Verleihung 10. Women‘s Awards 2020 – Für starke Frauen in der IT

Schwerpunktthema: Bericht

28. September 2020

Elke Büdenbender hat am 28. September an der Verleihung der "10. Women‘s Awards 2020 – Für starke Frauen in der IT" in Dresden teilgenommen. Die Auszeichnung, ausgelobt durch die Carl Zeiss Digital Innovation GmbH, wurde 2011 als "Saxonia Woman Award" ins Leben gerufen, um erfolgreiche junge Informatikerinnen öffentlich zu würdigen und mehr Frauen für einen Beruf in der Informatikbranche zu gewinnen.

Elke Büdenbender bei der Verleihung der '10. Women‘s Awards 2020 - Für starke Frauen in der IT' an Louisa Fay von der Universität Stuttgart

Elke Büdenbender hat am 28. September an der Verleihung der 10. Women‘s Awards 2020 – Für starke Frauen in der IT in Dresden teilgenommen.

Die Auszeichnung, ausgelobt durch die Carl Zeiss Digital Innovation GmbH, wurde 2011 als Saxonia Woman Award ins Leben gerufen, um erfolgreiche junge Informatikerinnen öffentlich zu würdigen und mehr Frauen für einen Beruf in der Informatikbranche zu gewinnen.

Hauptpreisträgerin Louisa Fay studiert Elektro- und Informationstechnik im Masterstudiengang an der Universität Stuttgart. Der zweite und dritte Preis gingen an die Informatik-Studentinnen Fatima El Hassan von der HTW Berlin und Jana Eisoldt von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg.

Die Preisträgerinnen sind nicht nur leistungsstarke junge Informatikerinnen, sondern engagieren sich neben ihrem Studium auch für soziale und gesellschaftliche Belange und besitzen durch ihre Persönlichkeit eine Vorbildwirkung.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Stellen Sie sich folgendes vor: Es sind die 1920er Jahre. Ein kleines Mädchen betritt einen Klassenraum mit wesentlich älteren, überwiegend männlichen Jugendlichen. Allein schon der Altersunterschied flößt ihr Respekt ein. Der Lehrer reicht ihr ein Stück Kreide und bittet sie, eine komplexe mathematische Gleichung nach x hin aufzulösen. Skeptische Blicke sind auf sie gerichtet. Aber sie geht zielstrebig an die Tafel und löst die Aufgabe mit Bravour.

Nun stellen Sie sich dieses Mädchen vier Jahrzehnte später als Frau mitten im Leben vor. Als sogenannter menschlicher Computer arbeitet sie inzwischen für die Vorgängerorganisation der NASA. Sie betritt einen Raum voller Männer und versucht, ihren neuen Arbeitsplatz zu finden. Wieder sind skeptische Blicke auf sie gerichtet. Wieder beweist sie ihren Kollegen, dass sie allen Vorurteilen zum Trotz eine herausragende Mathematikerin ist.

Ich habe gerade zwei Szenen aus dem Film Hidden Figures – Unbekannte Heldinnen skizziert. Der breiten Öffentlichkeit war vor dessen Ausstrahlung unbekannt, dass hinter dem ersten Amerikaner im Weltraum und der Mondlandung nicht nur ein Team männlicher Wissenschaftler stand. Es waren Mathematikerinnen – angestellt als menschliche Computer –, die maßgebliche Beiträge zur Berechnung der Flugbahn des Mercury-Programms und zum ersten Flug eines Menschen zum Mond lieferten.

Der Film Hidden Figures beinhaltet vielschichtige Kritik an der Gesellschaft der USA in den 1960er Jahren. Die Trennung von Weißen und Schwarzen steht dabei im Vordergrund – aber es geht eben auch um das Klischee Frauen können kein Mathe.

Nicht nur aufgrund der vielschichtigen Gesellschaftskritik habe ich den Film gern geschaut. Ich bin begeistert, dass er die beeindruckende Geschichte von Katherine Johnson und ihren Kolleginnen einem breiten Publikum bekannt gemacht hat. Und ich bin begeistert, dass er zeigt: Es gab sie schon immer, Mathematikerinnen und Wissenschaftlerinnen.

Denn wir Frauen können alles, was Männer auch können. Die Geschichten großer Frauen müssen nur ebenso erzählt werden wie die großer Männer.

To compute bedeutet aus dem Englischen übersetzt ganz einfach rechnen. Menschliche Computer sind also Menschen, die rechnen. Dieser Beruf, wenn man so will, geht weit zurück und ist kein Phänomen des letzten Jahrhunderts, bis schließlich Maschinen das Rechnen übernommen haben.

Bereits im 18. Jahrhundert stellten Teams von Mathematikerinnen und Mathematikern Berechnungen für wissenschaftliche Zwecke an. Die Arbeitsschritte und Aufgaben waren dabei nach demselben System organisiert, wie es unsere heutigen Computer sind: Jede Person führte einen konkreten Rechenschritt aus.

Eingesetzt wurden diese Teams menschlicher Computer anfänglich vor allem für komplexe Berechnungen und das Erstellen mathematischer Tabellen im Bereich der Astronomie. Zunächst war die Tätigkeit Frauen bis auf einige Ausnahmen verwehrt.

Dies änderte sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als zeitgenössische Astronominnen als Arbeitsgruppe der Harvard Computers Berechnungen übernahmen. Diesen zuweilen großen Teams standen einzelne Wissenschaftler vor, die eher Berühmtheit erlangten als diese Frauen im Hintergrund.

Mit dem wissenschaftlichen Fortschritt stieg auch der Bedarf an Computern für das Generieren der Daten. Ebenso wenig bekannt wie die Heerscharen an Mathematikerinnen im Hintergrund dürfte es sein, dass das Arbeitsmodell des Homeoffice keine Erfindung des 21. Jahrhunderts ist. Schon damals erprobte man im Rahmen der Rekrutierung von Personal neue Modelle – eines davon war das Arbeiten von zuhause.

Heute geht es beim Homeoffice vor allem um Fragen der Vereinbarkeit, damals ging es um Produktivitätssteigerung und billige Arbeitskräfte. Für gebildete Frauen der bürgerlichen Mittelschicht war es undenkbar, in der Öffentlichkeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das Arbeiten im eigenen Heim schien ein guter Kompromiss – für beide Seiten. Ob dieser Kompromiss und das Arbeiten von Mathematikerinnen fernab der öffentlichen Wahrnehmung eine der Quellen des sich noch heute hartnäckig haltenden Klischees Frauen können kein Mathe ist, bleibt Spekulation.

Menschliche Computer wurden durch Rechenmaschinen ersetzt. Nun könnte man schlussfolgern, dass nach demselben Muster menschliche Intelligenz zunehmend durch Künstliche Intelligenz ersetzt wird. Wir alle wissen und spüren tagtäglich, dass die Digitalisierung unsere private und berufliche Lebenswelt verändert. Kluge Geräte und intelligente Software erleichtern uns den Alltag oder übernehmen Aufgaben komplett. Sie gelten als billiger und effizienter als Menschen.

Aber sie ersetzen uns Menschen nicht. Denn am Anfang eines jeden Gerätes und einer jeden Software stehen Programmiererinnen und Programmierer. Die Maschinen übernehmen die Perspektive der Menschen inklusive aller Vorurteile, die in unserer Gesellschaft bestehen. Anders als wir können sie die Dinge nicht hinterfragen. Und deshalb ist es wichtig, dass wir Menschen dies übernehmen.

Noch wichtiger ist es, dass die heutige Heerschar an Programmiererinnen und Programmierern so heterogen wie möglich ist. Nur so können wir verhindern, dass bestehende Klischees von der Künstlichen Intelligenz übernommen und weiterentwickelt werden. Und darum wiederhole ich es immer wieder: Wir Frauen dürfen die Digitalisierung nicht den Männern überlassen!

Dass es hervorragende Informatikerinnen gibt, sehen wir an den Bewerberinnen für den Women‘s Award 2020. Viola Klein hat diese Veranstaltung vor gut zehn Jahren nicht ins Leben gerufen, um zu beweisen, dass es hervorragende Informatikerinnen gibt. Sondern sie will, dass das ganz einfach Normalität wird: Männer und Frauen können Digitalisierung!

Da es eher selten vorkommt, dass ein Hollywood-Streifen ein Lebenswerk dem breiten Publikum bekannt macht – und es mir ehrlich gesagt auch viel zu spät wäre, die Geschichten unserer heutigen Preisträgerinnen erst in weiter Zukunft zu würdigen –, ist es mir eine Freude und eine Ehre, auch heute wieder an der Verleihung der Women‘s Awards teilzunehmen.

Nicht nur die eingereichten Abschlussarbeiten im Bereich der Studienfächer Informatik, der Wirtschaftsinformatik und Medieninformatik sind beeindruckend – auch das ehrenamtliche Engagement, das die jungen Frauen nebenbei zusätzlich leisten, verdient Anerkennung. Rollenvorbilder finden wir nicht nur auf großen Leinwänden im Kino, sondern auch im wahren Leben. Und Sie alle, liebe Nachwuchsinformatikerinnen, sind Rollenvorbilder für jedes kleine Mädchen, das vielleicht gleich zu Beginn seiner Schulzeit feststellt: Mathe macht richtig Spaß!

Liebe Damen und Herren, wenn Sie mir einen Wunsch gestatten: Erzählen Sie bitte nicht nur die Geschichte der menschlichen Computer und des Homeoffice in ihrem Freundes- und Bekanntenkreis, sondern auch die Geschichten von unseren diesjährigen Preisträgerinnen! Leisten Sie auf diese Weise einen Beitrag, das Klischee des ausschließlich männlichen IT-Nerds, der die Digitalisierung gestaltet, zu beseitigen!

Freuen wir uns nun gemeinsam auf einen spannenden Abend.