Eröffnung eines Childhood-Hauses

Schwerpunktthema: Bericht

5. September 2019

Elke Büdenbender hat am 5. September gemeinsam mit I.M. Königin Silvia von Schweden ein Childhood-Haus in Heidelberg mit einer Ansprache eröffnet.

Elke Büdenbender hat am 5. September zur Eröffnung eines Childhood-Hauses in Heidelberg eine Ansprache in der Aula der Universität Heidelberg gehalten.

Elke Büdenbender hat am 5. September gemeinsam mit I.M. Königin Silvia von Schweden ein Childhood-Haus in Heidelberg mit einer Ansprache eröffnet.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit, hat Erich Kästner einmal gesagt.

Im Anbetracht der Tatsache, dass es viele Kinder in vielen Ländern dieser Welt gibt, die Not leiden, die in Armut und mit Gewalt aufwachsen, mag man dieses Zitat jetzt vielleicht für sarkastisch halten. Aber das ist es nicht. Denn: Ich sehe es vor allem als Aufforderung an uns alle. Wir alle sind verpflichtet, Kindern auch unter den schwierigsten Bedingungen Schutz, Zuversicht und Glück zu ermöglichen. Es muss uns gelingen, so etwas wie Kindheit gegenüber den Zumutungen einer oftmals brutalen Wirklichkeit zu verteidigen.

Das sollte uns nicht nur unser Herz sagen. Nein, der Schutz vor Gewalt, Missbrauch und Misshandlung ist ein Kinderrecht, das in der UN-Kinderrechtskonvention verankert ist. Diese wird in diesem Jahr 30 Jahre alt. Ein Grund mehr, 2019 einen besonders kritischen Blick auf die tatsächliche Umsetzung der Kinderrechte zu werfen. Und dieser offenbart: Es ist schon viel geschehen, um das Leben von Kindern in Not lebenswerter zu machen, aber es gibt immer noch viel zu tun.

Als Schirmherrin von UNICEF Deutschland setze ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten für die Umsetzung der Kinderrechte weltweit ein. In den zweieinhalb Jahren, die mein Mann nun Bundespräsident ist und in denen ich viel mit ihm gereist bin – im Inland wie im Ausland – und wirklich viele Menschen kennengelernt habe, habe ich immer wieder beobachten können: Wir können die Lebensumstände – die Kriege und die Hungersnöte, die Armut und die Perspektivlosigkeit – nicht einfach abschalten. Das ist uns allen bewusst. Aber dennoch können wir viel dafür tun, Kindern trotz dieser Umstände so weit wie eben möglich eine lebenswerte Kindheit zu schaffen.

In Indien zum Beispiel habe ich ein UNICEF-Projekt besucht, das Kindern, die zuvor auf der Straße lebten und arbeiten mussten, eine Anlaufstelle bietet, in der sie zusammenkommen und gemeinsam überlegen, wie sie ihre Rechte und die der anderen Kinder in der Nachbarschaft wahren können.

In Kolumbien traf ich Kinder, die umgeben von Drogenkriminalität und Gewalt aufwachsen und die sich im UNICEF-Projekt Somoz Paz für Frieden und Versöhnung und somit bessere Lebensbedingungen für sich und andere einsetzen.

Sehr beeindruckt hat mich auch das UNICEF-Programm der Techno Girls in Südafrika, das Mädchen und jungen Frauen aus den Townships von Soweto ermöglicht, Praktika vor allem in technischen Berufen zu machen und das diese Mädchen sehr erfolgreich in gut qualifizierte Berufe bringt. Für viele von ihnen war das das Sprungbrett zu einem Studium oder einer Festanstellung in diesem Beruf – und damit raus aus einem Leben in Armut und tradierten Geschlechterrollen hin zu einem selbstbestimmten Leben.

Aber auch hier bei uns in Deutschland geschieht viel Gutes für das Wohl unserer Kinder. Im ersten Amtsjahr besuchte ich eine kleine Beratungsstelle in Kreuztal bei Siegen, die eine Anlaufstation für Mädchen in Not ist. Mädchen, die sexuellen Missbrauch erleben mussten oder anderen Formen der Gewalt ausgesetzt waren.

Eines haben alle diese Initiativen gemein: Sie alle wollen das Leben von Kindern ein stückweit besser machen. Aber sie alle wirken nicht nur im Augenblick, sondern auch in der Zukunft. Die Kinder werden vor noch mehr Leid bewahrt, und sie werden darin unterstützt, selbstbewusst für ein besseres Leben einzutreten – für sich und manchmal sogar für andere. Nur so kann die Spirale der Gewalt unterbrochen und damit verhindert werden, dass die Kinder, die Gewalt ausgesetzt sind, später selbst zu Gewalttätern werden.

Genauso arbeitet die World Childhood Foundation. Sie ist davon überzeugt, dass es möglich ist, sexuellen Missbrauch an Kindern zu verhindern oder die Folgen zu lindern und unterstützt dazu konkrete Projekte und Initiativen.

Dieses Engagement kann nicht hoch genug geschätzt werden, und deshalb freue ich mich ganz besonders, heute hier sein zu können – bei der Eröffnung des zweiten Childhood Hauses in Deutschland.

Auch wenn das Geschehene nicht ungeschehen gemacht werden kann, so ist es doch wichtig, eine weitere Traumatisierung zu vermeiden. Da hilft es wirklich sehr, wenn Kindern, die so schlimme Gewalterfahrungen machen mussten, weite Wege und unnötig viele Gespräche erspart werden und alles in einem Haus vereint ist. Das dient dazu, das Unrecht aufzudecken und das Kind zu schützen: ein Arztzimmer, ein Zeugenzimmer und ein Nebenzimmer, in dem Richter, Staatsanwälte und unter Umständen auch der Peiniger sitzen, um die Zeugenaussagen anzuhören.

Diese Bündelung findet in den Childhood Houses weltweit statt. In Deutschland gibt es seit vergangenem September das erste Childhood House in Leipzig und ab heute nun das zweite in Heidelberg. Acht weitere sollen deutschlandweit noch folgen.

Ich danke der World Childhood Foundation, die in diesem Jahr ihr 20. Jubiläum feiert, von Herzen für Ihren großen Einsatz für unsere Kinder. Und ganz besonders danke ich Ihnen, Majestät, dass Sie die World Childhood Foundation vor 20 Jahren gegründet haben und seither unermüdlich in ihrem Dienst in aller Welt unterwegs sind, um Kinder vor sexuellem Missbrauch und anderen Gewalterfahrungen zu bewahren oder wenigstens die Folgen zu lindern.

Bei der Gründung vor 20 Jahren haben Sie gesagt: Ich habe eine Stiftung gegründet, und mein größter Wunsch ist es, sie bald wieder schließen zu können. Dieser Wunsch ist Ihnen und uns allen leider nicht erfüllt worden. Aber dennoch schaffen Sie und Ihre Stiftung es jeden Tag aufs Neue, das Leid der Kinder zu lindern, und durch Ihre Aufklärungsarbeit sicherlich auch, dass manches Leid erfolgreich verhindert werden kann.

Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit, sagte Erich Kästner. Sie bemühen sich Tag für Tag, das umzusetzen und ein bisschen Glück in das Leben von Kindern zu bringen, denen es bisher nicht vergönnt war.

Nicht nur diese Kinder werden es Ihnen danken, sondern auch alle, die wir hier sitzen. Einen guten Start dem zweiten Childhood House in Deutschland, hier in Heidelberg. Vielen herzlichen Dank.