Elke Büdenbender hat am 14. Oktober bei der Festveranstaltung zum gemeinsamen 10-jährigen Jubiläum von Teach First Deutschland, Rock your Life! und des Bundesverbandes Seniorpartner in School e.V., im Roten Rathaus in Berlin eine Rede gehalten.

Alle drei Organisationen haben es sich zur Aufgabe gemacht, Schülerinnen und Schüler unterstützend zu begleiten, indem sie ihnen in ihrer Schullaufbahn und beim Übergang von der Schule zum Beruf Mentoren an die Seite stellen.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Bildung ist ein Lebensweg. Bildung ist der Lebensweg. Bildung sollte uns alle ein Leben lang begleiten. Kinder kommen als wissbegierige kleine Menschen zur Welt. Sie wollen wissen, wie das alles so funktioniert in der Welt. Sie wollen wissen, warum Bälle fallen, wenn wir sie loslassen – oder manchmal auch Mamas Lieblingstasse. Sie wollen wissen, warum die Sonne scheint und warum es im Winter kalt ist.

Die meisten Kinder wollen unbedingt Lesen und Schreiben und Rechnen lernen, wenn sie in die Schule kommen – oder sogar schon vorher. Und deshalb müssen wir alles daran setzen, Kindern zu ermöglichen, diesen Wissensdurst zu stillen. Und mehr noch: Wir müssen das allen Kindern ermöglichen, und zwar in gleichem Maße, egal woher sie kommen, egal aus welchem Elternhaus, bildungsfern oder bildungsnah, arm oder reich. Egal aus welchem Sprach- oder Kulturbereich. Alle Kinder haben das gleiche Recht auf Bildung, und zwar nicht nur zu Schulbeginn, sondern ein Leben lang, auch als Erwachsene. Kinder sind unsere Schätze, und wir können es uns nicht leisten, auch nur eines zurückzulassen.
Dazu müssen wir alle beitragen – in unseren jeweiligen Bereichen. Das sind in erster Linie natürlich die Eltern, Lehrerinnen und Lehrer, Bildungspolitikerinnen und -politiker. Aber ich finde, darauf können wir uns nicht ausruhen. Es muss darüber hinausgehen. Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Deshalb finde ich es großartig, wenn Menschen, die eigentlich mit dem Schulbetrieb gar nicht unmittelbar zu tun haben, auf die Idee kommen, genau dorthin zu gehen und ihre Hilfe anzubieten. Die hingehen, anpacken und das Ganze dann sogar institutionalisieren. Die Organisationen gründen, um diese Hilfe noch mehr Kindern und Jugendlichen zugutekommen zu lassen.

Diese Menschen wollen wir hier heute feiern: Es sind die Gründerinnen und Gründer der drei Organisationen Rock Your Life, Teach First Deutschland und Seniorpartner in School, die es nun alle seit genau zehn Jahren gibt. Und mit ihnen wollen wir selbstverständlich auch die vielen Menschen ehren, die sich für diese Organisationen engagieren.

Über Rock Your Life gehen Studierende während ihres Studiums als Mentoren an Haupt- und Mittelschulen, um benachteiligte Schülerinnen und Schüler in den letzten ein bis zwei Jahren der Schulzeit – also der neunten und zehnten Klasse – eins zu eins zu begleiten. Gemeinsam arbeiten sie mit ihren Mentees daran, deren Potenziale zu entdecken. Die Treffen finden regelmäßig und je nach Bedarf statt, in der Regel aber alle zwei Wochen. Ein bundesweites Unternehmensnetzwerk, mit dem Rock Your Life kooperiert, hilft den Schülerinnen und Schülern beim Einstieg in das Berufsleben und ermöglicht den Unternehmen, motivierte Auszubildende zu finden. Das ist sehr wirksam!

Über Teach First Deutschland werden Hochschulabsolventinnen und -absolventen aller Fachrichtungen für zwei Jahre an Brennpunktschulen eingesetzt – bis auf wenige Ausnahmen sind das Oberschulen. Hier assistieren sie im Unterricht oder unterrichten sogar selbst. Auch bieten sie oft außerschulische Aktivitäten an. Sie stehen den Schülern mit Rat und Tat zur Seite und helfen ihnen, ihre Stärken zu entdecken. Als Schirmherrin von Teach First Deutschland habe ich schon mehrere Fellows begleiten und auch zwei von ihnen im Unterricht erleben dürfen und muss sagen: Ich war beeindruckt – es funktioniert!

Seniorpartner in School e.V. bildet Menschen ab 55 zu Mediatoren aus, die ehrenamtlich jungen Menschen in Schulen bei der Lösung ihrer Probleme wie Ausgrenzung und Schulversagen helfen. Dabei stehen Maßnahmen der gewaltfreien Kommunikation, der Gewaltprävention, der Integration und der Förderung der sozialen Kompetenz von Kindern und Jugendlichen im Mittelpunkt. So entwickeln Seniorpartner zum Beispiel in Mediationsgesprächen mit den jungen Menschen Wege zu einer gewaltfreien Lösung von Konflikten. Das Ziel ist immer die Hilfe zur Selbsthilfe. Sie machen diese jungen Menschen selbstbewusst. Sehr gut!

Alle drei Organisationen bereiten ihre freiwilligen Helfer durch Schulungen auf ihren Einsatz vor. Aber noch viel wichtiger: Alle drei Organisationen leisten einen enorm wertvollen Beitrag dazu, dass wir kein Kind, keinen Jugendlichen zurücklassen. Sie tragen dazu bei, dass Kinder und Jugendliche ihre Stärken entdecken, eigene Pläne schmieden und sich von den Widrigkeiten des Lebens nicht unterkriegen lassen.

Seniorpartner in School setzt bereits früh an und bietet schon in Grundschulen Unterstützung an. So lernen die Schülerinnen und Schüler schon früh, wie sie mit Konflikten und anderen Problemen umgehen können. Diese Strategien zur Selbsthilfe begleiten sie dann durch die gesamte Schulzeit und können verhindern, dass wir diese Kinder verlieren, weil die Probleme sie dauerhaft vom Lernen abhalten.

Alle drei Organisationen – die Seniorpartner sind auch in Oberschulen im Einsatz – nehmen junge Menschen in einer der wichtigsten Lebensphasen an die Hand: am Übergang von Schule zu Beruf. Zudem ist es auch eine der persönlich schwierigsten Lebensphasen. Die Pubertät schlägt hier voll zu und mit ihr all die großen Fragen ans Leben und an sich selbst, alle Zweifel an der eigenen Person und den eigenen Fähigkeiten.

Genau hier sind sie da, die ehrenamtlichen Helfer von Rock Your Life, Teach First Deutschland und Seniorpartner in School. Sie sind da mit ihrer jeweils eigenen Persönlichkeit und Expertise. Als Studierende sind sie den Schülerinnen und Schülern vielleicht persönlich näher, die Seniorpartner sind da vielleicht eher mütterliche und väterliche Ratgeber und bringen möglicherweise eine andere Form der Autorität mit. Die Fellows von Teach First wiederum sind durch ihren Einsatz im Unterricht und die Möglichkeit, auch außerschulische Angebote zu machen, stets präsent und für die Schülerinnen und Schüler zugänglicher als Lehrkräfte, die dem vollgepackten Curriculum entsprechen müssen.

Aber egal, wie sich der Zugang zu den Schülerinnen und Schülern konkret gestaltet, eines eint sie: Sie alle bringen den Kindern und Jugendlichen echtes Interesse und wahre Wertschätzung entgegen. Sie interessieren sich für ihre Sorgen und Nöte, aber auch für ihre Erfolge. Sie haben ein offenes Ohr für all die Fragen, die sich den Jugendlichen in dieser Zeit stellen, und versuchen, beim Finden der Antworten zu helfen.

Sie helfen ihnen dabei, ihre eigenen Stärken und Talente zu entdecken, und sie ermutigen sie, diesen selbstbewusst zu folgen und den richtigen Lebensweg einzuschlagen.

Und ich sage Ihnen: Ich finde das so großartig! Denn genau das brauchen wir, das braucht unsere Gesellschaft: Menschen, die selbstbestimmt den für sie persönlich richtigen Lebensweg gehen. Denn diese Menschen werden aller Voraussicht nach ein erfülltes Leben führen. Und wer ein erfülltes Leben führt, wird auch anderen ihr Lebensglück gönnen und sich im besten Fall sogar dafür einsetzen, dass es auch anderen gut geht.

In Zeiten, in denen wir das Gefühl haben, dass sich die Menschen immer mehr in ihre eigene Blase zurückziehen und sich entweder nicht für andere interessieren oder es einfach gar nicht mitbekommen, was andere Menschen umtreibt, ist das von unschätzbarem Wert.

Wir alle wollen in einer Gemeinschaft leben, in der wir für andere wichtig sind, in der wir gesehen werden. In der sich andere für uns interessieren und uns helfen, wenn wir Hilfe benötigen. Eine Gemeinschaft, in die wir uns einbringen, in der wir auch anderen helfen und damit das beruhigende Gefühl haben, dazuzugehören. Eine solche Gemeinschaft wünschen wir uns alle. Aber eine solche Gemeinschaft muss aufrechterhalten werden, und es bedarf des Beitrags eines jeden Einzelnen dazu. Jede und jeder muss dazu beitragen, so wie sie oder er es eben kann. Das wird nicht immer zu jeder Zeit gleichermaßen so sein. Es ist ein Geben und Nehmen. Jeder gibt, wann er kann und so viel er kann.

Und genau das leben Sie, die Sie sich für Rock Your Life, Teach First und Seniorpartner in School einsetzen. In Lebensphasen, in denen Sie helfen können, tun Sie es. Sicher haben Sie in Ihrem eigenen Leben zuvor auch Hilfe an kritischen Punkten bekommen – das muss gar nicht immer die ganz große Lebenskrise sein. Jeder braucht Begleiter auf seinem Weg, manchmal mehr, manchmal weniger. Auch ich habe wichtige Entscheidungen oft nach langen Gesprächen mit Freunden und Eltern getroffen, habe neue Wege eingeschlagen, weil mir jemand Mut zugesprochen hat und mir gesagt hat: Du kannst das!

Sie geben nun zurück, wovon Sie selbst einmal profitiert haben. Das mag selbstverständlich klingen, aber das ist es leider nicht immer. Und deswegen sage ich an dieser Stelle: Danke! Danke, dass Sie nicht nur nehmen, sondern auch ganz viel geben.

Gleichzeitig finde ich an den Konzepten der drei Organisationen so wunderbar, dass es sich hierbei um keine Einbahnstraßen handelt. Während Sie als Mentoren, Fellows oder Seniorpartner geben, bekommen sie nämlich auch ganz viel zurück. Es ist auch für Sie, so denke ich, eine bereichernde Erfahrung, sich mit jungen Menschen auf einen Teil von deren Lebensweg zu begeben. Egal, aus welcher Profession Sie kommen oder in welcher Lebensphase Sie stecken – ob Sie noch studieren, die Uni gerade abgeschlossen haben oder in der nachberuflichen Phase sind – auch Sie nehmen aus dieser Erfahrung sehr viel mit. So wird das, was Sie im Umgang mit den Schülerinnen und Schülern erleben, ein Teil Ihres eigenen lebenslangen Bildungsweges.

Zehn Jahre lang nehmen Sie Kinder und Jugendliche nun schon an die Hand und begleiten sie ein Stück auf ihrem Lebensweg. Ich bin mir sicher, die Multiplikation daraus wird auf Dauer in unserer Gesellschaft einen Unterschied machen. Denn die Hände, die Sie heute halten, werden morgen andere Hände halten. Die, denen Sie heute den Weg ins Leben ebnen, werden morgen anderen den Weg ins Leben ebnen. Und so gehen wir alle unserer Wege, die sich immer mal wieder kreuzen. Dann gehen wir ein Stück des Weges gemeinsam, und dann gehen wir ihn wieder allein. Wichtig ist nur: Wir müssen erkennen, welcher der für uns richtige Weg ist, und uns Wegbegleiter suchen, wenn wir sie brauchen. Denn das allerwichtigste ist, dass wir auf unserem Weg bleiben und ihn immer weitergehen.

Allen Wegbegleitern von Rock Your Life, Teach First Deutschland und Seniorpartner in School sage ich deshalb: Vielen Dank für Ihre helfenden Hände! Sie helfen nicht nur den jungen Menschen, sondern uns allen.

Herzlichen Dank!