"Women's Night Out" zum Thema "Starke Frauen – Starke Gesellschaften"

Schwerpunktthema: Bericht

25. September 2019

Elke Büdenbender hat am 25. September bei der "Women's Night Out" zum Thema "Starke Frauen – Starke Gesellschaften" auf Einladung der Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik, Michelle Müntefering, eine Rede gehalten.

Elke Büdenbender

Elke Büdenbender hat am 25. September bei der Women's Night Out zum Thema Starke Frauen – Starke Gesellschaften, zu der die Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik Michelle Müntefering in die Villa Borsig in Berlin eingeladen hatte, eine Rede gehalten.

Ansprache von Elke Büdenbender:

In diesem Jahr – das durch das 100-jährige Jubiläum des Frauenwahlrechts ja ein besonderes ist – war ich schon auf vielen Veranstaltungen, bei denen es um uns Frauen ging, um unsere Selbstbestimmung und die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Wir hatten zwei eigene Veranstaltungen in Schloss Bellevue – eine zu 100 Jahren Frauenwahlrecht, die andere zu Louise Ebert, die ich als eine Vorreiterin der Gleichberechtigung bezeichnen möchte. Ich war bei einer Veranstaltung zur Frage der Parität in europäischen Parlamenten, einer zu Frauen in der Wirtschaft und in Führungspositionen, ich durfte bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Frauenrates sprechen, und auch auf einem Sommerfest mit dem wundervollen Namen Wundernova Sommerfest war ich.

Bei einer Women’s Night Out war ich bisher noch nicht, aber ich muss sagen, es klingt toll, und es klingt vielversprechend. Aber unabhängig vom Titel und auch unabhängig vom Veranstaltungsort habe ich in diesem Jahr – mehr als in den Jahren zuvor – vor allem immer eines gespürt: diese ganz besondere Stimmung. Eine Aufbruchsstimmung, die wirklich großartig und ansteckend ist.

Ich glaube, wir Frauen erkennen immer mehr, dass wir wirklich auf einem guten Weg sind.

Die Ernsthaftigkeit, mit der zum Beispiel das 100jährige Jubiläum des Frauenwahlrechts hier begangen wurde, ist ein gutes Zeichen. Und es gibt erfreuliche Entwicklungen: Frauen sind heute so gut ausgebildet wie noch nie. Wir haben Frauen an der Spitze – beispielsweise werden die zwei ältesten Parteien in unserem Land von Frauen geführt, mit der Bundeskanzlerin steht eine weltweit geachtete Frau an der Spitze der Regierung, die EU-Kommission wird zukünftig von einer Frau geführt, vielen wichtigen Bundesministerien stehen Frauen vor.

Wenn wir in die Wirtschaft schauen: Es gibt sie, die Frauen in der Führung von Unternehmen. Auch in der Wissenschaft hat sich der Anteil von weiblichen Führungskräften langsam erhöht. In Kunst, Kultur und den Medien gibt es erfolgreiche und bewundernswerte Frauen. Zu dieser Entwicklung haben sicherlich die selbstbewussten Frauen aus der früheren Deutschen Demokratischen Republik erheblich beigetragen, die schon lange, viel früher und in ungleich stärkerem Maße als in der alten Bundesrepublik, in allen Branchen erwerbstätig waren.

Das zeigt uns: Wir können es schaffen, wir können noch viel weiter in Richtung wahre gleichberechtigte Teilhabe kommen! Und wir können es vor allem schaffen, wenn wir uns zusammentun und uns vernetzen. Und auch das gelingt uns immer besser. Die Vielzahl der Veranstaltungen in diesem Jahr zeigt das, und die eben genannten Entwicklungen bestätigen das.

Warum sind wir dann also heute hier? Wir sind natürlich hier, um uns zu feiern. Aber natürlich auch, weil es trotz der wirklich erfreulichen Entwicklungen immer noch viel zu tun gibt. Noch immer haben wir in Deutschland keine echte Parität erreicht. Dem Gesetz nach stehen Frauen gleichauf mit Männern, de facto tun sie es oft nach wie vor nicht: Führungspositionen in allen Bereichen sind wesentlich häufiger von Männern besetzt, Frauen werden auch bei gleichwertiger Arbeit und Qualifikation schlechter bezahlt, und das nicht nur unwesentlich. Gerade als Mütter stehen Frauen häufig vor besonderen sozialen Klippen, sind mit Beruf und Familie doppelt belastet oder erleben einen Karriereknick.

Nach wie vor ist es so: Den Löwenanteil an unbezahlter Arbeit in familiärer Sorge und Pflege übernehmen Frauen. Sie entscheiden sich häufig für Teilzeit und für soziale oder pädagogische Berufe – Berufe in der Bildung, Erziehung, Pflege, die für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft von enormer Bedeutung sind, gleichzeitig aber zu gering bezahlt und ungerechterweise auch weniger gesellschaftlich anerkannt sind.

Viele von Ihnen werden es auch in ihrer täglichen Arbeit erfahren: Gleichberechtigung haben wir erreicht; gleiche Teilhabe von Frauen in allen Lebensbereichen aber immer noch nicht. Und das hat eben auch strukturelle Gründe, anders sind Lohnunterschiede oder die geringere Teilhabe an Führungspositionen nicht zu erklären. Dass diese Strukturen immer weiter fortbestehen können, liegt natürlich auch an der mangelnden Bereitschaft von Männern, Macht und Einfluss nun auch noch mit Frauen zu teilen.

Zudem fehlt in Unternehmen, führenden Behörden oder in der Wissenschaft allzu häufig die weibliche Perspektive. Viele Frauen erleben spätestens nach Ausbildung und Studium, dass der Beruf und das gesellschaftliche Leben, dass Karrierewege und Lebensgestaltung nach Spielregeln laufen, die Frauen nicht mitgestaltet haben. Und die daher oft nicht ihren eigenen Lebensentwürfen, -vorstellungen und ihren Träumen entsprechen.

Diese Phänomene sind schon lange bekannt und doch hat sich wenig daran geändert. Was können wir also tun?

Zunächst ist für mich ganz klar: Wir müssen die Parität zu einem wichtigen politischen und gesellschaftlichen Ziel erklären. Für mich heißt das: Der Gesetzgeber ist in der Verantwortung.

Gleichzeitig denke ich, dass es ebenso wichtig ist, dass wir die Dinge auch weiter selbst in die Hand nehmen. Dafür müssen wir Frauen im Gespräch bleiben. Es reicht nicht, sich immer mal wieder zu Anlässen wie dem Jubiläum des Frauenwahlrechts zusammenzufinden. Wir müssen dranbleiben! Wir Frauen müssen uns miteinander und auch füreinander engagieren und uns noch mehr vernetzen – innerhalb unseres Landes, aber auch, wie Du, Michelle, es gesagt hast, über unsere Landesgrenzen und auch Kontinente hinweg.

Und deshalb sind Abende wie dieser so wichtig. Liebe Michelle, Du hast mir erzählt, dass Du in der zurückliegenden Zeit so viele tolle Frauen kennengelernt hast, die Du so gerne einmal zusammenbringen würdest. Genauso geht es mir auch. Seit ziemlich genau zweieinhalb Jahren ist mein Mann nun Bundespräsident, und ich habe das große Privileg, mit ihm an meiner Seite so viele wunderbare Menschen und darunter eben auch unglaublich beeindruckende Frauen kennenzulernen – und zwar im In- wie im Ausland. Und deshalb habe ich Deine Einladung auch so gerne angenommen. Vielen Dank für Deine Initiative.

Dabei ist mir eines wichtig: Wir sollten uns nicht in ideologischen Grabenkämpfen verlieren. Wir sollten gemeinsam für die Sache eintreten, nämlich dann, wenn Diskriminierung weiter fortbesteht und Frauen Hindernisse in den Weg gelegt werden.

Was wir brauchen, ist eine Veränderung in den Köpfen. Zum einen müssen vermeintliche Frauenthemen endlich auch zu Männerthemen werden. Und dafür braucht es Empathie und die Bereitschaft, die Perspektive des jeweils anderen einzunehmen: des Kollegen ohne Kinder, der Chefin mit Kindern oder der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ganz anderen Ideen und Lebensschwerpunkten.

Zum anderen ist es aber auch so: Wir Frauen sollten bisweilen auch die Perspektive auf uns selbst überdenken. Denn leider ist es doch oft so, dass wir selbst zögerlich sind, Aufgaben zu übernehmen, die uns andere ohne Weiteres zutrauen. Das hemmt uns im Denken und Handeln.

Deshalb möchte ich uns Frauen ermutigen: Wir müssen uns trauen! Und dabei müssen wir auch mal in Kauf nehmen, dass wir anecken und womöglich nicht von allen gemocht werden. Ich möchte Sie ermutigen: Seien Sie neugierig und vielleicht auch mal penetrant. Werfen Sie Ihr Herz über die Hürde, wenn Sie Zweifel haben. Nur so bleiben wir uns und unseren Idealen treu. Steigen Sie in den Ring, und fechten Sie auch Machtkämpfe aus. Denn es geht auch hier um Macht. Und Macht gibt keiner gerne ab, auch Männer nicht.

Dass das Sich-selbst-Ermächtigen und das Sich-Trauen funktionieren kann, habe ich sogar dort beobachten können, wo es um die Frauenrechte wirklich nicht gut bestellt ist. Auf Auslandsreisen halte ich es nämlich genauso wie Du, liebe Michelle. Ich versuche immer, engagierte Frauen zu treffen, die mir berichten, wie es in ihrem Land mit der Gleichberechtigung aussieht. So traf ich zum Beispiel in Indien Frauenrechtlerinnen und Frauen, die Opfer von Säure- und Brandanschlägen geworden waren. In Südafrika traf ich sehr starke junge Frauen aus einem Township bei Johannesburg und Frauen einer NGO im palästinensischen Ramallah. Sie alle haben sich gegen große Widerstände dafür eingesetzt, dass ihre eigene Situation, aber auch die der anderen Frauen besser wird. Das hat mich wirklich sehr beeindruckt.

Auf eines dürfen wir nicht verzichten, wenn wir die Zukunft gestalten wollen – und das gilt für unser Land ebenso wie für andere Länder: Wir müssen unseren jungen Menschen, Mädchen und Jungen gleichermaßen, Mut machen und sie motivieren, sich einzubringen in unsere Gesellschaft. Und die Voraussetzung hierfür ist – da bin ich mir sicher –, dass jede und jeder den für sie oder ihn persönlich richtigen Weg im Leben einschlagen und gehen kann. Einen Weg, der den eigenen Interessen, Stärken und Talenten entspricht. Das bedeutet auch, dass Mädchen vermeintlich typische Männerberufe ergreifen und umgekehrt Jungen vermeintliche Frauenberufe.

Eine zentrale Rolle spielt hier – ich kann es nicht oft genug betonen – die Bildung. Denn sie ist der Schlüssel zu einem besseren Leben – und zu einem selbstbestimmten Leben. Denn Bildung schafft Wissen, und Wissen macht selbstbewusst. Wer selbstbewusst ist, traut sich, auf die eigenen Talente und Stärken zu schauen und entsprechend den richtigen Weg im Leben einzuschlagen.

Solche selbstbestimmten jungen Menschen werden auch eher für sich und andere Verantwortung übernehmen und sich so in die Gesellschaft einbringen. Und das wiederum ist eine Voraussetzung für Gleichberechtigung, Parität und Demokratie – und somit für eine soziale und solidarische Gesellschaft.

Somit kann ich Dir, liebe Michelle, nur aus vollem Herzen zustimmen: starke Frauen, starke Gesellschaften.

Ich danke Ihnen allen für Ihren Beitrag hierfür. Sie selbst sind starke Frauen, Sie ermutigen andere Frauen und sind damit wichtige Stützen unserer Gesellschaft – und durch Ihre internationalen Beziehungen auch für die Weltgemeinschaft.

Machen Sie weiter so!

Vielen Dank.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier