Elke Büdenbender hat beim 2. WunderNova Frauen Sommer- und Thinkfest in Berlin am 28. August eine Ansprache gehalten.
Ansprache von Elke Büdenbender
Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.
Ich freue mich wirklich sehr, zum zweiten Mal am WunderNova-Sommerfest teilnehmen zu können. Und vor allem freue ich mich, dass es in diesem Jahr stattfindet und nicht wieder pandemiebedingt abgesagt werden muss.
Ich schätze das WunderNova-Sommerfest so sehr, weil es beim vergangenen Mal genau das gehalten hat, was es versprochen hatte: good vibes only, vor allem: good spirit only! Die gute Stimmung, dieser positive, aber dennoch nicht verbissene Kampfeswille hat mich wirklich begeistert. Und soweit ich das eben in der Pause schon spüren konnte: Dieses Jahr sind Sie nicht weniger gut drauf!
Sie alle sind gekommen, um das zu tun, was für uns Frauen immer noch so wichtig ist: Sie sind gekommen, um sich miteinander zu verbinden, um sich über Ideen, aber auch die eigene Geschichte auszutauschen, um einander Vorbild zu sein und um gemeinsam füreinander, für uns Frauen einzutreten. Für uns und unsere gleichberechtigte Teilhabe in dieser Gesellschaft und in dieser Welt.
Es mag wie ein kleiner Schritt im gesamten Gefüge des Lebens und der Welt wirken, aber das ist es nicht: Die Begegnung von Menschen darf in ihrer Bedeutung für Wandel und Veränderung nicht unterschätzt werden.
Denn: Ohne die Begegnung mit anderen kommt der Mensch nicht aus. Er braucht ein Gegenüber, andere Menschen, die mit ihm leben. Das war immer so und ist so geblieben. Auch in unserer heutigen Gesellschaft, in unserer heutigen Welt sind Begegnungen und daraus entstehende Netzwerke und Freundschaften von entscheidender Bedeutung für unsere Weiterentwicklung und Gemeinschaft. Wir Menschen brauchen andere Menschen, die uns ein Vorbild sein können und die uns Inspiration geben. Menschen, die uns unterstützen und fördern und fordern, um uns weiter zu entwickeln. Das kann auch herausfordernd sein, denn wir müssen Überzeugungen oder auch Lebensentwürfe hinterfragen und überdenken. Andererseits hilft es uns, gibt uns Orientierung und kann vor allem Unterstützung und Solidarität bedeuten.
Das gilt natürlich grundsätzlich für alle Menschen, aber für uns Frauen gilt es besonders. Wir müssen miteinander in den Austausch treten, wir müssen Netzwerke bilden, um füreinander einzutreten und um uns gemeinsam für die Interessen der Frauen stark zu machen. Denn auch wenn wir Frauen in vielen Ländern dieser Welt in unserem Kampf um Gleichberechtigung schon weit gekommen sind – Männer und ihre kulturellen Spielregeln dominieren nach wie vor in Parlamenten und Parteien, in Konzernen und Betrieben, in der Forschung und an Universitäten, am Theater oder Filmset, in der Chefredaktion oder im Verlag. Dort, wo es um Einfluss geht, findet sich zuallermeist: ein Mann. Und es gibt noch immer zu viele Länder, in denen Frauen nicht die gleichen Rechte haben wie Männer.
Wie wahrscheinlich wir alle, denke ich gerade in diesen Tagen an die Mädchen und Frauen in Afghanistan. Sie waren auf einem so guten Weg. Endlich konnten sie Schulen besuchen, studieren, eine Ausbildung machen. Sie hatten Träume und Ambitionen – und die berechtigte Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben in einem Staat, der sich bemühte, eine Demokratie zu werden. Nun sind all‘ diese Hoffnungen innerhalb weniger Stunden und Tage zerstört worden. Und noch viel schlimmer: Sie müssen nicht nur ihre Hoffnungen und Träume begraben, sondern obendrein um ihr Leben fürchten.
Die Weltgemeinschaft, wir alle müssen ein Zeichen der Solidarität setzen mit den Frauen in Afghanistan und ihnen beistehen, wo immer wir können.
Die Lage in Afghanistan, wie auch noch in vielen Teilen der Welt und gerade in Krisengebieten, zeigt überdeutlich: Rechte für Frauen sind noch immer nicht selbstverständlich, Frauen, Mädchen, Kinder und Jugendliche insgesamt sind meist die ersten Opfer von Krieg und Gewalt.
Dennoch gilt: Wir Frauen sind nicht nur Opfer! Oft wird die aktive Rolle von Frauen in Konflikten und Krisensituationen unterschätzt. Es zeigt sich immer wieder: In der Schaffung von Frieden, dem Wiederaufbau und der Transformation von Gesellschaften nach Krisen spielen Frauen stets eine wichtige Rolle. Mit der UN-Resolution 1325, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen vor gut 20 Jahren verabschiedete, wird dieser Tatsache Rechnung getragen. Deutschland engagiert sich weltweit für die Agenda Frauen, Frieden, Sicherheit
, und das ist auch richtig so. Wir dürfen nicht müde werden, ihre Umsetzung einzufordern – auch jetzt nicht, wo wir in Afghanistan einen vermeintlichen Rückschlag erleben. Gerade jetzt nicht.
Und deshalb müssen Frauen weiter für die Gleichberechtigung kämpfen, im In- wie auch im Ausland. Und das können sie am besten, wenn sie sich begegnen und sich zusammentun.
In den vergangenen viereinhalb Jahren meiner Arbeit an der Seite des Bundespräsidenten habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich sehr viel von Frauen aus anderen Ländern lernen kann, von ihrem Kampf, ihrem Mut und von ihrem Selbstbewusstsein, unter schwierigen Bedingungen für eine Verbesserung ihrer Lebenssituation einzutreten. Gerade auch in den Ländern jenseits Europas, in Afrika, in Zentralasien, in Asien. Die Begegnung mit ihnen hat mir gezeigt, dass Frauen auch unter widrigen Bedingungen bereit und in der Lage sind, für ihre Rechte einzutreten. Wir in Europa können viel von ihnen lernen. Selbst wenn wir es in den meisten Staaten Europas schon weit gebracht haben – es gibt noch Missstände, gegen die wir immer noch sehr nachdrücklich und hartnäckig angehen müssen. Ich nenne hier nur beispielhaft: ungleiche Bezahlung, die ungerechte Verteilung von Sorgearbeit, die Unterrepräsentanz von Frauen auf Führungsebenen in allen Bereichen unserer Gesellschaft einschließlich der Parlamente und in den Regierungen von Bund, Ländern und Kommunen.
Liebe Frauen, wir leben in einer Welt – die Folgen des Klimawandels und der Corona-Pandemie, die Folgen von Krieg und Vertreibung führen das deutlich wie nie vor Augen. Zudem zeigte sich während der Corona-Pandemie, dass in allen betroffenen Ländern, aber vor allem in den ärmeren Teilen der Welt es vor allem die Frauen waren, die die Last der Pandemiefolgen zu tragen hatten und haben. Diese Last bedeutet allerdings nicht, einfach Opfer zu sein, sondern vor allem die Last der Verantwortung zu tragen. Und auch das zeigte sich weltweit: Wir Frauen haben die Verantwortung getragen.
Lassen Sie uns dessen nicht müde werden. Lassen Sie uns die globalen Herausforderungen als Chance begreifen! Wir müssen mit an die Verhandlungstische! Wir müssen mitreden bei allen Entscheidungen! Denn Entscheidungen, bei denen Frauen mitgewirkt haben, können nur bessere sein – davon bin ich überzeugt.
Lassen Sie uns deshalb Vorbilder sein und noch mehr: Wegbegleiterinnen, Mentorinnen, Freundinnen, Verbündete. Dafür müssen wir uns auch weiterhin zusammenfinden, gemeinsam den Weg gehen, Netzwerke bauen, die uns und denen, die uns folgen, Halt, Sicherheit und Zuspruch geben. Netzwerke innerhalb unserer Heimatländer, aber auch über deren Grenzen hinweg.
Eine Welt in der Krise ist immer auch eine Welt in Bewegung. Jetzt ist die Zeit, diese Bewegung in unsere Richtung zu lenken. Sie tragen dazu maßgeblich bei – durch Ihr Hiersein, Ihr Dabeisein, Ihr Mutig- und-Motiviert-Mitmischen. Vielen herzlichen Dank dafür!