Mitgliederversammlung des Deutschen Frauenrats

Schwerpunktthema: Bericht

15. Juni 2019

Elke Büdenbender hat am 15. Juni die Mitgliederversammlung des Deutschen Frauenrats unter dem Motto "Mehr Frauen – Mehr Demokratie" mit einer Ansprache eröffnet.

Elke Büdenbender spricht ein Grußwort bei der Mitgliederversammlung des Deutschen Frauenrats.

Elke Büdenbender hat am 15. Juni die Mitgliederversammlung des Deutschen Frauenrats unter dem Motto Mehr Frauen – mehr Demokratie mit einer Ansprache eröffnet.

Ansprache von Elke Büdenbender:

Änderungen vorbehalten. Es gilt das gesprochene Wort.

Herzlichen Dank für die Einladung, es war mir eine Freude und Ehre diese anzunehmen! Denn auch wenn wir Frauen in den letzten 100 Jahren vieles erreicht haben, so bleibt es weiterhin notwendig, dass sich Frauen aus allen Altersgruppen, allen Gesellschaftsbereichen und mit den verschiedensten Anliegen gemeinsam engagieren. Dies tun Frauen im ganzen Land individuell, im Kleinen wie im Großen, in Vereinen und Organisationen. Der Deutsche Frauenrat gibt all diesen engagierten Frauen ein Zuhause. Oder, viel mehr noch, eine gebündelte und gewichtige Stimme. Und das ist mehr als wertvoll und seit vielen Jahren und Jahrzehnten erfolgreich!

Mehr Frauen – mehr Demokratie – so Ihr Motto für den heutigen Tag. Wenn mein Blick hier durch den Raum schweift, dann sehe ich ein M-EE-r von Frauen! Sie alle werden heute und morgen auf Ihrer Mitgliederversammlung nach demokratischen Grundsätzen über Anträge, Berichte oder Satzungsänderungen abstimmen. Dann passt doch eigentlich alles, könnte man da jetzt sagen. Aber wo bleibt hier – in einem Saal voller Frauen – die Parität?, lautet meine Gegenfrage.

Verstehen Sie mich nicht falsch – zum Glück sind die Zeiten, in denen Männer über uns entscheiden – beispielsweise, ob wir berufstätig sein dürfen oder nicht –, passé. Aber geht Gleichberechtigung so ganz ohne die Männer? Ohne, dass sie mehr oder weniger freiwillig Macht abgeben?

Der Deutsche Frauenrat ist ein Lobbyverband für Frauen. Könnten Männer in unserem Sinne lobbyieren? Ja, in einer perfekten Welt könnte und sollte dies nicht nur jede Frau, sondern auch jeder Mann tun! Und dies ganz selbstverständlich, ohne von Geschlechterklischees geleitet in tradierten Bahnen zu denken.

Wie aber kommen wir an dieses Ziel einer perfekten Welt?

Vor 100 Jahren haben unsere Vorgängerinnen sich das allgemeine Wahlrecht erkämpft. Und auch wenn noch viel zu tun ist, so sind die Vielseitigkeit und vor allem auch die Ernsthaftigkeit, mit der das 100-jährige Jubiläum in zahlreichen Veranstaltungen begangen wurde – so im Januar diesen Jahres auch bei uns im Schloss Bellevue mit höchster Würdigung durch den Bundespräsidenten, also meinen Mann –, mehr als ein gutes Zeichen. Ein Zeichen, dass es uns ernst ist mit der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern am politischen, wirtschaftlichen – am gesamten öffentlichen Leben. Denn wir wollen vielfältige Perspektiven und Erfahrungen von Männern und von Frauen einbringen. Wir wollen gleiche Chancen und keine Benachteiligungen durch gläserne Decken. Gleichberechtigte Teilhabe macht unsere Gesellschaft gerechter, sie macht unsere politischen Antworten besser, und sie macht unsere Demokratie zukunftsfest.

Und gerade weil es uns so ernst ist, sind Ihre Arbeit und Ihr Engagement unverzichtbar. Ja, Sie sind dem Anschein nach ausschließlich lobbyierende Frauen. Aber Frauenthemen müssen endlich auch zu Männerthemen werden! Und hier im Saal blicke ich in viele überzeugungsstarke Gesichter!

Lassen Sie uns die Männer also davon überzeugen und sie auffordern, uns Frauen in unseren Anliegen und Themen zu unterstützen. Zu oft gestalten sich Lebensmodelle oder verlaufen Karrierewege nach Spielregeln, die wir Frauen nicht mitgestaltet haben. Fordern wir also von den Männern unser Recht auf Mitgestaltung ein!

Wir Frauen sind heute so gut ausgebildet wie noch nie. Frauen stehen in Politik und Wirtschaft an der Spitze, wir sind Richterinnen, Wissenschaftlerinnen, Ökonominnen, Künstlerinnen, Bundesministerinnen, Ingenieurinnen, Verbandsvorsitzende, Handwerksmeisterinnen. Und wir sind Feministinnen! Denn uns ist die Sache der Frauen ein besonders wichtiges Anliegen – Selbstbestimmung, Freiheit, Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten.

Ich war in den letzten Monaten bei vielen Veranstaltungen, die sich um uns Frauen drehten: zum Frauenwahlrecht, zu Europa, zu Parität in den Parlamenten, zu Frauen in Führungspositionen. Und wissen Sie, was ich jedes Mal wieder großartig fand und finde? Diese ganz besondere Aufbruchsstimmung, die immer noch und immer wieder da ist, signalisiert: Wir sind hier, wir haben Ideen und Pläne, wir sind viele, und wir lassen uns nicht aufhalten, sondern wir sind fest entschlossen, die Dinge anzupacken, und das gemeinsam! Und dieses gemeinsam schließt auch die Männer mit ein.

Frauen können alles, was Männer auch können. Aber Männer können auch alles, was wir Frauen können. Das gilt natürlich auch umgekehrt. Denn was ist schon typisch Mann und typisch Frau? Wir müssen das Denken in tradierten Bahnen ablegen.

Ich fragte vorhin, wie wir an das Ziel kommen, nicht mehr von Geschlechterklischees geleitet zu denken. Ich bin mit viel Überzeugung und Leidenschaft Schirmherrin der Initiative Klischeefrei. Nicht nur deshalb freut es mich ganz besonders, dass der Deutsche Frauenrat eine der Partnerinnen der Initiative ist! Die Initiative hat folgenden Leitgedanken: Mädchen und Jungen sind vielfältig. Sie sollen einen Beruf finden, der zu ihren Stärken, Interessen und ihrer Lebensplanung passt – frei von Geschlechterklischees. Die Initiative möchte junge Menschen auf diesem Weg unterstützen und verfolgt dabei das Ziel, deutschlandweit eine klischeefreie Berufs- und Studienorientierung zu etablieren.

Dieser abstrakte Leitgedanke wird durch inzwischen etwa 200 Partnerinnen und Partner mit Leben gefüllt: Darunter befinden sich große Unternehmen, Wirtschafts- und Sozialverbände, aber auch kleine Organisationen, Vereine oder Bildungseinrichtungen. Und genau in dieser Vielfalt und dem Miteinander aus allen Teilen der Gesellschaft liegt das Erfolgsrezept. Sie geben die Philosophie, dass jeder junge Mensch jeden Beruf ergreifen kann, ihren Strukturen und Wirkungskreisen entsprechend weiter und sind somit sehr wertvolle Multiplikatoren. Erst kürzlich wurden sie bei der Klischeefrei-Fachtagung in Anwesenheit von Frau Bundesministerin Giffey, Herrn Bundesminister Heil, Frau Parlamentarische Staatssekretärin Schwarzelühr-Sutter aus dem Bundesumweltministerium, Herrn Staatssekretär Luft aus dem Bundesbildungsministerium, Herrn Schwannecke vom Zentralverband des Deutschen Handwerks, Herrn Dercks vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag und Herrn Gunkel von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände symbolisch für ihr Engagement ausgezeichnet. Zugegeben, die Gruppe der Laudatorinnen und Laudatoren hätte ein wenig paritätischer ausfallen können – aber bei den Männern handelt es sich um überzeugte Unterstützer der Initiative!

Diese öffentliche Unterstützung von Männern in führenden Positionen für eine Initiative, die Geschlechterklischees überwinden soll, hat doch einen großartigen Vorbildcharakter! Und wir brauchen nicht nur starke und sichtbare Frauen als Vorbilder, sondern eben auch Männer, die zeigen, dass es richtig und wichtig ist, sich für Themen der Gleichberechtigung zu verwenden.

Natürlich ist das Über-eine-Sache-Reden einfacher, als sie konkret umzusetzen! Rechtlich stehen wir Frauen mit Männern gleichauf, aber im privaten und beruflichen Alltag gelebt wird die Gleichberechtigung eben vielfach nicht ganz selbstverständlich. Klischees – besonders eben auch die der traditionellen Rollenbilder – stecken tief in uns drin und haben uns und unsere gesellschaftlichen Strukturen offensichtlich geprägt. Männer besetzen wesentlich häufiger Führungspositionen, Frauen werden auch bei gleichwertiger Arbeit schlechter bezahlt, oder sie gelten als Rabenmutter, wenn sie ihre Kinder vermeintlich zu früh in die Kita geben und sich ihrer Karriere widmen.

Und dass diese Strukturen weiterhin bestehen, obwohl sie zunehmend in Frage gestellt werden, hängt am Ende eben auch mit der Umsetzung seitens der Männer zusammen. Die Bereitschaft von Männern, Macht und Einfluss mit uns Frauen zu teilen, ist ausbaufähig. Wir sind die Hälfte der Welt, wir wollen die Hälfte der Macht.

Erobern wir uns einen gleichberechtigten Platz in allen Gesellschaftsbereichen! Lassen wir unsere Perspektive und unsere Ideen in die Gestaltung der Zukunft einfließen! Und nehmen wir die Männer auf dem Weg dahin mit!

Sie, der Deutsche Frauenrat, vereinen in sich nicht nur rund 60 einzelne Organisationen. Sondern jede einzelne von Ihnen, die Mitglied ist und somit für die Sache der Frauen eintritt, gibt unseren Ideen und unseren Forderungen ein ganz konkretes Gesicht. Ich danke Ihnen dafür allen von Herzen und wünsche Ihnen eine erfolgreiche Mitgliederversammlung!

Vielen Dank!