind längst nicht mehr zu übersehen.

Angekommen sind wir in einer neuen Realität, die brüchiger erscheint, enorm komplex und vielen zunehmend unverständlich. Einer Gegenwart, in der es vielen Menschen immer schwerer fällt, zuversichtlich in die Zukunft zu schauen.

Was macht das mit den Kindern und Jugendlichen? Und was heißt es, in einer Zeit wie dieser jung zu sein? Aus vielen Gesprächen mit jungen Menschen hier in Deutschland weiß ich, wie klar Kinder und Jugendliche die Probleme der Gegenwart sehen.

Ich habe wirklich viele junge Menschen getroffen, die vor Tatkraft sprühen – die die Dinge anpacken und die Welt verändern wollen. Und die uns Erwachsene – zu Recht – dabei in die Pflicht nehmen.

Allerdings belegen Studien, dass viele von ihnen durch die Vielzahl der Krisen verunsichert sind und sich fragen, was dies für ihren zukünftigen Lebensweg bedeutet: Werde ich eine gute Ausbildung finden? Werde ich genug verdienen, um eine Familie gründen zu können? Werde ich noch die Möglichkeit haben, unbeschwert die Welt zu entdecken?

Wir müssen uns klarmachen: Das Aufwachsen in einer Welt voller Ungewissheit und Ungerechtigkeit kann starke psychische Belastungen mit sich bringen. Von Georg Graf Waldersee und unserer UNICEF-Expertin Zainab Hijazi werden wir gleich mehr darüber erfahren, welchen Einfluss das momentane Weltgeschehen auf die mentale Gesundheit von Kindern hat.

Ganz besonders freue ich mich auf die Gedanken von Raina und Donat und bin gespannt, von ihnen zu hören, wie sie als Vertreterin und Vertreter der jungen Generation auf die Welt und die Zukunft blicken.

Wir alle wünschen unseren Kindern Zuversicht, Selbstvertrauen, tragfähige Beziehungen und gute Chancen. Es berührt mich deshalb sehr, wenn immer mehr junge Leute mit sich, ihrem Leben und der Welt um sie herum hadern – im Kleinen wie im Großen. Wenn ihre Sorgen und Zweifel sie lähmen, wenn Trauer und Wut ihre Seele verdunkeln.

Seit vielen Jahren fordern Expertinnen und Experten der Kinder- und Jugendhilfe, dass mehr für die psychische Gesundheit junger Menschen getan werden muss. Spätestens seit der Corona-Pandemie muss dies als ein Auftrag für die Politik verstanden werden, der nicht länger aufgeschoben werden darf. Denn immer noch wird das psychische Leid von Kindern und Jugendlichen zu wenig gesehen oder ernstgenommen. Nach wie vor ist das Thema für viele Menschen ein Tabu und der Umgang mit psychischen Erkrankungen und mentaler Gesundheit von Missverständnissen und Stigmata geprägt.

Doch Wegschauen und Untätigkeit verstärken bei den Mädchen und Jungen das Gefühl, allein zu sein, ungesehen und unverstanden. Manch junger Mensch findet so aus dieser Situation keinen Ausweg. Das ist eine furchtbare Belastung – für jeden einzelnen von ihnen und für die betroffenen Familien.

In meiner Arbeit als UNICEF-Schirmherrin durfte ich immer wieder unglaublich starke Kinder und Jugendliche kennenlernen, die in teilweise sehr prekären Lebensumständen aufwachsen mussten: Mädchen und Jungen in Flüchtlingslagern in Jordanien und im Libanon, junge Frauen aus einem Armutsviertel in Johannesburg, Straßenkinder in Indien, Opfer von Gewalt und Drogenkriminalität in Kolumbien und Kinder in Nepal, deren Familien durch das verheerende Erdbeben 2015 alles verloren hatten. Ihre enorme Widerstandskraft und ihr Wille, ihre Situation zu verändern, haben mich zutiefst beeindruckt.

Gleichzeitig weiß ich, dass junge Menschen umfassende Unterstützung brauchen, um den Stürmen und Herausforderungen unserer Zeit gewachsen zu sein. Was können, ja, was müssen wir Kinder und Jugendlichen geben, damit sie am besten für die Zukunft gewappnet sind? Darüber wollen wir heute mit Ihnen sprechen.

Mit Blick auf die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sind mir dabei folgende Aspekte besonders wichtig: Hinsehen, Hilfe und Prävention sowie Beteiligung.

Erstens: Lassen Sie uns anfangen, endlich offen über mentale Gesundheit zu sprechen. Wenn Kinder und Jugendliche Hilfe bei psychischen Problemen suchen, sollten sie sich niemals schämen müssen. Und sie müssen darauf vertrauen können, dass wir ihnen zuhören, sie ernst nehmen und ihnen helfen werden.

Zweitens: Politik und Gesellschaft müssen verstehen, welche Bedeutung die Förderung einer stabilen mentalen Gesundheit für das Wohlbefinden und die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hat. Wir brauchen mehr kompetente, niedrigschwellige Beratungs- und Hilfsangebote und müssen die Prävention stärken. Denn potenzielle Krisen kann man am besten meistern, wenn man ihnen zuvorkommt.

Und Drittens: Wir müssen junge Menschen mehr hören und einbeziehen. Fragen wir die Kinder, wie es ihnen geht, was ihnen Sorge bereitet, was sie sich wünschen und brauchen. Schauen wir nicht weg. Scheuen wir nicht das Gespräch – auch wenn es manchmal für uns Erwachsene unbequem wird oder wir auch nicht sofort Antworten haben. Auch darüber können wir offen und ehrlich mit Kindern reden.

Mir ist bewusst, dass Eltern, aber auch Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer hier eine besondere Verantwortung haben und dass vor allem viele Mütter und Väter alles dafür tun, ihren Kindern in schwierigen Zeiten beizustehen. Das geht öfter auch über ihre Belastungsgrenzen hinaus. Deshalb brauchen auch Eltern Rat und Unterstützung.

Die Förderung der mentalen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist eine Aufgabe, die in allen Bereichen der Gesellschaft angegangen werden muss. Dazu gehört es auch, jungen Menschen Zuversicht zu geben und Mut zu machen.

Und so möchte ich mich abschließend an Raina und Donat wenden – stellvertretend für Eure Generation. Glaubt an Euch selbst! Sucht Mitstreiterinnen und Mitstreiter, geht Probleme gemeinsam an und freut Euch über Eure Erfolge! Seid nicht zu hart mit Euch selbst – und vertraut darauf, dass es viele Erwachsene gibt, die Euch bewundern und Euch gerne unterstützen.

Vielen Dank.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier