Elke Büdenbender hat am 26. September die von UNICEF, dem Netzwerk Kinderrechte und dem Deutschen Jugendinstitut organisierte Veranstaltung Kindeswohl und Kinderrechte in Krisenzeiten. Corona, Krieg und Cyberspace – Was auf Kinder und Jugendliche einwirkt und was sie resilienter macht
mit einem Grußwort eröffnet.
Experten-Statements und eine Podiumsdiskussion gingen anschließend darauf ein, welchen Einfluss Krisen auf Kinder haben und wie sie bei deren Bewältigung gestärkt werden können, aktuell insbesondere unter dem Eindruck des Krieges in der Ukraine und der Corona-Pandemie. Besonderer Fokus lag auf der Frage, welche Rolle digitale Technologien dabei spielen, die für Kinder immer wichtiger werden.
Rede von Elke Büdenbender
Was macht Kinder stark? Was brauchen sie, damit sie am besten für die Zukunft gewappnet sind – gerade in Zeiten wie diesen, in denen sich weltweit verschiedene Krisen zu einer mehrdimensionalen Krise zu verdichten scheinen?
Es war noch nie einfach, erwachsen zu werden, doch die Sorgen und die Vielzahl von Herausforderungen, denen wir alle – und junge Menschen ganz besonders – gegenüberstehen, ist lang: Der Krieg in der Ukraine, die globalen Ernährungsprobleme, wachsender Hunger und Armut sind unübersehbar. Die dramatischen Auswirkungen des Klimawandels sind an vielen Orten zu spüren, auch bei uns. Und vor dem Winter wächst angesichts von Energiekrise und Inflation die Gefahr, dass in unserem Land noch mehr Kinder abgehängt werden, weil ihren Eltern das Geld ausgeht.
Was macht das mit unseren Kindern und Jugendlichen? Diese Frage stelle ich mir als Mensch und als Mutter, aber auch in meiner Rolle als UNICEF-Schirmherrin immer wieder. Deshalb habe ich mich sehr darüber gefreut, dass UNICEF, das Deutsche Jugendinstitut und das deutsche NGO-Netzwerk für Kinderrechte heute zu dieser Veranstaltung eingeladen haben, um Antworten auf diese Fragen zu diskutieren und hoffentlich auch zu finden.
Begrüßen möchte ich deshalb besonders Frau Professorin Walper, Herrn Prof. Maywald und Herrn Dr. Sedlmayr, die seit vielen Jahren die Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte des Kindes begleiten.
Liebe Frau Professorin Walper, wir haben erst kürzlich in Bellevue zusammengesessen – gemeinsam mit anderen Expertinnen und Experten – und haben uns darüber ausgetauscht, was junge Menschen heute bewegt, wie wir ihnen zu mehr Teilhabe verhelfen können und auch, wie sich Bildung und Schule als Ort des Lernens und des Lebens ändern müssen. Das war eine spannende Runde, die eines bestätigt hat: Die Situation ist komplex. Es gibt nicht die eine Antwort und nicht die eine Lösung für all das, was unsere jungen Menschen umtreibt und welche Herausforderungen sie im täglichen Leben zu bewältigen haben.
Wichtig finde ich angesichts der fundamentalen Probleme, vor denen die Welt heute steht, aber vor allem eines: Wir dürfen unsere Zuversicht nicht verlieren – unsere Zuversicht und unser Vertrauen in die Kraft der jungen Generation.
Wenn mir mein Engagement als UNICEF-Schirmherrin eines gezeigt hat, dann dass Kinder und Jugendliche oft erstaunlich resilient sind. Dass sie wachsen können und zuversichtlich in die Zukunft blicken, wenn wir sie unterstützen und ihnen das Gefühl geben, dass wir sie sehen und für sie da sind.
Ich habe unglaublich starke Kinder und Jugendliche kennenlernen dürfen, die in teilweise sehr prekären Lebensumständen aufwachsen mussten: Straßenkinder in Südindien, Kinder und Jugendliche in Flüchtlingslagern in Jordanien und im Libanon, junge Frauen aus einem Armutsviertel in Johannesburg, Opfer von Gewalt und Drogenkriminalität in Kolumbien und Kinder in Nepal, deren Familien durch das verheerende Erdbeben 2015 alles verloren hatten.
Aber auch meine Gespräche mit jungen Menschen hier in Deutschland zeigten mir, dass sie sich Gedanken machen, wie sie die Welt zu einer besseren machen können, und dass sie bereit sind, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. All diese Begegnungen habe ich als inspirierend und zutiefst motivierend empfunden. Deshalb freue ich mich auch ganz besonders auf die Gedanken von den jungen Menschen, die sich heute hier einbringen werden.
Und doch möchte ich hier nicht den Anschein erwecken, dass alles in Ordnung sei und dass die jungen Menschen sich schon selbst zu helfen wissen. Denn: Gerade die Kinder und Jugendlichen, die ohnehin benachteiligt sind, brauchen jetzt besondere Unterstützung. Schon in den vergangenen zwei Pandemiejahren hatten sie besondere Belastungen zu tragen. Frau Prof. Dr. Walper wird uns ihre neuesten Forschungserkenntnisse dazu gleich präsentieren.
Besonders gefährdet sind Kinder, die aus ihrer Heimat entwurzelt wurden und nun in Deutschland Zuflucht suchen. Sie kämpfen oft mit Sorgen und Traumata, während sie gleichzeitig ankommen und sich in einem neuen Land zurechtfinden müssen. Dazu werden wir gleich von Frau Knaus mehr hören, einer unserer weltweit erfahrensten UNICEF-Mitarbeiterinnen im Feld Flucht und Migration.
Was heutzutage verschärfend hinzukommt: All diese Krisen finden auch in der digitalen Welt ihren Niederschlag. Eins zu eins wird dort darüber berichtet. Und da Kinder heute immer früher und immer mehr Zugang zu digitalen Medien haben, können sie sich dem oft gar nicht entziehen. Sie sind dort also oft auch den für sie bedrohlichen Inhalten z.B. aus dem Krieg ausgesetzt.
Die Stiftung Digitale Chancen um Jutta Croll arbeitet intensiv an diesen schwierigen Fragestellungen und hat dabei, das finde ich besonders erwähnenswert, immer den Blick auf die Rechte von Kindern und Jugendlichen. Gleichzeitig bieten digitale Technologien auch tolle Chancen, wie z.B. Fernunterricht oder auch die Möglichkeit, mit Menschen in der entfernten Heimat – Familienmitgliedern oder Freundinnen und Freunden – Kontakt zu halten.
Bevor wir diskutieren, wie, können wir jetzt schon festhalten, dass wir unsere Kinder und Jugendlichen nicht alleine lassen dürfen und unbedingt unterstützen müssen. Wir müssen ihre Rechte auf eine unbeschwerte Kindheit wahren und sie auf dem steinigen Weg durch die Gegenwart Richtung Zukunft begleiten.
Gleichzeitig finde ich es wichtig, dass wir die junge Generation als Verbündete auf Augenhöhe betrachten. Die Probleme unserer Zeit können wir nur gemeinsam angehen und lösen. Viele Menschen haben heute verstanden, dass wir unsere Art zu leben und zu konsumieren verändern müssen, wenn wir eine nachhaltige Zukunft schaffen wollen. Wenn wir nur mit Sorge und negativer Erwartung auf die Zukunft starren, können wir nichts Positives bewirken.
In diesem Sinn möchte ich Sie alle auffordern, den Gestaltungswillen der jungen Generation aufzugreifen und zu nutzen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. Denn wir brauchen gerade jetzt dringend verstärkte Anstrengungen und Investitionen in die Verwirklichung der Kinderrechte – für jedes Kind.
Was konkret zu tun ist, das wollen wir heute diskutieren. Ich wünsche uns allen einen bereichernden Abend und bin gespannt auf unsere Ergebnisse.