Elke Büdenbender hat am 26. Januar die Veranstaltung Gleichberechtigung geht uns alle an
des Netzwerks Frauen100 in Berlin mit einem Grußwort eröffnet.
Ansprache von Elke Büdenbender:
Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.
Wenn ich mich hier so umsehe – in diesem schönen und traditionsreichen Hotel in Berlin –, sehe ich es ordentlich funkeln. Ein festlicher Saal, schicke Abendkleider, schönes Essen. Trotz allem geht es hier heute Abend nicht um den schönen Schein, sondern vor allem ums Sein. Und da liegt immer noch Arbeit vor uns.
Ja, es ist viel auf den Weg gebracht, weswegen wir heute feiern dürfen. Frauen sind bei uns mittlerweile in allen Bereichen des Lebens – der Wirtschaft, der Kultur, den Medien, der Politik – angekommen. Frauen sitzen in Chefetagen, im Vorstand, sie leiten Theater, Museen, Behörden, Ministerien, Parteien, Rundfunkanstalten. Vor allem aber: Es ist ganz normal, dass sie, wo auch immer, berufstätig sind. Welcher vernunftbegabte Mensch stellt heute noch das Recht auf Berufstätigkeit der Frau in Frage? Natürlich geht es dabei um Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung, aber vor allem auch um ein gerechtes und gleiches Einkommen in allen Berufen für alle, das es ermöglicht, ich will es mal so sagen: ein würdiges Leben zu führen.
Das alles haben vor allem Frauen selbst erreicht – durch beharrliches und lautstarkes Eintreten für Gleichberechtigung, gleiche Teilhabe und gleiche Bildungs- und auch Aufstiegschancen. Von nichts kommt nichts! Gleichberechtigung geschieht nicht einfach automatisch
, sozusagen evolutionär. Gleichberechtigung ist revolutionär und muss immer wieder durchgefochten werden.
Natürlich ist vieles schon ganz gut, aber nichts ist perfekt. Deshalb ist es mir heute Abend ein Anliegen, vor allem drei wichtige Bereiche anzusprechen: Frauen in der Politik, Frauen in den klassischen Berufsfeldern und die Rechte der Frauen weltweit.
Was wir in der Politik
ändern müssen, ist die Unterrepräsentation von Frauen generell. Da ist zum Beispiel der seit Jahrzehnten kleinste Anteil von Frauen in unserem Bundestag. Oder: Nur etwa zwölf Prozent aller kommunalen Oberhäupter in unserem Land sind Frauen. Ich gehe mal davon aus, dass es in den Länder- und Kommunalparlamenten nicht anders aussieht. Das ist aber, bei aller Aufmerksamkeit, die der Politik- und Medienbetrieb in Berlin produziert, die Ursuppe
der Demokratie. Vor Ort werden die Auswirkungen von politischen Entscheidungen deutlich, vor Ort müssen sich die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister mit den Bürgerinnen und Bürgern auseinandersetzen.
Menschen, die in der Politik arbeiten, werden oft sehr hart angegangen, und das nicht nur in Sachfragen – das wäre völlig in Ordnung. Aber sie werden auch als Person – und dies gilt ganz besonders für Frauen – in einer Weise angegangen, die oftmals strafbar ist, aber auch ganz real Angst macht. Ich frage mich: Warum ist das so? Warum provozieren in ihrem Umfeld prominente
Frauen solch einen Hass und solche Hetze, nicht nur in den sozialen Medien? Wer hat Lust, politisch Verantwortung beispielsweise als Bürgermeisterin oder Bürgermeister zu übernehmen, wenn er dafür nur angefeindet und teilweise sogar mit dem Tode bedroht wird? Und ich übertreibe hier nicht. Die Bürgermeisterin von Zossen, die uns einmal auf einer Reise begleitete, berichtete mir von all diesen Drohungen. Drohungen, bei denen es nicht blieb, sondern die zum Beispiel in der Vergiftung ihres Hundes resultierten. In der Politik also braucht es große Anstrengungen, sowohl von Frauen als auch von Männern, um Frauen weiter voranzubringen, aber auch vor Anfeindungen zu schützen.
Mein großes Anliegen ist seit Jahren, allen Kindern einen gleichberechtigten Zugang zu guter Bildung zu ermöglichen. Bildung ist der Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben, für Teilhabe und Gleichberechtigung. Damit im Zusammenhang steht eine Berufswahl unabhängig von Geschlechterklischees. Diese Klischees sitzen so tief und verhindern bei Mädchen und Jungen, dass diese ihre wahren Talente und Fähigkeiten entdecken. Mädchen können alles, was Jungen können, und natürlich umgekehrt. Nur wer sich alles zutraut, hat überhaupt die Chance, etwas aus sich und seinen Talenten zu machen. So müssen wir junge Frauen auch für MINT-Berufe begeistern. In anderen Staaten dieser Welt, beispielsweise in den sogenannten MENA Staaten, also Middle East and North Africa – Nahost und Nordafrika – studieren in den sogenannten MINT-Studiengängen zur Hälfte Frauen! Uns gelingt das nicht. Aber auch darüber hinaus haben wir großen Nachholbedarf, beispielsweise was Frauen in Führungspositionen in allen Bereichen angeht. Frauen können noch so gut ausgebildet sein, noch so willensstark und durchsetzungsfähig – manchmal geht es nicht anders: Die Quote war und ist ein gutes Werkzeug, Frauen den Aufstieg zu ermöglichen.
Auf einen Punkt muss ich noch kommen, wenn es um die Berufstätigkeit von Menschen geht. Es geht mir ja selbst auch auf die Nerven, wenn ich im Zusammenhang mit Gleichberechtigung von Frauen in der Politik und in anderen Berufsfeldern immer wieder auf das Thema Kinderbetreuung kommen muss. Als ob das Frauensache wäre. Auch berufstätige Familienväter müssen sich hinstellen und lautstark die Vereinbarkeit von Familienleben und Berufstätigkeit fordern. Ich will diese Forderung endlich auch von den Männern hören.
Es ist also noch so einiges zu tun. In erster Linie, finde ich, ist es an uns, den Frauen, selbstbewusst und beharrlich gleiche Zugänge zu Politik und Beruf zu fordern, und wir müssen uns selbst in die Pflicht nehmen und keine Angst haben! Aber gemeinsam geht es natürlich besser, und ich freue mich über die Herren hier im Saal, die offensichtlich mittun wollen. Wann ist ein Mann ein Mann?
Wenn er die Welt auch mit den Augen einer Frau sehen kann.
Wir brauchen in unserer immer komplexer werdenden Welt eines: Wir müssen offen sein für andere Menschen, andere Denk- und andere Herangehensweisen. Denn das ist doch keine Schwäche, im Gegenteil: Wir brauchen Diversität, um zu guten Lösungen für die Probleme unserer Zeit zu kommen. Nur eine Gesellschaft, in der sich alle, wirklich alle gleichberechtigt einbringen können, eine Gesellschaft, in der alle die Spielregeln gleichermaßen mitbestimmen können, ist eine freie und zukunftsfähige Gesellschaft.
Für mich gehört dazu unbedingt der Blick auf die Situation der Frauen über unsere Landesgrenzen hinaus. Was gerade mit den Frauen in Afghanistan passiert, zerreißt mir das Herz und macht mich so zornig! Ich kann in keiner Weise nachvollziehen, wie Männer Frauen das antun können. Frauen aus dem öffentlichen Leben auszuschließen, ihnen die Bildung zu versagen und sie mit Gewalt zu strafen, so etwas dürfen wir einfach nicht hinnehmen!
Im Iran gehen die Frauen – aber da auch Männer! – für die Freiheit der Frauen und aller Menschen dort auf die Straße. Sie riskieren dabei ihr Leben. Sie sind so unglaublich mutig, und ich finde: Wir müssen sie unterstützen!
Gleichberechtigung geht uns alle an
, so lautet der Titel der heutigen Veranstaltung. Genau so ist es: Wir alle müssen die Gleichberechtigung zu einem wichtigen politischen und gesellschaftlichen Ziel erklären. Nur so können wir wirklich nachhaltig und langfristig etwas verändern.