Abschlusskonferenz der European Vocational Skills Week

Schwerpunktthema: Bericht

18. Oktober 2019

Elke Büdenbender hat am 18. Oktober auf der Abschlusskonferenz der European Vocational Skills Week in Helsinki eine Rede gehalten.

Elke Büdenbender spricht auf der Abschlusskonferenz  der 4. European Vocational Skills Week in Helsinki.

Elke Büdenbender hat als nationale Botschafterin für Deutschland an der 4. European Vocational Skills Week in Helsinki teilgenommen, die von der Europäischen Kommission ausgerichtet wird.

Auf der Abschlusskonferenz am 18. Oktober hat sie eine Rede gehalten.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Vor ein paar Wochen war ich bei uns in Deutschland auf einer Veranstaltung in Dresden. Es wurden die Saxonia Women Awards verliehen. Seit 2011 werden mit diesem Preis ausschließlich Frauen für ihre herausragenden Bachelor-, Master- oder Doktorarbeiten ausgezeichnet.

Ja, Sie fragen sich zu Recht nun sicher, warum ich Ihnen davon erzähle, geht es bei der Vocational Skills Week ja gerade nicht um die Hochschulen und Akademiker, sondern um die berufliche Bildung und die Auszubildenden.

Das Besondere allerdings an den Saxonia Women Awards ist das Themenfeld, in dem bemerkenswerte Frauen ausgezeichnet werden – es handelt sich nämlich um Frauen, die ein überragendes Talent für die Mathematik und die übrigen Naturwissenschaften haben. Mit diesem Award werden Absolventinnen, man könnte auch sagen: Talente der Informatik ausgezeichnet.

Und das genau ist die Brücke von Dresden nach Helsinki: #DiscoverYourTalent lautet der Hashtag für unsere VET Week.

Wie aber findet zum Beispiel ein Mädchen heraus, dass sie naturwissenschaftlich begabt ist, wenn es, zumindest bei uns in Deutschland, immer noch ganz oft heißt: Mädchen können kein Mathe?

Wir haben in Deutschland eine von verschiedenen Bundesministerien initiierte Initiative, deren Ziel es ist, Geschlechterklischees bei der Berufswahl zu beseitigen. Natürlich können Frauen Informatikprofessorin werden, genauso wie Männer in Pflegeberufen arbeiten können. Als Schirmherrin dieser Initiative ist es mir mehr als ein wichtiges Anliegen, immer wieder darauf hinzuweisen, dass ausschlaggebend für die Berufswahl junger Menschen nicht gesellschaftliche Konventionen und Rollenklischees sein sollten, sondern ausschließlich Interessen und Talente. Und die Aufgabe von uns Erwachsenen ist es, den jungen Menschen dabei zu helfen, ihre Talente wirklich zu entdecken.

Dabei spielt es keine Rolle, ob der Weg in den Beruf über eine Ausbildung oder über ein Studium führt, denn beide Wege führen ans Ziel. Manchen liegt eben die praktische Orientierung einer Ausbildung eher, anderen die theoretische Ausgestaltung eines Studiums.

Weder in Europa noch anderswo können es sich die Gesellschaften leisten, auf auch nur ein einziges Talent zu verzichten! Und keinesfalls sollten wir Frauen den Männern das Feld der Digitalisierung überlassen. Davon bin ich ganz fest überzeugt. Denn wir wollen vielfältige Perspektiven und Erfahrungen von Männern und von Frauen in die Gestaltung unser aller Zukunft voranzubringen. Wir wollen gleiche Chancen und keine Benachteiligungen durch gläserne Decken. Gleichberechtigte Teilhabe macht unsere Gesellschaft gerechter, sie macht unsere politischen Antworten besser, und sie macht unsere Demokratie zukunftsfest.

Die Zukunft gehört uns allen, Männern und Frauen! Deshalb müssen wir sie auch gemeinsam gestalten. Die immer weiter fortschreitende Digitalisierung verlangt von Schülerinnen und Schülern, Auszubildenden, Studierenden, Berufstätigen, ja von einfach jeder und jedem zunehmend neue und andere Fähigkeiten. Der Alltag verändert sich, genauso aber Berufsprofile. Manche traditionellen Berufe werden verschwinden, neue werden entstehen. Niemand kann es sich mehr leisten, einen Bogen um das Internet zu machen oder sich technischem Fortschritt zu versperren.

Und deshalb ist es nicht richtig, dass wir Frauen in Deutschland im MINT-Bereich aus folgenden Gründen auffallen: Wir fallen auf, weil der Anteil von Studienanfängerinnen in den MINT-Fächern bei rund 30 Prozent liegt – Männer sind in der Mehrzahl. Wir fallen auf, weil der Anteil von jungen Frauen, die eine Ausbildung in MINT-Berufen beginnen, bei 11 Prozent liegt – wieder sind Männer in der Mehrzahl.

Bei uns gelten Frauen im MINT-Bereich als etwas Besonderes, weil unsere Gesellschaft es als etwas Besonderes betrachtet, wenn sich Mädchen und junge Frauen für Technik interessieren. Ich wünsche mir aber, dass Frauen künftig nur noch auffallen, weil es so viele und so viele talentierte Frauen im MINT-Bereich gibt! Nur so kann der Wandel durch Digitalisierung von Frauen und Männern gemeinsam gestaltet und begleitet werden. Heute Nachmittag werde ich mir hier in Helsinki die Hive Coding School anschauen. Dort werden Programmiererinnen und Programmierer ausgebildet – ganz unkonventionell: Es gibt kein Lehrpersonal, keine Vorlesungen in Klassenräumen, stattdessen erfolgt alles digital, online und über peer-to-peer Learning. Ich bin sehr gespannt zu erfahren, wie das Lernen dort vor Ort, aber auch wie sich die Situation im MINT-Bereich in Finnland allgemein gestaltet.

Es ist mir nicht nur eine große Ehre, auch in diesem Jahr wieder Deutschlands nationale Botschafterin der Vocational Skills Week sein zu dürfen. Sondern ich freue mich ganz besonders, dass der Schwerpunkt der VET Week im nächsten Jahr, die vom 9. bis 13. November 2020 in Berlin stattfinden wird, den Fokus auf das Thema exzellente Berufsbildung in Zeiten des digitalen Wandels richten wird.

Lassen Sie uns bis dahin nicht untätig sein, helfen wir jungen Talenten, ihren Weg zu finden und zu meistern! Und befähigen wir somit unsere Gesellschaften – Frauen und Männer Hand in Hand –, Zukunft vor allem auch in Zeiten des Wandels zu gestalten! Ich würde mich freuen, viele von Ihnen nächstes Jahr in Berlin wiederzusehen!

Herzlichen Dank!

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier