50. Jubiläum des Deutsch-Israelischen Programms zur Zusammenarbeit in der Berufsbildung

Schwerpunktthema: Bericht

9. September 2019

Elke Büdenbender hat am 9. September beim 50. Jubiläum des Deutsch-Israelischen Programms zur Zusammenarbeit in der Berufsbildung in Berlin eine Rede gehalten.

Elke Büdenbender hat am 9. September bei der Veranstaltung zum 50-jährigen Jubiläum des Deutsch-Israelischen Programmes zur Zusammenarbeit in der Berufsbildung in Berlin eine Ansprache gehalten.

Elke Büdenbender hat am 9. September beim 50. Jubiläum des Deutsch-Israelischen Programms zur Zusammenarbeit in der Berufsbildung in Berlin eine Rede gehalten.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Wenn angehende Köche in die Kochtöpfe des Gastlandes blicken, lernen sie nicht nur Neues über Gerichte, Kochtechniken und Zutaten. Ihnen erschließt sich auch ein Stück Kultur des jeweils anderen Landes. Gerade dieses persönliche Erleben führt zu gegenseitiger Verständigung und zu einer tiefen Verbundenheit zwischen den Menschen.

Das hat mein Mann – der Bundespräsident – gesagt. Er ist Schirmherr des Jubiläumsjahres des Deutsch-Israelischen Programms zur Zusammenarbeit in der Berufsbildung, und er wäre heute Abend wirklich sehr gern selbst hier gewesen. Das ist ihm aus Termingründen leider nicht möglich. Dafür habe ich nun die Ehre, bei Ihnen sein und zu Ihnen sprechen zu dürfen, und darüber freue ich mich sehr.

Denn zwei Dinge liegen mir sehr am Herzen: Zum einen halte ich es für äußerst wichtig, dass Menschen verschiedener Nationalitäten, Kulturen und Religionen sich begegnen und sich austauschen – in den verschiedenen Bereichen des Lebens und in jedem Stadium des Lebens. Und zum Zweiten halte ich die berufliche Aus- und Weiterbildung für mindestens ebenso wichtig wie das akademische Studium.

In der Woche der beruflichen Bildung haben mein Mann und ich unter gemeinsamer Schirmherrschaft verschiedene Berufsbildungszentren und Betriebe besucht und haben wirklich beeindruckende Beispiele von gelungener beruflicher Bildung gesehen.

Ich finde, jeder junge Mensch sollte vor allem darin bestärkt werden, seine Stärken und Interessen zu entdecken und diesen folgend seinen eigenen Weg im Leben einzuschlagen. Wenn dieser Weg in eine Berufsausbildung führt, dann ist das auch gut, wenn das genau seinen Interessen und Stärken entspricht. Weil es gut so für den jungen Menschen ist. Nur so kann er – oder sie – ein selbstbestimmtes und damit auch erfülltes und glückliches Leben führen.

Und wer ein erfülltes Leben führt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit bereit sein, auch anderen ihr Lebensglück zu gönnen. Und er wird vielleicht sogar bereit sein, dazu etwas beizutragen. Dieser junge Mensch bringt sich ein in die Gemeinschaft – in unsere Gesellschaft. Und das ist überlebenswichtig für unsere Demokratie. Sie braucht Menschen, die sich einbringen.

Deshalb schätze ich das Deutsch-Israelische Programm zur Zusammenarbeit in der Berufsbildung so sehr. Auf wirklich wunderbare und wirkungsvolle Weise verbindet es beide Aspekte – den kulturellen Austausch und die Berufsbildung – miteinander.

50 Jahre lang gibt es nun diese starke Kooperation, das Deutsch-Israelische Programm zur Zusammenarbeit in der Berufsbildung, kurz: das Israel-Programm. Seit 1969 arbeiten der Staat Israel und die Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der beruflichen Bildung zusammen und tauschen sich über ihre jeweiligen Erfahrungen aus. Ziel war und ist es bis heute, in beiden Ländern Impulse zur Erneuerung und Weiterentwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung hervorzubringen.

Dass dieser Austausch zwischen Israel und Deutschland – und gerade mit jungen Menschen – stattfindet, ist im Hinblick auf die Geschichte und leider auch im Anbetracht der Ereignisse in jüngster Vergangenheit bei uns in Deutschland umso wichtiger und wertvoller – und absolut notwendig.

Das verdient, groß gefeiert zu werden – heute und morgen hier in Deutschland, im November in Israel.

In den Anfangsjahren kamen vor allem israelische Fachkräfte zur beruflichen Qualifizierung nach Deutschland. In den 1980er Jahren hat sich im Rahmen von Informationsreisen für Fach- und Führungskräfte, den sogenannten Study Tours, mehr gegenseitiges Interesse entwickelt, sodass die Anzahl der Teilnehmenden insbesondere seit 1991 kontinuierlich angestiegen ist. Außerdem organisierten die Länder in regelmäßigen Abständen Seminare und Konferenzen zu aktuellen Themen, die die Berufsbildung betrafen.

Um das Jahr 2000 erweiterte ein neues Element die deutsch-israelische Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung: Kooperationen zwischen Projektteams ermöglichen seitdem Experten, in längerfristiger Zusammenarbeit Curricula und exemplarische Lernmaterialien zu aktuellen Themen der Berufsbildung zu entwickeln.

2012 wurde das Portfolio des Programms um eine zusätzliche Zielgruppe erweitert. Seitdem bietet es Auszubildenden die Möglichkeit, einen beruflichen Lernaufenthalt im Partnerland zu absolvieren. Im Mittelpunkt stehen hier natürlich der Erwerb und die Entwicklung beruflicher Kenntnisse und Fertigkeiten. Aber vor allem verwirklicht sich hier, was ich selbst für vielleicht am wichtigsten halte: das Zusammenbringen unserer jungen Menschen aus Israel und Deutschland.

Sehr gut ist dabei die zeitweilige Kooperation mit den Handwerkskammern verschiedener Gewerke. So wurde zum Beispiel ein Auszubildendenaustausch für Feinwerkmechaniker und Elektriker zusammen mit der Handwerkskammer Köln in 2014 durchgeführt. In 2015 hat die Handwerkskammer Berlin den Aufenthalt für israelische Auszubildende im Bauhandwerk realisiert. Aber genauso entwickelten sich auch gute Kooperationen mit dem anderen Lernort, den Berufsschulen, wie zum Beispiel dem Regionalen Berufsbildungszentrum 1 in Kiel und dem Oberstufenzentrum Informations- und Medizintechnik in Berlin.

An den gegenseitigen Studienreisen nehmen häufiger Teilnehmende aus den Kammern teil, die mit nach Israel reisen und die ihre Kammer dann bei einem Gegenbesuch der israelischen Seite in Deutschland präsentieren.

Ich finde das Konzept des Israel-Programms ganz großartig, denn so werden viele Player der beruflichen Bildung einbezogen und Expertise gewinnbringend für beide Seiten – Ausbilder wie Auszubildende, die israelische wie die deutsche Seite – eingesetzt. So fördert das Israel-Programm eben nicht nur den kulturellen Austausch, sondern ist tatsächlich ein Motor dafür, die Qualität der beruflichen Bildung in beiden Ländern zu verbessern und die zukünftigen Herausforderungen wie die Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt, Fachkräftemangel etc. gemeinsam anzugehen.

Ich selbst habe auch eine Ausbildung gemacht – zur Industriekauffrau – und habe nach dem Abitur auf dem Siegerlandkolleg Jura studiert und bin am Ende Richterin geworden. Ich kann nur sagen, ich habe es immer als Bereicherung empfunden, diesen Weg gegangen zu sein, und finde es großartig, wie vielfältig das Bildungssystem in Deutschland ist. Als Frau des Bundespräsidenten möchte ich mich daher dafür einsetzen, dass die berufliche Bildung einen größeren Stellenwert erhält, als sie ihn derzeit hat.

Deshalb gefällt mir gerade die Erweiterung auf die Auszubildenden sehr gut, denn ich finde: Junge Menschen, die eine Berufsausbildung machen, müssen genauso wie diejenigen, die studieren, die Möglichkeit haben, ins Ausland zu gehen. Das kann eine berufliche Ausbildung nur noch attraktiver machen. Im Mai dieses Jahres sprach ich zum Beispiel mit jungen Leuten im Bildungszentrum Butzweilerhof bei Köln, die an einem Erasmus-Plus-Austausch teilgenommen hatten. Einige waren in Schottland, andere in Ungarn. Das waren vergleichsweise kurze Aufenthalte, aber alle diese jungen Menschen waren begeistert davon, wie spannend und gewinnbringend sie es fanden, über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen – und in die Töpfe anderer Länder zu schauen, um beim Anfangsbild zu bleiben.

Und ich kann aus eigener Erfahrung sagen: In die Kochtöpfe eines anderen Landes zu schauen, kann sehr bereichernd sein – für einen selbst, aber auch für andere. Denn die Erfahrungen, die jemand in einem anderen Land macht, die behält er nicht nur für immer, nein, mehr noch: Er nimmt sie mit nach Hause und teilt sie mit anderen. Da wird also ein Teil der Suppe des anderen Landes mit der des eigenen Landes vermischt. So wird die eigene Suppe ergänzt und erweitert. Das kann einem schmecken oder nicht. Aber Fakt ist, wir müssen uns mit dem Anderen auseinandersetzen und es so mit dem Eigenen verbinden – mit den eigenen Zutaten und Gewürzen –, dass es zusammen ein gutes Gericht ergibt, das uns allen schmeckt.

Dieser kulturelle Austausch, der Dialog der Menschen, ist umso wichtiger für Israel und Deutschland, zwei Länder, die über einen historisch einmaligen Abgrund, die Shoah, miteinander verbunden sind. Zwei Länder, die aber auch für eine gemeinsame Zukunft arbeiten.

Die ausgestreckte Hand Israels, das andauernde Interesse, ausgerechnet in deutsche Kochtöpfe zu gucken und einen Tisch zu teilen – das ist ein wahres Wunder der Versöhnung, für das wir dankbar sind und bleiben.

Somit kann ich denjenigen, die sich für das Israel-Programm und sein Fortbestehen einsetzen oder eingesetzt haben, gar nicht genug danken: dem israelischen Ministry of Labor and Social Affairs, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung in Deutschland, dem Manpower Training and Development Bureau, der Nationalen Agentur Bildung für Europa beim BIBB sowie der Carl Duisberg Gesellschaft e.V., der Internationalen Weiterbildung und Entwicklung GmbH und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit, die das Programm über die Jahre umgesetzt haben.

Ihnen allen gilt mein großer Dank und natürlich auch der meines Mannes. Sie alle tragen maßgeblich dazu bei, den Horizont unserer jungen Auszubildenden in Israel und Deutschland zu erweitern und die Qualität der beruflichen Aus- und Weiterbildung zu verbessern. Und damit helfen Sie kräftig mit, dass unsere Suppe des Lebens immer vielfältiger und besser wird. In diesem Sinne: Ihnen nun einen guten Appetit!

Herzlichen Dank.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier