Virtuelle Eröffnungsansprache beim Klimadialog der IG Metall mit Antje Boetius

Schwerpunktthema: Bericht

28. Oktober 2020

Elke Büdenbender hat am 28. Oktober die Eröffnungsansprache beim Klimadialog der IG Metall mit der Klimaforscherin Antje Boetius gehalten.

Auf Initiative von Elke Büdenbender waren Betriebsratsvorsitzende aus der Automobilindustrie, der Stahlindustrie, der Luftfahrtindustrie, der Bahnindustrie, dem Schiffbau sowie dem Energieanlagenbaus und der Windkraftindustrie eingeladen zu einem offenen Austausch über Fragen ambitionierter Klimaschutzziele im Spannungsfeld mit der Sicherung von Arbeitsplätzen.

Elke Büdenbender als Teilnehmerin beim virtuellen Klimadialog der IG Metall mit Antje Boetius (Screenshot)

Elke Büdenbender hat am 28. Oktober die Eröffnungsansprache beim Klimadialog der IG Metall mit der Klimaforscherin Antje Boetius gehalten.

Auf Initiative von Elke Büdenbender waren Betriebsratsvorsitzende aus der Automobilindustrie, der Stahlindustrie, der Luftfahrtindustrie, der Bahnindustrie, dem Schiffbau sowie dem Energieanlagenbaus und der Windkraftindustrie eingeladen zu einem offenen Austausch über Fragen ambitionierter Klimaschutzziele im Spannungsfeld mit der Sicherung von Arbeitsplätzen.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Protest ersetzt keine demokratischen Mehrheiten innerhalb der für die Entscheidungen zuständigen Institutionen. Das Aushandeln von Interessengegensätzen (…) bleibt mühsam und oft langwierig.

Ich zitiere hier aus der Rede des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Amartya Sen am 18. Oktober 2020. Warum nehme ich darauf Bezug?

Unser virtuelles Treffen soll ein Auftakt sein für einen Austausch zwischen Wissenschaft und Forschung – vertreten durch Professorin Boetius – und Betriebsrätinnen und Betriebsräten aus Industriebetrieben. Wir wollen sprechen über die Folgen des Klimawandels und vor allem darüber, wie wir angemessen und für beide Seiten möglichst gewinnbringend darauf reagieren können. Unsere Gastgeberin und Organisatorin des Treffens ist Deutschlands größte Gewerkschaft und die weltweit größte organisierte Arbeitnehmervertretung, die die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aus der Metall-/Elektro-, Stahl-, Textil-/Bekleidungs-, Holz/-Kunststoff- und Informations- und Kommunikationstechnologiebranche vertritt – die Industriegewerkschaft Metall, deren Mitglied ich seit 41 Jahren bin.

Ich danke Ihnen allen sehr für Ihre Bereitschaft, an diesem Austausch teilzunehmen.

Die deutsche Industrie gilt vielen als das klimapolitische Übel schlechthin. Andererseits ist sie sehr innovativ, sichert die Existenz und auch den Wohlstand von Millionen Menschen und ist bereits seit Jahrzehnten – Stichwort Automatisierung, Rationalisierung, Arbeitsverdichtung, Digitalisierung – einem Wandel unterworfen, der Arbeitsplätze verändert oder diese ganz entfallen lässt.

Und jetzt, so möchte man sagen, auch noch der Klimawandel! Kein vernünftiger Mensch wird den menschengemachten Klimawandel bestreiten. Man mag über die Schnelligkeit und über die konkreten Auswirkungen streiten, aber es steht doch außer Frage, dass die Erderwärmung stattfindet und dass die Folgen gravierend sind.

Das macht den Menschen Angst. Zum einen weil wir die Folgen mindestens in den letzten drei Sommern ganz handfest gespürt haben – Eisflächen im Polarmeer schmelzen, Permafrostböden tauen, Extremwetterereignisse nehmen zu –, zum anderen aber auch, weil die Reaktion darauf Veränderungen mit sich bringt, die Arbeitsplätze verändern oder auch wegfallen lassen können.

Bis 2050 soll Deutschland klimaneutral sein. So lautet die Zielbestimmung, zu der sich die Bundesrepublik auch international verpflichtet hat. Was aber bedeutet dies für die industrielle Produktion, für ihre Verfahren, vor allem aber auch für ihre Produkte und Arbeitsplätze? Diese Frage bleibt umstritten, und sie ist ihrerseits Grund für Sorgen und Zukunftsängste.

Ich bin der Meinung – und hier knüpfe ich an das eingangs zitierte Statement an –, dass wir über die Notwendigkeit, auf den Klimawandel angemessen und wirksam zu reagieren, viel breiter und vor allem miteinander diskutieren müssen. Nur so können wir überzeugen, Menschen aufklären und wertschätzend und ernsthaft unterschiedliche Standpunkte und objektiv gegenläufige Interessen abwägen.

Für unsere Demokratie, unsere Lebensweise ist entscheidend, dass informierte, aufgeklärte Bürgerinnen und Bürger Entscheidungen treffen oder mittragen, die auch ganz konkrete Auswirkungen auf ihr Leben haben.

Im Hinblick auf die Frage, was der Klimawandel bedeutet und welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Auswirkungen zumindest zu begrenzen, brauchen wir Menschen, die bereit sind, sich Diskussionen zu stellen, ihre Kompetenzen und Erkenntnisse zu teilen, aufzuklären und sich zu streiten.

Menschen wie Professorin Boetius. Lassen Sie mich Professorin Boetius kurz vorstellen:

Professorin Boetius ist deutsche Meeresbiologin und Professorin der Universität Bremen. Seit Januar 2015 ist sie Vorsitzende des Lenkungsausschusses von Wissenschaft im Dialog, und seit November 2017 leitet sie zusätzlich das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven.
Sie sagt von sich, dass sie von ihrem Großvater, der Seefahrer war und angeblich drei Schiffsuntergänge überlebt hat und zu den Überlebenden des tragischen Flugs der Hindenburg zählt, zu ihrem Beruf inspiriert worden sei. Ich selbst kenne Frau Professor Boetius von den Reisen meines Mannes nach Finnland, Island und Südamerika sowie vom Bürgerfest im vergangenen Jahr, wo sie zusammen mit dem deutschen Astronauten Alexander Gerst zu Gast war. Auch beim UNICEF-Neujahrsgespräch, das ich als Schirmherrin jedes Jahr in Schloss Bellevue ausrichten darf, war sie dabei und diskutierte eindrucksvoll über Kinderrechte und eine nachhaltige Entwicklung mit. Sie hat, ich kann das aus eigener Erfahrung sagen, die Gabe, komplizierte wissenschaftliche Zusammenhänge verständlich und zugleich fesselnd zu erklären, unmissverständlich die Folgen des Klimawandels aufzuzeigen und dennoch Zuversicht zu verbreiten. Immer wieder sucht sie auch den politischen Dialog.

Zuletzt war sie als Leiterin des Alfred-Wegener-Instituts für die MOSAiC-Expedition des Expeditionsschiffes des Instituts – die Polarstern – verantwortlich. Mit den in 389 Tagen gewonnen Daten aus der Arktis wollen die Forscherinnen und Forscher den Klimawandel besser verstehen.

Aus meinen früheren Jahren in der IG Metall, in denen ich mich aktiv für höhere Löhne und verbesserte Arbeitsbedingungen für die Arbeitnehmerinnen und -nehmer eingesetzt habe, weiß ich, dass diese Gewerkschaft aufgeschlossen ist und in der Lage, sich dem gesellschaftlichen Wandel anzupassen und ihn vor allem mitzugestalten. Es war die IG Metall, die schon 1972 einen vielbeachteten Kongress zur Lebensqualität organisiert hat – angestoßen durch den schon schwer erkrankten Vorsitzenden Otto Brenner, der kurz vor dem Kongress verstarb. Deshalb glaube ich, dass diese Gewerkschaft in besonderer Weise geeignet ist, einen produktiven Klimadialog zu führen, der Arbeitnehmerinteressen einbezieht.

Insgesamt findet hier nun damit ein Austausch zwischen Expertinnen und Experten aus verschiedenen, aber doch zusammengehörenden Lebens-, Arbeits- und Forschungsbereichen ersten Ranges statt. Ich bin sehr gespannt auf die Diskussion und darauf, zu welchen Ergebnissen Sie kommen werden. Ich freue mich darauf und danke Ihnen von Herzen, dass Sie sich dieses wichtigen Themas annehmen.