Festakt 60 Jahre Seemannsmission Wilhelmshaven

Schwerpunktthema: Bericht

23. August 2019

Elke Büdenbender hat am 23. August den Festakt 60 Jahre Seemannsmission Wilhelmshaven mit einer Festrede eröffnet.

Elke Büdenbender

Elke Büdenbender hat die Seemannsmission in Wilhelmshaven besucht und an den Feiern zu deren 60-jährigem Bestehen teilgenommen. Mehr als 700 Frauen und Männer arbeiten weltweit haupt- und ehrenamtlich für die Deutsche Seemannsmission. In über 35 Hafenstädten der Welt heißen sie die Seeleute willkommen, nehmen sich Zeit für Gespräche und bieten praktische Hilfe und Orientierung in der Fremde.

Als Schirmherrin des Jubiläums hielt Elke Büdenbender beim offiziellen Festakt am 23. August die Festrede. Auch beim Tag der offenen Tür am 24. August war sie im Haus der Seemannsmission zu Gast.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Ich freue mich sehr, heute hier bei Ihnen zu sein. Und das tue ich nicht nur, weil ich Wilhelmshaven für eine wunderschöne Stadt halte, die in diesem Jahr ihr 150-jähriges Jubiläum feiert. Viel mehr noch: Ich freue mich, weil ich hier und heute die Möglichkeit habe, Menschen zu würdigen, die sich ehrenamtlich für andere einsetzen. In diesem Fall sind das Menschen, die das an 365 Tagen im Jahr bei Wind und Wetter tun. Es sind die Menschen, die sich ehrenamtlich bei der Deutschen Seemannsmission Wilhelmshaven engagieren, die in diesem Jahr ihr 60-jähriges Jubiläum feiert.

Lass fallen Anker – Land in Sicht. Wir geben den Seeleuten zeitweise ein zweites Zuhause, das ist das Leitmotiv der Deutschen Seemannsmission Wilhelmshaven. Und dieses Leitmotiv wird seit 60 Jahren ehrenamtlich hier im einzigen deutschen Tiefwasserhafen gepflegt und gelebt.

Als damals, 1959, der Ölhafen in Wilhelmshaven gebaut wurde, waren es ein evangelischer Pastor und Persönlichkeiten der Stadt, die auf die Idee kamen, eine Heimstatt für Seeleute zu gründen. Weit früher, um 1850, wurde in England die Mission to Seamen gegründet, und rund 150 Jahre ist es her, dass in Bremen ein erstes Seemannsheim eröffnet wurde.

Der Zweck der Seemannsmission Wilhelmshaven hat sich bis heute nicht geändert: Christliche Nächstenliebe soll gelebt, das geistige und leibliche Wohl der Seeleute aller Länder und ihrer Angehörigen in der Ferne soll gefördert werden, und zwar unabhängig davon, welcher Religion sie angehören und welcher Herkunft sie sind. Dieser Zweck wird von den 14 ehrenamtlichen Schiffsbesucherinnen und -besuchern der Seemannsmission Wilhelmshaven, ihren drei Clubbetreuerinnen und -betreuern, dem neunköpfigen Vorstand und Beirat das ganze Jahr über gelebt.

Und diese Arbeit ist heute genau so dringend nötig wie damals vor 60 Jahren. Denn allein mehr als 90 Prozent aller eingeführten Waren kommen per Schiff zu uns nach Deutschland. Ohne Transport per Schiff wären diese Warenströme nicht zu schaffen. Und ohne die Menschen an Bord, die oft monatelang von ihren Angehörigen getrennt sind, würde die Schifffahrt nicht funktionieren.

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Seemannsmission Wilhelmshaven, Sie alle sind die maritim-sozialen Botschafter Ihrer Hafen- und Heimatstadt. Und nicht nur das: Sie sind darüber hinaus Botschafter unseres Landes. In Ihrem Seemannsheim, das ich morgen kennenlernen werde und das, wie ich höre, sehr familiär geführt wird, finden Seeleute jeden Tag im Jahr ein zweites Zuhause, finden Stille und Einkehr, können in Ruhe mit ihren Angehörigen kommunizieren und werden betreut.

Und wie wichtig das für diese Menschen ist, die da von hoher See in einen fremden Hafen kommen, zeigt die Wirklichkeit an Bord dieser Schiffe, die monatelang über die Meere dieser Welt fahren. Diese Wirklichkeit entspricht nämlich nicht dem romantisch verklärten Blick auf die Seefahrt. In Wirklichkeit ist das Leben an Bord hart. Es ist auf das Notwendigste beschränkt. Auf engstem Raum leben und arbeiten Menschen verschiedener Nationalitäten, Religionen und Kulturen zusammen, und das oft monatelang. Sie sind fern der Heimat, weit weg von ihren Familien – egal, ob die Frau gerade ein Kind erwartet, das Kind vielleicht gerade eingeschult wird, oder ob sie frisch verliebt sind. Oft müssen diese Seeleute alles, was sie bedrückt, mit sich selbst ausmachen.

Nach nicht selten stürmischer Fahrt auf hoher See wird der nächste Hafen von den Seeleuten deshalb meist sehnlichst erwartet. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Seemannsmission sind nach Ankunft oft die ersten an Bord und geben dem Hafen so ein menschliches Gesicht. Denn sie bieten den Seeleuten ein offenes Ohr, ermöglichen Kommunikation und stehen ganz einfach für Gespräche über anderes als die Bordthemen zur Verfügung.

Im vergangenen Jahr haben die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer 877 Schiffe besucht und hatten dabei Kontakt zu 5.753 Seeleuten der unterschiedlichsten Nationalitäten. 829 Seeleute wurden im Haus der Seemannsmission betreut, und Sie, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Seemannsmission, verschafften ihnen telefonischen Kontakt zu ihren Angehörigen und ließen sie – wenn auch nur für eine kurze Zeit – den Schiffsalltag vergessen. Selbst über alle Feiertage und am Jahreswechsel waren Sie alle im Einsatz, und das freiwillig.

Das ehrenamtliche Engagement ist inzwischen ein ganz wichtiges Aufgabenfeld unserer Gesellschaft. Ohne das Ehrenamt würde unsere Gesellschaft nicht funktionieren. Eine Gesellschaft, wir brauchen Menschen, die sich füreinander interessieren, die einander zuhören und die bereit sind, für sich und andere Verantwortung zu übernehmen. Und nur in einer solchen Gesellschaft findet Demokratie eine gute Heimat – so wie die Seeleute bei Ihnen eine gute Heimat finden, wenn auch nur zeitweise.

Deshalb ist das ehrenamtliche Engagement, und damit auch das der Wilhelmshavener Seemannsmission, von größter zivilgesellschaftlicher Bedeutung und kann nicht hoch genug wertgeschätzt werden.

Mein Mann ist nun seit zweieinhalb Jahren Bundespräsident, und in dieser Zeit sind wir viel herumgekommen. Und ich muss sagen, uns beide beeindruckt zutiefst, wie viele Menschen sich neben Beruf und Familie noch für andere einsetzen. In Zeiten zunehmender Individualisierung empfinde ich das als ein tolles Zeichen dafür, dass Werte wie Empathie, Wertschätzung und respektvoller Umgang miteinander nach wie vor einen hohen Stellenwert haben und von vielen Menschen tagtäglich gelebt werden.

Ich weiß, dass das dankbare Lachen der Seeleute der größte Lohn für alle Schiffsbesucherinnen und -besucher und Clubbetreuerinnen und -betreuer ist. Heute aber sollten Sie sich auch mit dieser Jubiläumsfeier hochleben und belohnen lassen, denn Sie haben sich diese Feierlichkeiten und ganz viel Anerkennung verdient.

Gleiches gilt für morgen, wo sich beim Tag der Offenen Tür im Seemannsheim hoffentlich ganz viele Menschen einen Einblick in Ihre großartige Arbeit verschaffen werden. Am Sonntag findet schließlich noch ein Seefahrer-Gottesdienst statt, der gemeinsam von den Seemannspastoren aus Wilhelmshaven und Rotterdam gestaltet wird. Er zeigt einmal mehr, wie eng die Verbindung der Seemannsmissionen der beiden größten europäischen Tiefwasserhäfen Wilhelmshaven und Rotterdam ist. Auch das setzt ein schönes Zeichen.

Ich danke Ihnen von Herzen für Ihr großes Engagement und Ihren unersetzbaren Beitrag zu einer guten Gesellschaft – und in Ihrem Fall durch den Austausch mit fremden Kulturen ja noch weitergehend: zu einer friedlichen Weltgemeinschaft.

Lassen Sie mich enden mit dem Spruch, den Pastor Johann Hinrich Wichern auf dem ersten Kirchentag 1848 in der Lutherstadt Wittenberg prägte: Jede Arbeit soll zuerst mit dem Herzen, dann mit den Händen oder mit der Zunge geschehen. Das gelingt Ihnen, liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Seemannsmission Wilhelmshaven, jeden Tag aufs Neue – seit 60 Jahren.

Bitte bleiben Sie weiter so aktiv! Die Menschen, die Ihre Betreuung und Herzenswärme empfangen dürfen, werden es Ihnen danken.

Herzlichen Glückwunsch Ihnen und herzlichen Glückwunsch der deutschen Seemannsmission Wilhelmshaven zum 60-jährigen Geburtstag in einer 150-jährigen Hafenstadt!